1. Geboren in den 80ern: Erfahrungen mit Mario

Iwata:

Zum Anlass der Veröffentlichung von "Super Mario All-Stars - 25 Jahre: Jubiläumsedition" zum 25. Geburtstag von "Super Mario Bros." habe ich schon mit vielen Leuten gesprochen. Einige "Iwata fragt"-Leser haben vielleicht genug dazu gehört und denken sich: "Der spricht ja noch immer darüber!?" Aber heute geht es um die Entwickler, die in den 80er-Jahren geboren sind. Da Sie ja alle in den 80ern geboren sind, gab es "Super Mario Bros."1 schon seit Ihrer frühen Kindheit. Sie sind, anders ausgedrückt, also mit Mario aufgewachsen. Ich habe Sie heute alle eingeladen, um mit Ihnen darüber zu sprechen, wie es ist, wenn man so aufwächst und dann Entwickler wird und selber an Videospielen arbeitet. Danke, dass Sie heute hier sind. 1 "Super Mario Bros.": Ein Action-Spiel für das Family Computer System (Famicom), das im September 1985 in Japan veröffentlicht wurde.

Alle:

Es ist uns ein Vergnügen.

Iwata:

Zuerst möchte ich Sie bitten, sich kurz vorzustellen, und wenn es Ihnen nichts ausmacht, auch Ihr Geburtsdatum zu nennen.

Amano:

Okay. Ich bin Amano aus dem Software Development Department der Entertainment Analysis & Development Division (EAD). Ich war der Assistent des Direktors von "New Super Mario Bros. Wii"2 und habe bei der Planung der übergreifenden Strukturelemente geholfen. Ich bin 1981 geboren, "Super Mario Bros." erschien also, als ich vier Jahre alt war. Damals hatte ich aber noch kein Famicom. 2"New Super Mario Bros. Wii": Ein Action-Spiel für die Wii-Konsole, das im Dezember 2009 veröffentlicht wurde.

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben "Super Mario Bros." also erst später entdeckt?

Amano:

Nein, ein Freund von mir hatte es, also ...

Iwata:

Also konnten Sie bei Ihrem Freund nach Herzenslust spielen?

Amano:

Klar. (lacht) Ich habe bei meinem Freund das erste "Super Mario Bros." und "Super Mario Bros. 3"3 gespielt, und als das Super Famicom herausgekommen ist, habe ich mir endlich selber eins geholt und vor allem "Super Mario World"4 gespielt. 3"Super Mario Bros. 3": Ein Action-Spiel für das Famicom-System, das im Oktober 1988 in Japan erschienen ist. 4"Super Mario World": Ein Action-Spiel, das zusammen mit dem Super Famicom-System im November 1990 in Japan veröffentlicht wurde.

Nishimura:

Ich bin Nishimura, ebenfalls aus dem Software Development Department. Ich habe als Designerin an "New Super Mario Bros. Wii" gearbeitet. Geboren bin ich 1982, ich habe also schon mit meinem kleinen Bruder "Super Mario Bros." gespielt, solange ich zurückdenken kann.

Iwata Asks
Iwata:

Das Famicom erschien also, als Sie ein Jahr alt waren, und Super Mario Bros. wurde veröffentlicht, als Sie drei waren.

Nishimura:

Genau. Ich war ein großer Famicom-Fan während meiner Grundschulzeit. Ich erinnere mich auch gerne daran, wie ich mich mit meinem Bruder darüber gestritten habe, wer besser spielt, wie wir um den Controller gekämpft und abwechselnd "Super Mario Land"5 auf dem Game Boy gespielt haben. 5"Super Mario Land": Ein Action-Spiel für Game Boy, das im April 1989 in Japan veröffentlicht wurde.

Yoshida:

Ich bin Yoshida, ebenfalls aus dem Software Development Department. Ich war hauptsächlich verantwortlich für die Programmierung der Gegner in "New Super Mario Bros. Wii". So wie Ms. Nishimura bin ich auch 1982 geboren; "Super Mario Bros." kam also raus, als ich drei Jahre alt war. Das Famicom war im Zimmer meines großen Bruders. Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich in der ersten Klasse der Grundschule früher nach Hause gekommen als mein Bruder, also bin ich heimlich in sein Zimmer gegangen und habe "Super Mario Bros." gespielt.

