5. Eine neue Art, Bilder zu betrachten

Iwata:

Kawamoto-san, sie haben die beiden "Gehirn-Jogging"-Titel entwickelt, eine Software, die von unzähligen Menschen gespielt wird. Wie fühlten Sie sich, als sie mit der Entwicklung von Wii-Kanälen beauftragt wurden? Waren Sie überrascht, dass es sich bei Ihrem nächsten Projekt nicht um ein Spiel handelte?

Kawamoto:

Ich müsste lügen, wenn ich "Nein" sagen würde. (Lachen) Ich muss dazu sagen, dass ich einen kleinen Sohn und eine Tochter habe, und natürlich habe ich viele, viele Bilder von ihnen gemacht. Doch es ist lästig, sie auf meinem Laptop zu verwalten und anzusehen. Und wenn ich den Kindern die Bilder auf dem Laptop zeige, interessieren sie sich mehr dafür, mit der Tastatur zu spielen. Als ich von Iwata-san dann die Vorgabe erhielt, dass die Wii-Konsole Bilder auf dem Fernsehbildschirm darstellen können soll, hatte ich schon eine genaue Vorstellung, wie das Ganze aussehen sollte. Es hat mich gefreut, als Sie mich gebeten haben, den Fotokanal zu entwickeln, da ich eine solche Funktion selbst haben wollte.

Iwata Asks
Iwata:

Vor diesem Hintergrund ist es zu erklären, dass die erste Testversion so unglaublich schnell fertig war. Ich war wirklich überrascht.

Kawamoto:

Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich meine Digitalkamera häufig verwende und schon lange einige Ideen hatte, die ich gern verwirklichen wollte. Deswegen hatte ich schon zu Beginn des Projekts eine klare Vorstellung.

Iwata:

Die grundlegende Struktur und der Stil dieses Kanals blieben seit der ersten Testversion unverändert, auch wenn wir einige Details noch verbessern mussten.

Kawamoto:

Die grundlegende Bildbetrachtungssoftware, die Zoom-Funktion und der Mosaik-Effekt, mit dem man einen Teil des Bildes verpixeln kann, um wie im Fernsehen Bildausschnitte unkenntlich zu machen, sowie die Diashow waren schon im Anfangsstadium des Projekts dabei.

Iwata:

Der Fotokanal war der Kanal, bei dem die konkrete Gestalt am schnellsten feststand. Ich denke, weil dieser Kanal den Leuten so deutlich zeigte, was mit Wii möglich ist, hat er für die Entwicklung der anderen Wii-Kanäle einen wichtigen Beitrag geleistet. Es war wie damals, als Kawamoto-san und ich mit der Entwicklung von "Gehirn-Jogging" begannen.

Kawamoto:

Ja, es war eine recht ähnliche Situation. Damals fragte ich mich, warum es keine Software für den Nintendo DS gibt, die nur mit dem Touchpen gesteuert wird. Da beauftragte mich Iwata-san, ein Rechenprogramm, welches jetzt als "Rechnen 20" in "Gehirn-Jogging" zu finden ist, zu entwickeln.

Iwata:

Als wir Kawamoto-san und sein Team beauftragten, Dr. Kawashimas Theorien in ein Spiel für den Nintendo DS umzusetzen, war der erste Vorschlag das eben erwähnte "Rechnen 20". Auch damals war die erste Testversion fast schon perfekt.

Kawamoto:

Das Nachbessern war einfach, aber die Grundstruktur und der Spielspaß waren schon von Anfang an da

Iwata:

Sie sind Softwareentwickler, aber eigentlich ja Programmierer. Das ist ein großer Vorteil, denn das heißt, Sie müssen Ihre Ideen nicht erst aufschreiben und die Umsetzung delegieren, sondern können direkt selbst Hand anlegen. Dementsprechend schnell geht auch die Entwicklung voran. Ich bin ja auch ursprünglich Programmierer, deswegen schätze ich Ihre Herangehensweise sehr.

