3. Vom Spieler zum Entwickler

Iwata:

Sie sind alle als Spieler mit "Super Mario Bros." aufgewachsen und mittlerweile Videospielentwickler geworden. Wie kam es dazu?

Amano:

Als ich meinen Abschluss an der Universität gemacht habe, wollte ich mich nur bei einer einzigen Firma bewerben, und das war Nintendo.

Iwata:

Warum denn Nintendo?

Amano:

Während meines Studiums habe ich an einem Filmprojekt mitgearbeitet, und als ich einmal auf das Drehen einer Szene gewartet habe, habe ich mit den Schauspielern und anderen Crew-Mitgliedern Nintendo 64-Spiele gespielt. Das hat großen Spaß gemacht. Ich bin Teil der Super Famicom-Generation; ich spiele also schon immer Videospiele, aber die Nintendo 64-Spiele haben wirklich besonders viel Spaß gemacht. Ich dachte, wenn es irgendwie geht, würde ich gerne für Nintendo arbeiten und genauso lustige Produkte entwickeln.

Iwata:

Wie war es, als Sie dann zu Nintendo gekommen sind?

Amano:

Eigentlich wollte ich als Designer arbeiten. 3D-Spiele wurden gerade erst richtig populär, und ich hatte ja 3D und Filmproduktion studiert. Ich wollte bei Nintendo eigentlich 3D-Designer werden, aber sobald ich zur Firma gekommen bin, sagte mir Mr. (Takashi) Tezuka9, dass ich eine Rolle als Planer übernehmen sollte. 9Takashi Tezuka: General Manager des Software Development Departments von Nintendos Entertainment & Analysis Division. Einer der Entwickler von "Super Mario Bros."

Iwata:

Sobald Sie zur Firma gekommen sind?

Amano:

Vielleicht lag es daran, dass meine Designs nicht gut waren. (lacht) Das erste Spiel, an dem ich gearbeitet habe, war "Super Mario Advance 4: Super Mario Bros. 3"10 für Game Boy Advance. 10"Super Mario Advance 4: Super Mario Bros. 3": Ein Action-Spiel für Game Boy Advance, das im Juli 2003 als Remake von "Super Mario Bros. 3" (ursprünglich ein Spiel für das Famicom-System) veröffentlicht wurde.

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben also gleich zu Beginn an "Super Mario Bros." gearbeitet.

Amano:

Ja. Aber das Spiel war schon fast fertig, und es musste nur noch das Debugging gemacht werden. Außerdem mussten wir uns neue Spielvarianten für den Nintendo e-Reader Plus einfallen lassen.

Iwata:

Der e-Reader11 war ein Zubehörgerät für den Game Boy Advance, das Karten mit 2D-Strichcodes einlesen konnte. Der e-Reader Plus war ein neueres Modell, das man mit dem GameCube und anderen Game Boy Advance-Systemen verbinden konnte. 11e-Reader: Ein Zubehör für Game Boy Advance, das im Dezember 2001 in Japan auf den Markt kam. Dieses Gerät konnte 2D-Strichcodes auf e-Cards einlesen, wodurch der Spieler Zugang zu Minispielen und zusätzlichen Daten hatte. Der e-Reader Plus, den man mit dem Nintendo GameCube und anderen Game Boy Advance-Systemen verbinden konnte, erschien in Japan im Juni 2003.

Amano:

Richtig. Ich dachte darüber nach, damit Level hinzuzufügen und Videos über Super-Fähigkeiten zu zeigen. Als "Super Mario Advance 4: Super Mario Bros. 3" dann fertiggestellt war, habe ich mich darauf konzentriert, mit dem Mario Club12 Videos über Super-Können bei "Super Mario Advance 4: Super Mario Bros. 3" zu erstellen. 12Mario Club Co., Ltd.: Übernimmt die Tests und das Debugging der Software, die von Nintendo entwickelt wird.

