4. Gesten in der Nacht

Iwata:

Mr. Kimura, Sie stießen kurz nach Mr. Konno und Mr. Eguchi dazu und haben Mr. Miyamotos Detailgenauigkeit ebenfalls miterlebt, nicht wahr?

Kimura:

Ja. Wie ich schon sagte, habe ich an allen vier Teilen der „Mario Advance“-Serie mitgearbeitet, und ich dachte eigentlich, dass „New Super Mario Bros.“ für den Nintendo DS sich gut als fünfter Teil der Serie geeignet hätte.

Iwata:

Dass „New Super Mario“ zu „Mario Advance 5“ hätte werden können?

Kimura:

Ja. Nach der Veröffentlichung von „Mario Advance 4“ fragten die Leute, ob es einen fünften Teil der Serie geben würde. Das war gerade der Zeitpunkt, an dem der Nintendo DS erschien, das Timing war also perfekt, und ich dachte, wenn wir da überhaupt etwas machen, dann sollte es ein ganz neuer Titel sein.

Iwata:

Das heißt also, wenn die „Mario Advance“-Serie nicht erstellt worden wäre, hätte es „New Super Mario“ vielleicht nie gegeben.

Kimura:

Genau. Es wäre vielleicht in einer ganz anderen Form veröffentlicht worden.

Iwata:

Da wir übrigens gerade von „Mario Advance“ sprechen – ich erinnere mich an meine Anfänge bei Nintendo; ich betrachtete eine Liste von Titeln, die für den Game Boy Advance entwickelt wurden. Mir fiel auf, dass die Liste keine Mario-Titel enthielt, daher sagte ich: „Mr. Miyamoto, lassen Sie uns doch auch ein Mario-Spiel machen.“ Und so begann die „Mario Advance“-Serie.

Kimura:

Ach ja, stimmt. Damals gab es für Handheld-Systeme nur die „ Mario Land 23-Serie. Und dann haben wir „New Super Mario“ für den DS gemacht und sofort nach dem Abschluss mit der Entwicklung der Wii-Version von „New Super Mario“ begonnen. Kurz nach dem Beginn der Entwicklung begann Mr. Miyamotos eingehende Beteiligung an dem Projekt. 23Super Mario Land: Ein Actionspiel, das im April 1989 für den Game Boy in Japan veröffentlicht wurde. 1992 erschien ein zweiter Titel der Serie namens „Super Mario Land 2: 6 Golden Coins“ und 1994 der dritte Teil „Super Mario Land 3: Wario Land“.

Iwata Asks
Iwata:

Er arbeitete lange Zeit an dem Spiel mit. Soll heißen, er verschwand in der entsprechenden Abteilung und kam so gut wie gar nicht mehr zurück. In meiner Zeit als Präsident war das wahrscheinlich die längste Zeit, die er je mit einem einzigen Spiel zugebracht hat.

Kimura:

Ja, und ich hatte das Gefühl, dass unser Team den Rest des Unternehmens nur nervte. (lacht)

Iwata:

Aber es kamen ja gute Ergebnisse dabei heraus, also können wir das getrost vergessen. (lacht)

Kimura:

Das war jedenfalls das erste Mal, dass ich Mr. Miyamotos Detailgenauigkeit unmittelbar miterlebte. Als wir z. B. beschlossen, die Mehrspieler-Funktion hinzuzufügen, dachte ich, es würde reichen, wenn zwei Spieler zusammen spielen können.

Iwata:

Warum das?

Kimura:

Es war zunächst einmal wichtig, simultanes Gameplay in einem seitlich scrollenden Mario-Spiel zu haben, egal wie viele Spieler daran beteiligt waren. Und da ich einen Sohn habe, dachte ich, es wäre schon toll, wenn mein Sohn und ich zusammen ein Mario-Spiel spielen könnten.

Iwata:

Es gab also zunächst keine Pläne für Toad und ein Spiel für vier Personen.

Kimura:

Nein. Wir haben einen Prototyp mit den spielbaren Charakteren Mario und Luigi erstellt und diesen Mr. Miyamoto vorgestellt ...

Iwata:

Und er hat dann gefragt, warum nicht vier Personen spielen könnten.

Kimura:

Genau! (lacht)

Iwata:

Das Schema kommt mir irgendwie bekannt vor. (lacht)

Kimura:

Er war unerbittlich. Er bestand auf einem 4-Personen-Spiel, also haben wird das Ganze möglichst schnell in ein für vier Personen kompatibles System umgewandelt.

Iwata:

Schon vor etwa 20 Jahren hat mir Mr. Miyamoto von seinem Wunsch erzählt, simultanes Gameplay für mehrere „Super Mario“-Spiele zu ermöglichen. Das war also im Laufe der langen Geschichte der Serie schon immer ein wichtiges Ziel für ihn.

Konno:

Wir haben bei „Mario 3“ ein wenig mit Mehrspieler-Modi experimentiert. In diesem Spiel haben wir simultanes Gameplay mit Mario und Luigi ausprobiert, aber der Bildschirm bewegte sich beim Rollen nicht so richtig vorwärts, sodass die Spieler abstürzten, auch wenn sie sprangen. Das funktionierte also einfach nicht.

Iwata:

Wenn damals zwei Spieler in verschiedene Richtungen gehen wollten, landete einer immer außerhalb des Bildschirms, und für dieses Problem fanden wir einfach keine Lösung. Aber mit der Wii-Konsole ist es jetzt möglich,

Video: herauszuzoomen und den Aktionsradius zu erweitern, wenn Spieler eigene Wege gehen

Mr. Kimura, Sie stießen kurz nach Mr. Konno und Mr. Eguchi dazu und haben Mr. Miyamotos Detailgenauigkeit ebenfalls miterlebt, nicht wahr?
herauszuzoomen und den Aktionsradius zu erweitern, wenn Spieler eigene Wege gehen . Fast 22 Jahre nach dem Experiment mit „Mario 3“ scheinen wir es jetzt endlich geschafft zu haben. Und was noch besser ist – für vier Spieler statt nur für zwei.

Kimura:

Genau. Und in der Wii-Version von „New Mario“ kann man die Wii-Fernbedienung schütteln, um Mario rotieren zu lassen. Damit haben wir wieder und wieder experimentiert, und Mr. Miyamoto hatte dann intuitiv die Idee, die Wii-Fernbedienung während des Springens zu schütteln, damit Mario länger in der Luft bleiben und weiter als üblich springen konnte. Und dann sagte er einfach: „Das ist cool, so machen wir das.“

Iwata:

Wenn man also springt und fürchtet, vor dem Erreichen der anderen Seite abzustürzen, braucht man nicht aufzugeben, sondern kann die Wii-Fernbedienung schütteln und an ganz unerwarteten Orten landen.

Iwata Asks
Kimura:

Stimmt. Und so wurde es zu einem ganz anderen Actionspiel mit großer Tiefe. Das Verrückte ist, wenn ich jetzt die Nintendo DS-Version von „New Mario“ spiele, ohne wirklich nachzudenken, dann –

Iwata:

Lassen Sie mich raten – sie schütteln den DS. (lacht)

Kimura:

Genau (lacht). Beim Spielen der DS-Version wollte ich unbedingt meine Sprünge verlängern. Mr. Miyamoto hatte wirklich eine sagenhafte Idee, als er diese neue Technik in „Mario“ integrierte, ohne intensiv darüber nachzudenken. Das hat mich einmal mehr davon überzeugt, dass der Mann einfach brillant ist.

Iwata:

Wie sieht es mit Ihnen aus, Mr. Koizumi? Sie haben im Verlauf der gesamten 3D-Mario-Serie mit Mr. Miyamoto zusammengearbeitet. Gab es bestimmte Phasen, die Sie wirklich beeindruckt haben?

Koizumi:

Oh, ja. Ich muss sagen, das beeindruckendste Erlebnis, das ich mit Mr. Miyamoto hatte, ereignete sich, als wir mit der Arbeit an dem Prototyp für „Mario 64“24 begannen. Eines Tages eröffnete er uns einfach so: „Ich werde die Regie übernehmen.“ Da war ich total entgeistert – Mr. Miyamoto als Regisseur ... 24Super Mario 64: Marios erstes 3D-Actionspiel, das in Japan im Juni 1996 gleichzeitig mit der Heimkonsole Nintendo 64 erschien.

Iwata:

Er hatte lange nicht mehr Regie geführt.

Koizumi:

Das Neue an der 3D-Welt schien ihn wirklich zu faszinieren – so sehr, dass er das selber übernehmen wollte. Aber ich erinnere mich, dass er dann Tag für Tag ziemlich frustriert war.

Iwata:

Die Welt der 3D-Action war ja etwas ganz Neues. Da traten sicher viele Probleme auf, die sich nicht so einfach lösen ließen.

Koizumi:

Hmm. Und für mich war es die erste direkte Zusammenarbeit mit Mr. Miyamoto. Außerdem übernahm er zum ersten Mal seit Langem wieder die Regie, ich war also sehr gespannt darauf, mit welchen Spezifikationen und Arbeitsanleitungen er aufwarten würde. Aber es gab so gut wie gar keine Arbeitsanleitungen ...

Iwata:

Er hat Ihnen nichts Schriftliches vorgelegt?

Koizumi:

Na ja, da gab es z. B. diese eine Szene, in der Mario eine Brücke überqueren sollte, und das hat Mr. Miyamoto auf Papier illustriert ...

Iwata:

Ah, verstehe. Da muss man es sich dann verkneifen zu sagen: „He, das ist keine Arbeitsanleitung!“ (lacht)

Koizumi:

Stimmt. Es war wirklich ganz schön knifflig, auszuknobeln, wie ich die Sachen in dieser Szene bewegen sollte. Da saß ich dann also mitten in der Nacht, und plötzlich steht Mr. Miyamoto hinter mir und macht irgendwelche Gesten.

Iwata:

Gesten? (lacht)

Koizumi:

(Macht eine „balancierende“ Geste) Und dabei sagte er: „Nicht so ... eher so.“

Iwata Asks
Iwata:

(lacht) Mr. Miyamoto wollte Ihnen also durch Gesten zeigen, wie Mario sich bewegen sollte?

Koizumi:

Er sagte etwa: „Seine Füße sollten sich hier so bewegen, und der Fokus ist ungefähr hier ...“ Das war so gegen 2 oder 3 Uhr morgens, und die anderen Entwickler waren längst nach Hause gegangen. Es waren also nur Mr. Miyamoto und ich im Büro. Und dann zeigte er mir, wie Mario schwimmen sollte, und erklärte dabei: „Es ist nicht wirklich Brustschwimmen, aber auch kein Kraulen – vielleicht so etwas ...?“ Und schon lag er lang hingestreckt auf dem Tisch und machte diese Schwimmbewegungen. (lacht)

Alle:

(lachen)

Koizumi:

Das hätte ich damals wirklich fotografieren müssen! (lacht) Aber als ich bemerkte, dass ihm das Ganze überhaupt kein bisschen peinlich war, dachte ich mir: „Das ist wirklich die Arbeit eines wahren Regisseurs.“ Und später ging mir auch auf, dass es extrem schwierig ist, Arbeitsanleitungen für 3D-Spiele zu erstellen.

Iwata:

Verglichen mit 2D-Spielen ist es auf jeden Fall viel schwieriger, schriftlich niederzulegen, was man erwartet.

Koizumi:

Genau ... Abgesehen von Mario war ich auch für ein 3D-Zelda-Spiel verantwortlich. Als ich überprüfte, wie die Füße sich bewegen, und mir diverse andere winzige Details ansah, merkte ich, dass mir meine Erfahrung mit Mr. Miyamoto bei „Mario 64“ wirklich klar gemacht hatte, wie wichtig es ist, diese Kleinigkeiten richtig hinzukriegen.

Iwata:

Dann haben Mr. Miyamotos nächtliche Gesten Ihnen wirklich eine Lektion vermittelt?

Koizumi:

So könnte man es auch ausdrücken! (lacht)