Kawamoto:

Das höre ich jetzt zum ersten Mal. (Lachen) Ja, so kann man es sehen.

Iwata:

Worauf haben Sie bei der Entwicklung des Fotokanals besonderen Wert gelegt?

Kawamoto:

Dass man auch ohne Hintergrundwissen sofort loslegen kann. Ich denke, in dieser Hinsicht hat mich die Arbeit an "Gehirn-Jogging" beeinflusst. Jetzt gehe ich ein bisschen ins Detail... Da wir bei "Gehirn-Jogging" die Steuerung über den Touchscreen zugrunde legten, konnten wir viele Schaltflächen verwenden, bei denen auf einen Blick ersichtlich ist, welche Funktion sie erfüllen. Bei einem herkömmlichen Controller hätte man sich erst einmal merken müssen, welcher Knopf welche Funktion hat, doch bei der Steuerung über den Touchscreen berührt man einfach direkt die Schaltfläche der Funktion, die man möchte. Das Wichtigste dabei ist, genau klar zu machen, welche Funktion die einzelnen Schaltflächen erfüllen. Es ist uns gelungen, die einfach verständliche Bedienbarkeit von "Gehirn-Jogging" auf Wii zu übertragen. Konkret haben wir großen Wert darauf gelegt, dass z.B. die Scroll- oder die bereits erwähnte Zoomfunktion auch für Leute, die mit so etwas vorher noch nie in Berührung gekommen sind, sofort zugänglich sind und sich auf der Menüoberfläche nichts befindet, was Verwirrung stiften könnte. Wir haben uns bei der Entwicklung eine Familie von ca. vier Personen vorgestellt, die sich beim Betrachten der Bilder auf dem Fernseher amüsiert. Deswegen haben wir auch keine schwierigen Bezeichnungen verwendet. In dieser Hinsicht ähnelt der Fotokanal "Gehirn-Jogging" sehr.

Iwata Asks
Iwata:

Was mich am Fotokanal besonders beeindruckt hat, ist seine enorme Unkompliziertheit. Ich war überrascht, wie einfach man mit Wii seine Bilder betrachten kann. Es gibt viele Programme mit einer Fülle an Funktionen für den PC, mit denen man Bilder betrachten und bearbeiten kann, aber eine solch simple Bedienung gibt es nur bei Wii. Nachdem ich diese Unkompliziertheit selbst erfahren hatte, erkannte ich, dass der Fotokanal völlig anders ist als das, was wir am PC gewohnt sind.

Kawamoto:

Es ist langweilig, immer zu warten, bis der Computer die Bilder geladen hat. Daher haben wir auch unser Bestes gegeben, die Ladezeiten der Bilder so kurz wie möglich zu halten.

Iwata:

Ja, das haben Sie sehr gut umgesetzt. Im Fotokanal kann man aber nicht nur Standbilder, sondern auch Videos ansehen. Diese Funktion war eigentlich gar nicht verlangt - warum haben Sie sie dennoch eingebaut?

Iwata Asks
Kawamoto:

Ich war von Anfang an der Ansicht, dass die Software auch in der Lage sein muss, Videos abzuspielen. Mit den meisten Digitalkameras kann man mittlerweile auch Filme aufnehmen. Das mussten wir auf jeden Fall berücksichtigen. Außerdem wollte ich Videos meiner Kinder auf der Wii-Konsole sehen. (Lachen) Im Moment planen wir, den Kanal mit dem MotionJPEG-Format kompatibel zu machen. Bereits zu Beginn war eine Mosaik-Funktion eingeplant, mit der man seine Filme "verpixeln" kann. Bei "Mario Artist: Talent Studio", einer Version von "Mario Paint" für das nur in Japan erschienene DD64, einer Erweiterung für das N64, war ich für die Effekte zuständig. Ich erinnerte mich plötzlich wieder an den Mosaik-Effekt, den ich damals programmiert hatte, und ich konnte ihn schnell in den Fotokanal einbauen. Diese Funktion ist bei allen, denen ich sie gezeigt habe, gut angekommen.