Iwata:

Die haben Sie selber gemacht?

Amano:

Ja. Ich war nicht wirklich besonders gut bei Videospielen, aber Mr. (Shigeyuki) Asuke13, der später Direktor bei "New Super Mario Bros. Wii " war, hat sich meiner angenommen. Allerdings hatte Mr. Asuke wirklich extrem hohe Erwartungen an die Qualität der Videos zum Super-Können. Er sagte: "Sie müssen genau in der Mitte der Röhre landen!" und "Springen Sie nicht mehr als unbedingt nötig!" Und dann, wenn ich gerade dachte, ich hätte gute Arbeit geleistet, hat er alles abgelehnt und sagte: "Das sieht aber nicht mehr so aus, als ob ein echter Mensch das gespielt hat." 13Shigeyuki Asuke: Er arbeitet im Software Development Department der Entertainment Analysis & Development Division.

Iwata:

Es war so perfekt, dass man nicht mehr gesehen hat, dass Sie es wirklich so gespielt haben! (lacht) Ich habe gehört, dass Mr. Asukes Ansprüche so hoch waren, dass ein Mitarbeiter tatsächlich in Tränen ausgebrochen ist.

Amano:

(direkt) Das war ich!

Alle:

(lachen)

Amano:

Alle haben über die Tipp-Videos in "New Super Mario Bros. Wii" gesprochen, aber der Zeitplan war sehr knapp, deshalb meinten manche, wir sollten sie weglassen. Wegen meiner Erfahrungen sieben Jahre zuvor hielt ich sie aber für ein tolles Feature, deshalb dachte ich, dass wir sie auf jeden Fall integrieren sollten, auch wenn es schwierig werden würde, sie noch rechtzeitig zu erstellen.

Iwata:

Weil Sie sieben Jahre zuvor bei der Zusammenarbeit an den Videos mit Mr. Asuke in Tränen ausgebrochen sind, haben wir jetzt die Tipp-Videos in "New Super Mario Bros. Wii".

Iwata Asks
Amano:

Genau.

Iwata:

Sie möchten, dass das keiner vergisst, ja?

Amano:

Stimmt. Ich würde diese Gelegenheit gerne nutzen, um das ausdrücklich zu betonen! (lacht)

Iwata:

Okay, ist angekommen. (lacht) Ms. Nishimura, wie sind Sie auf den Weg zur Spielentwicklerin geraten?

Nishimura:

Ich habe alle "Super Mario Bros."-Spiele gespielt, aber besonders bei "Super Mario Bros. 3" habe ich gedacht: "Wie süß die Grafik ist!"

Iwata:

Sie wollten ursprünglich Designerin werden, also ist Ihnen die Grafik aufgefallen.

Nishimura:

Ja. Es hat mich wirklich angesprochen, wie Mario sich in so viele verschiedene Formen verwandelt hat. (lacht) Ich war aber auch sehr beeindruckt davon, wie man das niedliche Design und die Fähigkeiten nach der Verwandlung sofort mit einem Blick erfassen konnte.

Iwata:

Ihnen war also schon ziemlich früh klar, dass man am Aussehen eines Spielelements die Funktion erkennen konnte.

Nishimura:

Also, als Kind war ich natürlich ins Spiel vertieft, ohne auf solche Dinge zu achten. Aber als ich etwas älter wurde, dachte ich langsam: "Warum hat 'Super Mario Bros. 3' eigentlich so viel Spaß gemacht?”

Iwata:

Wann haben Sie dann das Interesse daran entwickelt, an Videospielen zu arbeiten?

Nishimura:

Während meines Studiums. Wenn ich mit meinen Freunden Videospiele gespielt habe, hatten alle ein Lächeln im Gesicht, was man sonst nicht so häufig so sieht. Und eben nicht nur die Person, die selber spielt, sondern z. B. auch alle anderen Familienmitglieder können daran Spaß haben. Ich wollte dann auch gerne einen Beruf ergreifen, der so viel Freude bereiten kann. Ich war selber nie so gut bei Videospielen, aber mein Bruder war richtig gut, und ich habe ihm immer zugesehen, während wir aufgewachsen sind. Deshalb habe ich mich immer dafür interessiert, welche Elemente dazu beitragen, dass jemand so tief in ein Spiel eintaucht.

