2. Donkey Kong im eigenen Heim

Iwata:

Weshalb rief Ricoh an?

Uemura:

Damals besaß Ricoh eine Halbleiterfabrik mit sehr fortschrittlichen Einrichtungen. Aber das Unternehmen hatte Probleme, die Auslastung zu erhöhen. Daher baten sie mich, mir das Ganze mal anzusehen und festzustellen, ob wird die Fabrik irgendwie nutzen könnten. Das Werk hatte damals eine Auslastung von gerade mal 10%.

Iwata:

Eine Auslastung von 10% für ein großes Werk ist doch ein Albtraum, oder? Es heißt doch, dass die Auslastung einer Fabrik sich in der Halbleiterbranche spürbar auf die Gewinne auswirkt, denn in dieser Branche sind erst einmal enorme Investitionen erforderlich. Wie viel Zeit war verstrichen, seit Mr. Yamauchi Ihnen aufgetragen hatte, die Konsole zu entwickeln?

Uemura:

Nicht ganz zwei Monate. Ich wollte nichts unversucht lassen, also habe ich die Fabrik besichtigt. Und zufällig traf ich dort auf den Mann, der Nintendo einige Zeit zuvor das Schaltkreis-Design für unsere Videospiele für „TV Game 6“ und „TV Game 15“ gelehrt hatte. Und er sagte: „Das machen wir!“ Allerdings konnten wir ja nichts unternehmen, solange wir nicht wussten, welche Art von Konsole wir eigentlich herstellen wollten, und somit kein wirkliches Ziel hatten. Ich habe dann gefragt – und war ganz und gar auf eine Absage gefasst –, ob er etwas herstellen könnte, auf dem Donkey Kong 5 laufen würde. 5 Donkey Kong: Ein Arcade-Action-Spiel, das 1981 erschien. Die Famicom-Version wurde in Japan gleichzeitig mit der Konsole im Juli 1983 herausgebracht. In Europa erschien das Spiel im Oktober 1986 für das NES.

Iwata:

Anders ausgedrückt haben Sie ihn also gefragt, ob er die Arcade-Version von „Donkey Kong“, die auf der riesigen Arcade-Platine mit zahlreichen integrierten Schaltkreisen lief, auf ein kleines Gerät mit nur einem Chip bringen könnte.

Uemura:

Ja. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, war es wahrscheinlich mein Glück, dass ich fragte: „Können wir "Donkey Kong" machen?“ und nicht: „Können wir so einen Schaltkreis erstellen?“ Anscheinend waren die Ingenieure bei Ricoh geradezu ausgehungert nach einer neuen Herausforderung und wollten unbedingt mit neuer Technologie arbeiten. Und offenbar noch wichtiger war es ihnen, dass sie im Falle eines Gelingens Donkey Kong mit nach Hause nehmen konnten! (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Sie waren Feuer und Flamme. (lacht)

Uemura:

Ja. Das waren Gamer – zu unserem Glück.

Iwata:

Aber warum haben Sie sich so ausgedrückt?

Uemura:

Also um ehrlich zu sein, gab es einfach keine konkreten Spezifikationen. Also beschlossen wir, einfach mal zu probieren, wie gut wir „Donkey Kong“ nacharbeiten könnten.

Iwata:

Ja, wenn man tatsächlich etwas baut, kann man einfach feststellen, was ein neues Gerät kann und welche Grafikmöglichkeiten es hat.

Uemura:

Es war damals unmöglich, Arcade-Spiele einfach zur Verwendung in den eigenen vier Wänden zu übertragen, aber glücklicherweise hatten wir uns bei Nintendo für die Arcade-Spiele schon mit dem Schaltkreis-Design befasst, also …

Iwata:

... wussten Sie alles über die Schaltkreise.

Uemura:

Genau. Und dann hatten wir ja auch noch Software-Entwickler wie Mr. Miyamoto und konnten daher eigene Vorschläge unterbreiten und z. B. sagen: „Es sollte mindestens in der Lage sein, das und das zu tun.“ Wir haben das Wesen des Originals beibehalten. Und da wir uns alle zusammensetzten und besprachen, wie das Spiel etwas vereinfacht werden könnte, konnten wir die verfügbaren Talente optimal nutzen.

Iwata:

Nintendo hatte damals drei Asse im Ärmel: Das Unternehmen hatte das Produkt „Donkey Kong“, es hatte die Entwickler des Spiels und die Hardware-Techniker, die die Systemplatine für die Arcade-Version erstellt hatten.