Iwata Asks
Iwata:

Bei Präsentationen jedenfalls gibt es immer sehr positive Reaktionen.

Kawamoto:

Normalerweise führe ich diesen Effekt immer anhand Ihres Gesichts vor! (Lachen)

Iwata:

Ja, das kommt immer gut an, egal ob innerhalb oder außerhalb der Firma!

Alle:

(Lachen)

Kawamoto:

Was wir dann noch eingebaut haben, war die Möglichkeit, die Bilder selbst zu bemalen. Da man mit der Wii-Fernbedienung direkt auf die Bilder zeigen kann, möchte man natürlich auch malen. Wir haben es versucht, aber richtige Bilder sind schwierig. Doch es reicht aus, um ein bisschen herumzukritzeln, Leuten Augenbrauen aufzumalen oder einfache Fotomontagen zu basteln.

Iwata:

Auf welche Funktion gab es innerhalb der Firma die stärksten Reaktionen?

Kawamoto:

Es war nicht so sehr eine spezielle Funktion, sondern mehr die Tatsache, dass man Bilder von der Digitalkamera auf einem großen Bildschirm betrachten kann, die für Begeisterung sorgte. Man konnte Fernseher und Digitalkamera bereits vorher verbinden, doch ich denke, es gibt nur wenige Leute, die das auch tun.

Iwata:

Ich kenne eigentlich auch niemanden, der seine Digitalkamera an den Fernseher anschließt.

Kawamoto:

Ich habe das schon ein paar Mal gemacht, aber jedes Mal, wenn ich meinen Kindern Bilder zeigen wollte, haben sie sich aus dem Staub gemacht, während ich die Kabel entwirrt habe! (Lachen)

Iwata:

Deswegen wird es für viele Leute im Grunde eine neue Art sein, Bilder zu betrachten. Bisher sah man sie sich auf dem wenige Zentimeter großen Display der Kamera oder dem PC an oder man druckte sie aus, aber jetzt kann man sich seine Bilder plötzlich auf dem größten Bildschirm im Haus ansehen - dem Fernseher! Die Leute werden sich angewöhnen, die SD Card mit den neuesten Fotos von ihrer Digitalkamera einfach in die Wii-Konsole zu stecken, sobald sie nach Hause kommen. Das wird meiner Meinung nach die Art, wie wir digitale Bilder betrachten, mit Sicherheit verändern.

Kawamoto:

Eine weitere Funktion, die den Leuten Spaß gemacht hat, ist die Diashow. Während die Bilder nacheinander angezeigt werden, besteht die Möglichkeit, parallel dazu Musik laufen zu lassen. Wenn man nun MP3-Dateien auf der SD Card speichert, kann man während der Diashow seine Lieblingsmusik im Hintergrund abspielen.

Iwata:

Als Sie uns die Diashow vorführten, waren wir alle sehr beeindruckt. Alle Bilder hatten einen Schwarz-Weiß-Effekt, und als Musik lief Miyuki Nakajimas "Chijo no Hoshi", die Titelmusik zu "Project X", einer japanischen Fernsehsendung über Erfinder. (Lachen)

Kawamoto:

Die Diashow bestand aus Bildern von Entwicklern, die an Wii arbeiteten, und als ich das Lied dazu abspielte, sah es aus wie eine Folge von Projekt X!

Alle:

(Lachen)

Kawamoto:

Man kann je nach Musik eine andere Stimmung erzeugen. Wir haben aber dafür gesorgt, dass die Bilder trotzdem nicht in den Hintergrund rücken. Es wäre einfach gewesen, eine auffällige Diashow mit vielen Effekten zu erstellen, aber viele aus dem Entwicklerteam waren der Ansicht, dass man damit das Wesentliche, die Bilder an sich, aus den Augen verlieren würde. Deswegen haben wir die Diashow bewusst simpel gehalten, um die Bilder in den Vordergrund zu rücken.

Iwata:

Kawamoto-san, sie sind außerdem auch für den Wetter- und den Nachrichtenkanal verantwortlich. Erzählen sie uns bitte etwas über die Entwicklung dieser beiden Kanäle.