Iwata:

Sie haben am "Nintendo Game Seminar"14 teilgenommen, nicht wahr? 14"Nintendo Game Seminar": Ein praktisches Seminar, das von Nintendo in Japan abgehalten wird. Dabei haben Studenten die Gelegenheit, selber Erfahrungen mit der Entwicklung von Videospielen zu machen.

Nishimura:

Ja, das stimmt. Ich habe die "Super Mario Bros."-Reihe immer sehr gemocht, also habe ich am Spiele-Seminar teilgenommen. Ich wollte durch die Arbeit an einem Videospiel verstehen, wie Videospiele eigentlich funktionieren und ob mir das gefällt.

Iwata:

Wie war es, als Sie dann selber ein Spiel entwickelt haben? Wahrscheinlich haben Sie ganz andere Gedanken gehabt als nur: "Videospiele machen Spaß" und "Arbeit, mit der ich anderen Leuten Freude machen kann, ist gut."

Nishimura:

Ja. Mir ist deutlich aufgefallen, wie schwierig es ist! (lacht) Beim Spiele-Seminar haben wir uns ein Puzzle-Spiel ausgedacht, aber wir hatten alle Schwierigkeiten damit.

Iwata Asks
Iwata:

Selbst die Dinge, die den Spielern völlig selbstverständlich scheinen, lassen sich nicht umsetzen, wenn nicht eine ganze Reihe von Entwicklern wirklich hart daran arbeitet.

Nishimura:

Richtig. Ich habe durch harte Arbeit, bei der ich bis an meine Grenzen gegangen bin, gelernt, wie schwierig die Spielentwicklung ist.

Iwata:

Wie ist es denn, seit Sie bei Nintendo arbeiten?

Nishimura:

Im Moment arbeite ich an einem speziellen Design - man nennt es Effekt-Design, die Arbeit an Spezial-Effekten ...

Iwata:

Können Sie uns etwas mehr über Effekt-Design erzählen?

Nishimura:

Prinzipiell geht es darum, eigentlich unsichtbare Dinge sichtbar zu machen - also, den Spielern auf einen Blick zu vermitteln, was im Spiel passiert, z. B. indem man den Bildschirm kurz aufleuchten lässt, wenn sie auf ein Hindernis gestoßen sind, oder indem man eine Umgebungsatmosphäre - wie z. B. herabfallenden Regen - gestaltet.

Iwata:

Wie Bewegungslinien, die den dramatischen Effekt in Mangas unterstützen. Sie versuchen also visuelle Effekte zu gestalten, durch die man schneller versteht, was gerade los ist, indem Sie Dinge darstellen, die man im echten Leben nicht sehen kann.

Nishimura:

Stimmt, das ist genau richtig. Ich habe die Spiele der "Super Mario Bros."-Reihe gespielt und mich schon immer gefragt, warum man bestimmte Dinge auf einen Blick erfasst, obwohl sie so einfach dargestellt sind. Es ist also vielleicht Schicksal, dass ich jetzt diese Arbeit machen kann.

Iwata:

Jemand, der früher die Spiele gespielt und ein Gefühl dafür entwickelt hat, was für ein Erlebnis das sein kann, arbeitet jetzt selber an diesen Spielen.

Nishimura:

Richtig! Ich habe früher "Super Mario Bros. 2" und "Super Mario Bros. 3" gespielt und mache jetzt als Entwickler selber Vorschläge, die dieselben Gefühle und Funktionen vermitteln sollen, die ich damals als Spieler wahrgenommen habe. Das ist wirklich ein gutes Gefühl.