4. Was ist mit den Zombies?

Iwata:

Was Guillaume gerade erwähnt hat, war ein klassisches Beispiel dafür, wie eine einzelne Idee manchmal eine Lösung für mehrere Probleme bereithält 29. Shigeru Miyamoto spricht recht oft davon. Ich glaube, zu Beginn hatten Sie diverse Probleme, doch mit einer einzigen Idee haben Sie sie schließlich alle gelöst und das Projekt in die richtige Richtung gelenkt.29 Diese Worte stammen aus einem Gespräch zwischen Shigesato Itoi von Hobo Nikkan Itoi Shinbun und Satoru Iwata mit dem Titel „The Definition of Idea“ (dt. „Die Definition einer Idee“).

Guillaume:

Da haben Sie eindeutig Recht.

Iwata:

Gabrielle, Sie haben zu der Zeit eng mit Guillaume zusammengearbeitet. Was sagen Sie dazu?

Gabrielle:

Mich hat erstaunt, dass sich damals ganz natürlich neue Funktionen ergaben, je mehr wir das GamePad der Wii U für den Überlebenskampf optimiert haben. Hier ein Beispiel: Auch wenn man in einem solchen Horrorszenario meist auf sich gestellt ist, haben wir den Prepper30 eingeführt, der wie über ein Funkgerät mit einem spricht. Das geschieht direkt über das GamePad der Wii U. 30 Der Prepper: Ein Helfer in „ZombiU“, der zwar niemals physisch auftaucht, den Spieler jedoch in Sachen Überlebenstechniken und Autarkie berät. Sogenannte „Prepper“ sind Überlebenskünstler, die ihr Leben danach ausrichten, sich aktiv auf Notfälle wie Naturkatastrophen oder den Zusammenbruch der Gesellschaft vorbereiten.

Iwata:

Man bekommt ihn nie zu Gesicht, doch er unterstützt einen in allerhand Situationen, nicht wahr?

Gabrielle:

Stimmt.

Guillaume:

Der Prepper hat eine mysteriöse Stimme und spricht direkt über das GamePad der Wii U mit dem Spieler. Die Tatsache, dass die Wii U zwei Bildschirme verwendet, erregt zwar allerhand Aufsehen, doch was die meisten nicht wissen ist, dass man am GamePad der Wii U auch noch einen weiteren Satz Lautsprecher hat. Die Gegenwart dieser Lautsprecher ist genau so revolutionär wie der Einsatz zweier Bildschirme. Dieser Aspekt beschert den Spielern ein Spielerlebnis mit einer völlig neuen Intensität.

Iwata:

Durch die Sprachführung muss man Textpassagen im Spiel nicht mehr jedes Mal selbst lesen. Das ist für den Spielverlauf extrem praktisch.

Gabrielle:

Text vom Fernsehbildschirm lesen zu müssen, ist meiner Meinung nach ein Aspekt, den viele Leute hassen, sowohl Entwickler wie auch Spieler. Die Tatsache, dass das GamePad der Wii U nicht nur Ton wiedergibt, sondern dass darauf auch Text angezeigt wird, ist überraschend wichtig. Das UI31 enthält sogar eine elegante Animation zum Umblättern, wie bei einem E-Book. 31 UI: Kurzform für „User Interface“, dt. „Benutzeroberfläche“. Das Bild, die Fenster und Menüs, über die der Benutzer mit dem Computer interagiert.

Iwata Asks
Iwata:

Das GamePad der Wii U ist extrem vielseitig. Dadurch, dass Sie es sich genau angesehen und ausprobiert haben, wie man es in einem Survival-Horror-Spiel, bei dem es ums Überleben geht, am besten einsetzen kann, haben Sie seine Vorzüge zum Vorschein gebracht und es in ein unmittelbares, dynamisches Stück Survival-Ausrüstung verwandelt.

Guillaume:

Wenn man einen Teil des Spiels direkt vor sich erlebt, entsteht ein direkterer Bezug. Es ist wunderbar anzusehen, und gleichzeitig erhalten Künstler die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in einer gänzlich neuen Weise auszudrücken.

Iwata:

Wie können sie sich denn ausdrücken?

Guillaume:

Spieleentwickler wünschen sich immer einen Bildschirm, der keine Steuerelemente enthält. Bis jetzt ließ sich so etwas jedoch nicht realistisch umsetzen. In „ZombiU“ enthält der Fernsehbildschirm jedoch – bis auf wenige Ausnahmefälle – keine spielbezogenen Elemente. Man sieht nur das Spieluniversum. Das kommt daher, dass alle erforderlichen Informationen auf dem GamePad der Wii U angezeigt werden.

Iwata:

Verstehe. Das bringt wirklich jede Menge Vorteile mit sich.

Guillaume:

Stimmt. Und die Spieleentwickler sind dafür sehr dankbar.

Iwata:

Yves, als Sie 2011 auf der E3 „Killer Freaks“ vorgestellt haben, habe ich mich mit Ihnen und Ihrem Entwickler-Team bei Ubisoft unterhalten, und wir alle hatten das Spiel für gut befunden. Was haben Sie gedacht, als Ihnen Ihr Team mitgeteilt hat, dass das Spiel in ein Zombie-Spiel umgewandelt werden soll, nachdem es bereits angekündigt worden war?

Yves:

(lacht) Ich war der Idee, das gesamte Konzept zu ändern, sehr zugetan. Wir sprachen gerade darüber, wie sich Zombies langsam auf einen zubewegen. Dass wir uns am Ende für dieses Konzept entschieden haben, hat es uns ermöglicht, auf allerhand Probleme und Fragen bei der Entwicklung einzugehen. Und im Hinblick auf eine optimale Nutzung der Wii U -Hardware war das wirklich die beste Lösung.

Xavier:

Ich weiß noch, wie Yves einmal in eine Sitzung kam und fragte: „Wie wär's mit Zombies?“.

Iwata:

Wie? Soll das heißen, es war allein Ihre Idee, das Konzept umzukrempeln, Yves? (lacht)

Yves:

Ja, das stimmt.

Gabrielle:

Das Dunkle haben wir ihm zu verdanken. (lacht)

Iwata:

Es war also nicht das Team, das das von Yves angekündigte Konzept geändert hat, sondern Yves selber?

Yves:

Na ja, da niemand Einspruch erhoben hat, könnte man auch von einer gemeinsamen Entscheidung sprechen. Sie konnten einfach nicht nein sagen!

Iwata Asks
Alle:

(lachen)

Xavier:

Am Ende hat sich alles richtig ergeben, doch wir hatten bereits überlegt, für das ursprüngliche Konzept von „Killer Freaks“ eine neue Welt und neue Charaktere zu entwickeln. Man hätte einen neuen Gegner entwerfen oder die Handlung nach London verlegen können …

Iwata:

Das war noch etwas, was ich fragen wollte. Warum soll ein Spiel, das von Franzosen entwickelt wurde, in London spielen und nicht etwa in Paris?

Guillaume:

Dieses Jahr hat einfach die ganze Welt auf London geschaut. Es gab die Olympischen Spiele und das 60. Thronjubiläum, und viele Leute hatten dazu einen Bezug. Das war einer der Gründe, weshalb das Spiel in London spielen sollte. Ein weitaus wichtigerer Grund war jedoch, dass es in der Geschichte Londons schon viel Grausames gegeben hat, wie etwa Jack the Ripper32. Wir fanden, dass sich die Stadt gut als Ort für die finstere Atmosphäre dieses Spiels eignet. 32 Jack The Ripper: Das Pseudonym eines mutmaßlichen Serienmörders, der 1888 in London mehrere Frauen umgebracht hat. Die Fälle wurden nie aufgeklärt.

Iwata:

Wenn ich näher darüber nachdenke, hat London tatsächlich so eine Atmosphäre.

Guillaume:

Einige Gegenden in London sind hochmodern, doch es gibt auch Überreste aus dem Mittelalter, und es ist eine Stadt, die viele Menschen einmal besuchen möchten. Außerdem ist es nicht weit von Frankreich, also konnten wir da auch ganz leicht mal hinfahren!

Gabrielle:

Genau. Nach London haben wir es nicht so weit. Einige Journalisten könnten uns natürlich unterstellen, dass wir nur den Engländern eins auswischen wollen! (lacht) Aber mal im Ernst. Das Zombie-Genre hatte seinen Ursprung offenbar in der amerikanischen Kultur und hat nach und nach die ganze Welt infiziert.

Iwata:

Man kann zumindest sagen, dass die beliebtesten Filme dieses Genres aus den USA stammen.

Gabrielle:

Aber auch da kommen wir dann wieder darauf zurück, dass man in den USA keine solche Mischung aus modernen und mittelalterlichen Orten findet, also erschien uns London auch in dieser Hinsicht ein natürlicher Handlungsort. Den typischen Baseballschläger haben wir zum Beispiel durch einen Cricketschläger ausgetauscht, und bei den Personen konnten wir ähnliche Änderungen vornehmen, so dass man im Spiel etwa den Beefeatern in ihren traditionellen Uniformen oder etwa der königlichen Garde begegnet. Außerdem ist das Land für seine sozialen Konflikte bekannt, und all diese Gegensätze machten London zu einem spannenden Ort für uns.