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben sich in das Zimmer Ihres Bruders geschlichen, um dort "Super Mario Bros." zu spielen? (lacht)

Yoshida:

Ja. Und wenn ich eine Zeit gespielt hatte, kam mein Bruder nach Hause und sagte: "Sofort raus hier!" Aber am nächsten Tag habe ich natürlich wieder heimlich gespielt.

Alle:

(lachen)

Matsuura:

Ich bin Matsuura aus dem EAD Technology Development Department. Bei "New Super Mario Bros. Wii" habe ich am Debugging und den Tipp-Videos gearbeitet. Ich bin 1984 geboren, also ...

Iwata Asks
Iwata:

… ein Jahr nachdem das Famicom erschienen ist.

Matsuura:

Genau. Es gab also, solange ich denken kann, immer ein Famicom bei uns zuhause. Als ich in der Grundschule war, hatte das Super Famicom gerade seine Blütezeit, daher haben alle meine Freunde damit gespielt. Ich habe meine Eltern immer damit genervt, dass sie mir eins kaufen sollten, aber sie haben es eiskalt abgelehnt und gesagt:: "Du hast doch schon ein Famicom, oder nicht?!" Also habe ich weiter mit dem Famicom gespielt. Ich hatte nicht mal einen Game Boy, bis ich 1997 auf die weiterführende Schule kam.

Iwata:

Aber 1997 war doch sogar schon das Nintendo 64 ein Jahr auf dem Markt. (lacht)

Matsuura:

Stimmt. Im Jahr 1997, als ich auf die weiterführende Schule kam, haben sie mir endlich ein Nintendo 64 und "Super Mario 64"6 gekauft, und ich habe wie verrückt gezockt. 6"Super Mario 64": Marios erstes 3D-Action-Spiel, das im Juni 1996 zusammen mit der Nintendo 64-Heimkonsole in Japan veröffentlicht wurde.

Fujii:

Ich bin Fujii aus der Sound-Gruppe des Software Development Departments. Ich war verantwortlich für einige der Hintergrundmelodien in "New Super Mario Bros. Wii". Ich bin im Jahr 1984 geboren. Ich glaube, ich hab mein erstes Famicom bekommen, als ich in die Grundschule gekommen bin, und damals ...

Iwata Asks
Iwata:

Haben Sie "Super Mario Bros." direkt dazu bekommen?

Fujii:

Ja. Meine Eltern sagten: "Du kannst dir ein Spiel aussuchen." Ich habe es mit meinem kleinen Bruder besprochen, und wir haben uns für "Super Mario Bros." entschieden.

Iwata:

Scheinbar verbinden viele von Ihnen Erinnerungen an das Spiel mit Ihren Geschwistern.

Fujii:

Ja. Aber ich bin nicht gut bei Action-Spielen. Wenn ich alleine gespielt habe, ging es sofort schief. Ich erinnere mich, dass ich die meiste Zeit meinem Bruder beim Spielen zugesehen und mich mit ihm gefreut habe.

Iwata:

Ich arbeite ja schon lange an Videospielen, und ich denke immer, dass ein gutes Spiel sich dadurch auszeichnet, dass es schon Spaß macht, jemand anderem beim Spielen zuzusehen. "Super Mario Bros." macht nicht nur dem Spieler selber Spaß; auch die Leute, die dabei zusehen, sind ganz gespannt und feuern den Spieler oft an. Sie haben "Super Mario Bros." also auch schon aus dieser Zuschauerperspektive erlebt.

Fujii:

Ja, das hat mir Spaß gemacht.

Iwata:

Jetzt möchte ich mit Ihnen darüber sprechen, was bei Ihnen Eindruck hinterlassen hat, als Sie "Super Mario Bros." gesehen haben. Mr. Amano, Sie sagten, Sie hatten zuhause kein Famicom, aber ...

Amano:

Ich habe bei einem Freund gespielt. Aber ich wusste gar nicht, wie das geht.

Iwata:

Wenn man sein eigenes Famicom hatte, hatte man natürlich einen riesigen Vorteil.

Amano:

Das stimmt. Aber als ich meinem Freund beim Spielen zugesehen habe und er manchmal Fehler machte, dachte ich: "Also, so kann ich das auch ..."