Kawamoto:

Nun, beide Kanäle entstanden, genau wie der Fotokanal, aus der Überlegung, welche Kanäle wohl auch für Leute von Interesse wären, die keine Videospiele spielen. Und wieder wollten Sie aus heiterem Himmel eine Testversion! (Lachen)

Iwata:

Es tut mir Leid, dass das immer wieder passiert! (Lachen) Nein, nein, ich mag das so!

Iwata:

Ja, wenn ich ehrlich bin, denke ich, es macht Ihnen Spaß, Testversionen zu entwickeln.

Kawamoto:

Das stimmt schon, nur hätte ich gerne etwas mehr Zeit dafür…

Alle:

(Lachen)

Iwata:

Welche Ideen hatten Sie für den Wetter- und den Nachrichtenkanal?

Kawamoto:

Es gab einige Schwierigkeiten, die von Ihnen bereits erwähnte unkomplizierte Bedienung umzusetzen. Wir wollten, dass der User reibungslos durch die Kanäle navigieren kann. Außerdem wäre es langweilig gewesen, das Wetter einfach nur auf herkömmliche Weise zu präsentieren - Wii dient schließlich der Unterhaltung!

Iwata:

Ja, denn bei einem Fernseher, der digitale Signale empfangen kann, reicht ebenfalls ein einfacher Knopfdruck, um die Wettervorhersage zu sehen. Genau, deswegen wollten wir etwas, das eine Wettervorhersage im Fernsehen nicht bieten kann. So kamen wir auf die Idee mit dem Globus, den der User mit der Wii-Fernbedienung drehen kann, um Orte auf der ganzen Welt auszuwählen.

Iwata:

Und natürlich war auch das nicht in den Vorgaben, die ich Ihnen gab.

Kawamoto:

Nein, überhaupt nicht.

Iwata:

Aber Sie wollten unbedingt herumspielen, einen Globus drehen, habe ich Recht? (Lachen)

Kawamoto:

Ja. (Lachen)

Iwata:

Es erfüllt zwar keine Funktion, aber jeder, der es einmal versucht hat, hat Spaß dabei. Kuroume-san, was dachten Sie, als Sie das zum ersten Mal gesehen haben?

Kuroume:

Es hat mich tief beeindruckt. Als Entwickler musste ich es widerwillig bewundern!

Nogami:

Es ist herrlich, zu sehen, wie überall auf dem Globus Wettersymbole erscheinen, wenn man wegzoomt. So sieht man schon auf einen Blick, "Ah, dort ist es heute heiß".

Iwata:

Wie sieht es mit dem Nachrichtenkanal aus?

Kawamoto:

Wir haben dafür gesorgt, dass man den Text stufenlos zoomen und einen Ortsnamen, der in den Nachrichten erwähnt wird, direkt anwählen kann.

Iwata Asks
Iwata:

Da kommt der Globus wieder ins Spiel! (Lachen)

Kawamoto:

Ja, das ist eine sehr lustige Funktion. Übrigens werden Nachrichten und Wettervorhersagen immer auf dem neuesten Stand sein.

Iwata:

Dieser Punkt hat auch für Diskussionsstoff gesorgt. Einige waren der Ansicht, es würde ausreichen, wenn die Wii-Konsole die neuesten Daten erst lädt, wenn der User die betreffende Seite aufruft, aber ich denke, es ist wichtig, dass man sofort nach dem Einschalten die aktuellen Nachrichten auf dem Bildschirm hat. Es ist ein großer Unterschied, ob man die Informationen, die man möchte, sofort oder erst nach einigen Sekunden bekommt.

Kawamoto:

Ja. Den Hardcore-Spielern wird sich der Nutzen des Wetter- und des Nachrichtenkanals vielleicht nicht direkt erschließen, aber ich denke, dass uns für diese beiden Kanäle ein paar interessante Funktionen eingefallen sind.

Iwata:
Kawamoto: