7. Die Kultur von Kyoto

Iwata:

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Sie 25 Jahre zusammenarbeiten konnten – ein ganzes Vierteljahrhundert?

Miyamoto:

Wir sind vom Charakter her völlig verschieden.

Iwata:

Stimmt, das glaube ich auch. (lacht)

Miyamoto:

Aber noch nie hat einer von uns sich geweigert, eine Idee des andern zu überdenken und anzuerkennen.

Tezuka:

Aha.

Nakago:

Nein, das ist nie vorgekommen.

Iwata:

Stimmt, ich habe es noch nie erlebt, dass die beiden wirklich aneinandergeraten.

Miyamoto:

Wir sind aber oft unterschiedlicher Meinung.

Iwata:

Aber Sie sind nie in einen längeren Konflikt geraten.

Nakago:

Nein.

Miyamoto:

Irgendwie seltsam. Wieso eigentlich nicht? Vielleicht haben wir eine symbiotische Beziehung?

Iwata:

Symbiotische Beziehung?

Miyamoto:

Vielleicht lassen wir einander Raum für die jeweils eigene Entwicklung, weil wir selbst davon profitieren. (lacht) So wie die Beziehung zwischen Clownfisch und Seeanemone19. 19 Die Beziehung zwischen Clownfisch und Seeanemone: Ein Beispiel, das oft zur Erläuterung symbiotischer Beziehungen herangezogen wird. Clownfische leben in der Nähe der Tentakeln von Seeanemonen. Hier kann der Clownfisch sich vor seinen natürlichen Feinden verstecken, und die Seeanemonen verwerten die Futterreste der Clownfische. So profitiert der eine von dem anderen.

Alle:

(lachen)

Miyamoto:

Wir schätzen es, dass der andere Dinge kann, die wir nicht können.

Iwata:

Sie schätzen einander für Talente, die Sie selbst nicht besitzen, und führen eine symbiotische oder abstandsbetonte Dreiwegebeziehung. (lacht)

Iwata Asks
Miyamoto:

Das könnte so in etwa hinkommen! Wenn wir auf etwas stoßen, woran wir nichts ändern können, denken wir uns einfach: „Daran können wir eben nichts ändern“, und machen weiter im Text.

Tezuka:

Genau.

Miyamoto:

Wir gehen auch zusammen essen, bestellen dieselben Gerichte, bestätigen uns, dass es gut schmeckt, und kommen einfach gut miteinander aus. (lacht)

Nakago:

Wir sind bei der Arbeit eigentlich immer am Futtern oder Knabbern.

Tezuka:

Neulich haben wir einen Haufen Reiscracker bei Awaji Island bestellt und alles Mögliche besprochen, während wir die Cracker vernichtet haben. (lacht)

Miyamoto:

Das können Sie beide aber gerne alleine machen. Ich bin kein Mitglied der Reiscracker-Fraktion! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Vielen Dank schon mal. Ich habe nur noch eine Frage, die letzte unserer Serie von fünf „Iwata fragt“-Interviews zum 25. Jubiläum von „Super Mario Bros.“. Ich wüsste gerne, was Sie in der Zukunft mit der „Super Mario Bros.“-Serie zu erreichen hoffen.

Nakago:

Na ja, als Mitglied der Erhaltungsgesellschaft …

Miyamoto:

Moment, das war mein Spruch! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Okay, machen Sie den Anfang, Mr. Tezuka.

Tezuka:

Ich glaube, „New Super Mario Bros. Wii“ hat das Konzept des gemeinsamen Spielens von Familien fest etabliert.

Iwata:

Ja. Ich glaube, Familien haben auch das ursprüngliche „Super Mario Bros.“ zusammen gespielt. Ich habe den Eindruck, „New Super Mario Bros. Wii“ hat uns plötzlich in diese Zeiten zurückversetzt und das Phänomen noch ausgeweitet.

Tezuka:

Stimmt. Ich würde gerne in dieser Richtung weitermachen, dafür sorgen, dass die Spiele Familien enger zusammenbringen. Ich finde, die Spiele sollten ein Mittel sein, bereits existierende gute Elemente auszubauen, nicht dafür, etwas anderes zu entwickeln.

Iwata Asks
Iwata:

Was meinen Sie, Mr. Kondo?

Kondo:

Da ich ja dafür zuständig bin, die Musik in das fertige Spiel einzufügen, und nicht dafür, das Spiel selbst zu gestalten, kann ich nur schwer sagen, welche Art von Spielen wir machen sollten. Aber ich möchte wirklich gute Musik machen. Wenn ein noch vergnüglicheres Spiel herauskommt, möchte ich noch vergnüglichere Musik dafür erstellen.

Iwata Asks
Tezuka:

Wenn Mr. Kondo das Spiel spielt, bevor er sich an die Musik macht, sagt er uns sofort, welchen Eindruck er hat, ganz ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Das ist wirklich sehr hilfreich.

Iwata:

Auf Mr. Kondos erste Eindrücke ist Verlass.

Tezuka:

Auf jeden Fall.

Iwata:

Mr. Kondo, ich nehme an, Sie werden von jetzt an einen doppelten Beitrag leisten – einmal durch das Komponieren guter Musik und auf der andern Seite, indem Sie Ihre ehrliche Meinung zu den Spielen sagen.

Kondo:

Ich werde mein Bestes tun. (lacht)

Iwata:

Und wie sieht es mit Ihnen aus, Mr. Nakago?

Nakago:

Also, innerhalb des Unternehmens sind die Programmierer schon seit längerer Zeit überzeugt, dass wir auf eine „meisterhafte Welt“ hinarbeiten sollten.

Iwata:

Meisterhaft?

Nakago:

Ja. Wenn zum Beispiel der Gründer und Meister unserer Kunst, Mr. Miyamoto, sagt: „Wir fügen einen Block auf diesem Level ein“, dann machen wir das möglich – selbst wenn es eigentlich unmöglich ist. Das ist wahre Meisterschaft!

Iwata:

(lacht)

Nakago:

Und das will ich erreichen. Es macht uns einfach Spaß, Dinge zu erstellen.

Iwata:

Sie haben Spaß an der Erstellung der Spiele und Sie wissen, dass die Spieler ebenfalls Spaß haben werden, wodurch Ihre Arbeit gleich noch einmal mehr Freude macht!

Nakago:

Ja, es macht wirklich Spaß.

Iwata Asks
Iwata:

Und Sie, Mr. Miyamoto?

Miyamoto:

Ich glaube, Mr. Tezuka hat wirklich Recht mit seiner Einschätzung zu Spielen für die ganze Familie; aber wenn wir einmal darüber nachdenken, wer der Charakter Mario eigentlich ist, halte ich es auch für wichtig, immer die neueste Technologie für Mario einzusetzen, um etwas zu erschaffen, was so noch nie da gewesen ist. Natürlich ist es auch wichtig, dass die Spieler weiterhin Dinge sagen wie: „Am meisten Spaß macht es, wenn man in ein Loch fällt!“, aber in anderen Aspekten des Spiels ist Neues erforderlich, und diese neuen Elemente machen ein „Super Mario Bros.“-Spiel erst zu dem, was es ist.

Iwata Asks
Iwata:

Im Allgemeinen wirkt es vielleicht, als würden Sie nicht unbedingt immer die neueste Technologie einsetzen, aber tatsächlich waren Sie schon immer sehr begierig, die jeweils neueste Videospieltechnologie zu nutzen. Und möglicherweise liegt es daran, dass „Super Mario Bros.“ auch nach 25 Jahren nicht überholt ist. Ein Grund, weshalb Leute, die Mario zuerst auf Wii gespielt haben, problemlos zu dem ursprünglichen „Super Mario Bros.“ wechseln können, liegt meiner Meinung nach außerdem daran, dass das Spiel über ein unwahrscheinlich gut gestaltetes Fundament verfügt, einschließlich der „Spaßkomponenten“, die Mr. Kondo erwähnte. Ich glaube, das Geheimnis der Langlebigkeit liegt vielleicht darin, wie das Spiel alte und neue Elemente kombiniert.

Iwata Asks
Miyamoto:

Das ist die Kultur von Kyoto.

Iwata:

Oh, die unverwechselbare Kultur von Kyoto.

Miyamoto:

Kyoto beleuchtet selbst die ältesten Tempel mit neuester Technologie. Ich glaube, Kyotos Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass Traditionen erhalten werden, indem man viele neue Dinge absorbiert. Aber darüber denken wir natürlich nicht jeden Tag bewusst nach. (lacht)

Iwata:

Aber dass Nintendo gerade in Kyoto entstand und immer noch existiert, muss etwas damit zu tun haben. Ich bin weder in Kyoto geboren, noch dort aufgewachsen, aber wenn ich darüber nachdenke, was Sie gerade gesagt haben, habe ich den Eindruck, da muss etwas dran sein.

Miyamoto:

Bestimmt. Und ganz im Sinne der Tradition, neue Technologien für „Super Mario Bros.“ zu nutzen, machen wir jetzt ein „Super Mario Bros.“-Spiel für den Nintendo 3DS.

Iwata:

Die nächste Stufe für die Aktivitäten der Gesellschaft für den Erhalt von „Super Mario Bros.“ ist also der Nintendo 3DS.

Miyamoto:

Ja. (lacht) Ich will der ganzen Welt so bald wie möglich zeigen, wie das neue „Super Mario Bros.“ auf Nintendo DS aussehen wird.

Iwata:

Ich bin selbst schon ganz gespannt darauf! Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für mich genommen haben.

Alle:

Wir danken Ihnen!