Iwata:

Ja, das ist schon komisch. "Super Mario Bros." ist nicht einfach, aber wenn man sieht, wie jemand anders Fehler macht, denkt man sogar als Anfänger: "Das kann ich besser!" Aber wenn man dann selber spielt, läuft es doch nicht ganz so glatt! (lacht)

Iwata Asks
Amano:

Stimmt. Wenn bei meinem Freund etwas schief ging und ich es dann probieren durfte, konnte ich es auch nicht. Ich wollte gern üben, aber ich hatte selber kein Famicom. Deshalb habe ich es dann zuhause so gemacht (tut so, als hätte er einen Controller in der Hand): "An der Stelle macht man den Sprung dann so ..."

Iwata:

Visualisierungstraining! (lacht)

Amano:

Ja. (lacht) Aber das hat auch seine Grenzen. Als ich klein war, habe ich es deshalb in "Super Mario Bros." und in "Super Mario Bros. 3" nicht über Welt 1 hinaus geschafft.

Iwata:

Aber Sie haben in Ihrer Fantasie geübt, es muss Ihnen also viel Spaß gemacht haben.

Amano:

Ja. Ich wusste alles über Welt 1.

Iwata:

Sie waren ein Welt-1-Experte! (lacht)

Amano:

Genau. (lacht) So war es wirklich. Ich wusste nicht, wie Welt 2 und die späteren Welten aussehen, bis ich einige Jahre älter war.

Iwata:

Ms. Nishimura, haben Sie bestimmte Erinnerungen an die Zeiten, als Sie zusammen mit Ihrem Bruder gespielt haben?

Nishimura:

Wir haben sehr viel "Super Mario Bros. 2"7 gespielt. Um ehrlich zu sein, fand ich das Aufheben im Spiel erst ziemlich mühsam, aber als ich dann alles Mögliche aus dem Boden gerupft habe, konnte ich nicht genug von diesem Gefühl bekommen. 7"Super Mario Bros. 2": Ein Action-Spiel für das Famicom-System, das im September 1992 in Japan erschienen ist. In Japan wurde es unter dem Namen "Super Mario Bros. USA" vertrieben.

Iwata:

Ihnen hat das Gefühl so gut gefallen, dass Sie einfach ohne einen richtigen Grund Sachen aus dem Boden gezogen haben.

Nishimura:

Genau. Manchmal habe ich eine kleine oder eine große Rübe gefunden, oder eine Flasche - so ein Glaskolben - kam aus dem Boden und es erschien eine Tür ... Es war jedes Mal eine Überraschung, wenn man etwas aus dem Boden gezogen hat.

Iwata:

Etwas herauszuziehen, das im Boden steckt, ist ja eine Bewegung, die man aus dem echten Leben kennt. Das Konzept war also einfach zu verstehen; aber als ich gesehen habe, wie Mario auf einen Gegner springt und ihn nach oben zieht, dachte ich: "Was haben die Leute, die sich das ausgedacht haben, bloß für Gedankengänge?!" (lacht)

Nishimura:

Und von den Rüben abgesehen, ist es auch ein gutes Gefühl, wenn man Birdo besiegt, indem man

Video: auf ein Ei springt, es hochhebt und dann wirft

Zum Anlass der Veröffentlichung von "Super Mario All-Stars - 25 Jahre: Jubiläumsedition" zum 25. Geburtstag von "Super Mario Bros." habe ich schon mit vielen Leuten gesprochen.
auf ein Ei springt, es hochhebt und dann wirft . Ich erinnere mich, wie einfach dieses Konzept zu verstehen war. Deshalb habe ich mich dann sehr dafür interessiert, wie Spiele ein herausforderndes und befriedigendes Erlebnis bieten können.

Iwata:

Hm? Als Kind haben Sie beim Spielen von "Super Mario Bros. 2" darüber nachgedacht, wie Videospiele ein befriedigendes Erlebnis bieten können?

Nishimura:

Nein, tut mir leid. Ich hätte sagen sollen: "So sehe ich das, wenn ich heute daran zurückdenke." (lacht)

Iwata:

Sie meinen aus Ihrer heutigen Sicht als Entwicklerin.

Nishimura:

Genau. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, habe ich bei "Super Mario Bros. 2" selbst erlebt, wie wichtig es ist, dass Spiele ein herausforderndes und befriedigendes Erlebnis bieten.