Iwata Asks
Uemura:

Stimmt.

Iwata:

Wenn Ricoh Sie nicht angerufen hätte …

Uemura:

Dann wären wir vermutlich nicht weitergekommen und Mr. Yamauchi hätte die Sache frustriert aufgegeben. Oder wir hätten uns den IC-Chip (Integrated Circuit) anderswo besorgt.

Iwata:

Vielleicht hätten Sie einfach nur ein ganz gewöhnliches Produkt geschaffen.

Uemura:

Ja. Vielleicht hätten wir etwas Gewöhnliches geschaffen, das schnell wieder in Vergessenheit geraten wäre. Aber das hätten wir, glaube ich, nicht akzeptieren können. Das Spiel, das uns damals besser als jedes andere gefiel, war eben „Donkey Kong“, und das wollten wir auch verwenden, ganz egal, was dazu nötig war.

Iwata:

Und schließlich hatte Mr. Yamauchi Ihnen ja aufgetragen, eine Konsole zu erstellen, die drei Jahre lang konkurrenzlos bleiben würde.

Uemura:

Genau. (lacht)

Iwata:

Mr. Imanishi, jetzt würde ich Sie gerne etwas fragen. Als Nintendo das Famicom anging, waren Sie nicht direkt an der Entwicklung beteiligt, aber Sie haben das Projekt auf unterschiedlichste Weise von hinter den Kulissen unterstützt und sichergestellt, dass bei der Entwicklung alles glattging. Was war Ihre Meinung zu der kniffligen Aufgabe, die das Team übernommen hatte?

Imanishi:

Als die Arbeit am Famicom begann, hatte ich so gut wie nichts damit zu tun. Vielleicht wissen Sie ja, dass „Game & Watch“ zu diesem Zeitpunkt einige Probleme hatte.

Iwata Asks
Iwata:

Ach ja. Das Geschäft von „Game & Watch“ war damals enorm angewachsen, und Sie hatten ein Problem nach dem anderen am Hals.

Imanishi:

Genau. Das Einzige, woran ich mich zum Thema Famicom erinnere, ist, wie schon gesagt, wie schrecklich ich es fand, dass die Auslastung des Ricoh-Werks so gering war, und dass das Unternehmen einen tollen „Stein“6 für den Prozessor gefunden hatte. Ich kann mich bis heute daran erinnern, dass ich dachte: „Oh, gut.“ 6 „Stein“: Halbleiter. Als Transistoren (Halbleitergeräte) sich ursprünglich ausbreiteten, wurden sie in Japan oft „Steine“ genannt, da natürliches Gestein als Halbleitermaterial verwendet wurde. Dieser Spitzname bürgerte sich ein und wurde auch dann weiter verwendet, nachdem integrierte Halbleiterschaltungen (ICs) die Transistoren ersetzt hatten.

Iwata:

Mr. Uemura, wie kam es dazu, dass Sie diesen „großen Stein“ verwendeten?

Uemura:

Ricoh schlug einen Prozessor namens 65027 vor. Dieser wurde damals nicht oft eingesetzt; es hieß, dass es in Japan nur einige wenige Leute an den Universitäten von Tokio und Kyoto gäbe, die ihn verstünden. Und wir haben uns dazu entschlossen, weil er schwer zu analysieren war. 7 6502: Ein 8-Bit-Mikroprozessor, der 1975 von MOS Technology, Inc. angekündigt wurde. Er wurde plötzlich bekannt, als er für den Apple II verwendet wurde, fand aber in Japan keine ausgedehnte Verwendung als Prozessor für PCs. Bei dem Prozessor des Famicom handelt es sich um eine abgeänderte Version des 6502.

Iwata:

„Nur einige wenige Leute“ ist vielleicht eine Übertreibung, aber tatsächlich war dieser Prozessor nur einer eingeschworenen Fangemeinde bekannt. Es war mein Glück, dass der Prozessor des Famicom der 6502 war. Zufälligerweise handelte es sich bei dem Computer, den ich zum Vergnügen an der Uni verwendet hatte, um einen Commodore PET. Dessen Prozessor war ein 6502. Als ich anfing zu arbeiten, war ich daher ein 6502-Experte.

Uemura:

Ach ja, stimmt. Damals haben Sie mich sogar auf einen Bug aufmerksam gemacht. (lacht)

Iwata:

Ach ja – eine Methode für das Sparen von Speicherplatz. Ich habe Ihnen etwas gezeigt und so etwas gesagt wie: „Sehen Sie mal, was Sie mit dem 6502 machen können. Das war sicher nicht geplant, aber da gibt es diesen Bug, den Sie für sich nutzen können.“ (lacht)

Uemura:

Normalerweise wäre das Portieren von „Donkey Kong“ am schnellsten gegangen, wenn wir den Prozessor der Arcade-Version verwendet hätten. Aber Ricoh bestand auf dem 6502, da das Unternehmen über eine Lizenz für diesen verfügte. Als ich bei Nintendo verkündete, dass ich den 6502 verwenden wollte, erklärten mir die Mitarbeiter, solche Entscheidungen könne nur jemand treffen, der selbst keine Videospiele entwickelt.

Iwata:

Vielleicht sind Sie da auf Widerstand gestoßen, weil die Leute bei Nintendo diesen Prozessor noch nie verwendet hatten. Die damals üblichen Prozessoren waren die sogenannten 80er, z. B. der 8080 und der Z80. Diese wurden gewöhnlich für Arcade-Spiele wie „Donkey Kong“ verwendet.

Uemura:

Das erwies sich jedoch als Glück für uns. Als das Famicom in den Handel kam, hätten unsere Wettbewerber diesen in seine Einzelteile zerlegen und trotzdem nichts damit anfangen können.

Iwata:

Selbst wenn ein anderes Unternehmen ein Spiel für das Famicom hätte entwickeln wollen – sie hätten den Prozessor nicht verstanden und wären machtlos gewesen.

Uemura:

Genau. Nintendo wollte damals die gesamte Famicom-Software selbst handhaben.

Iwata:

Das Lizenzierungsgeschäft war damals noch nicht etabliert; genau wie bei „Game & Watch“ wollte Nintendo das Geschäft ausschließlich auf der Grundlage eigener Produkte ausbauen.

Uemura:

Ja. Als wir das Famicom dann in den Massenmedien ankündigten, waren die Reaktionen der Zeitungen usw. mehr als unterkühlt. Das Famicom hatte keine Tastatur, daher …

Iwata:

… wurden Sie gefragt, wieso Sie beschlossen hatten, das Wort „Computer“ in den Namen einzuschließen?

Iwata Asks
Imanishi:

Genau. Für uns war es ein Computer, aber wir wollten die Spiele selbst zur Verfügung stellen, sodass die Kunden dies nicht tun mussten.

Iwata:

Das kann man sich jetzt gar nicht mehr vorstellen, aber damals war es völlig normal für Computerkäufer, selbst zu programmieren.

Imanishi:

Ja. Also habe ich erklärt, dass es beim Famicom zahlreiche Spiele für ein Stück Hardware geben würde, nicht nur ein Spiel pro Konsole wie bei „Game & Watch“. Und am Anfang war es unser Ziel, alle Spiele selbst zu entwickeln.

Iwata:

Und tatsächlich hatte ein Jahr nach dem Erscheinen des Famicom noch kein anderes Unternehmen Spiele dafür herausgebracht.

Uemura:

Das erste war ein Spiel von Hudson, mit dem wir gemeinsam Family BASIC 8 entwickelt hatten. Aber anscheinend hat sich ein halbes Jahr nach dem Erscheinen des Famicom ein Ingenieur von Namco (jetzt Namco Bandai Games) den Prozessor angesehen und gesagt: „Hey, ist das nicht ein 6502?“ 8 Family BASIC: Ein Peripheriegerät für das Famicom, das im Juni 1984 in Japan herausgebracht wurde. Es bestand aus einem Steckmodul und einer Tastatur für das Erstellen einfacher Videospiele mit der Programmiersprache BASIC.

Iwata:

Namco wusste zunächst nichts über den Prozessor, hat aber schließlich ausgeknobelt, wie das Famicom seine Grafiken und Klänge erzeugte.

Uemura:

Das erste Spiel, das Namco für das Famicom entwickelte, war „Galaxian“9; und kurz darauf kam „Xevious“10 heraus. 9 Galaxian: Ein von Namco (jetzt Namco Bandai Games) entwickeltes Shooter-Spiel. Das Arcade-Spiel erschien im November 1979; die Famicom-Version wurde im September 1984 in Japan herausgebracht. 10 Xevious: Ein von Namco (jetzt Namco Bandai Games) entwickeltes Shooter-Spiel. Das Arcade-Spiel erschien im Februar 1983; die Famicom-Version wurde im November 1984 in Japan herausgebracht. Im Oktober 1989 wurde das Spiel in Europa für das NES veröffentlicht.