3. Gib her, ich zeig dir, wie's gemacht wird!

Iwata:

Wie viele Mikrospiele sind denn nun insgesamt in WarioWare: Smooth Moves enthalten?

Abe:

Es sind über zweihundert.

Iwata:

Es war sicher sehr schwierig, sich so viele verschiedene Spiele einfallen zu lassen. Bestand dabei nicht die Gefahr, dass diese sich wiederholen oder immer wieder das gleiche Schema aufweisen?

Abe:

Ja, in der Tat. Manchmal fiel uns auf, dass zwei Spiele fast identisch waren. In solchen Fällen versuchten wir, ihre Spielweise zu ändern, aber das führte meistens dazu, dass die Spieler unsicher wurden und nicht wussten, was sie tun sollten. Dabei eine perfekte Balance zu finden, war schwierig. Als wir dann so weit waren, dass wir aus den über tausend Mikrospielen, die wir entwickelt hatten, zweihundert auswählen mussten, versuchten wir, eine ausgewogene Mischung zu erreichen, dabei aber genug Abwechslung zu bieten.

Iwata:

Sie sagen das mit den tausend Mikrospielen so beiläufig, als wäre es nichts! (Lachen)

Abe:

Ähm, ja... (Lachen)

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben sich also tausend Mikrospiele überlegt? Haben Sie für jedes einzelne davon ein Storyboard gezeichnet?

Abe:

Ja.

Iwata:

Wie viele Leute brauchten Sie denn dafür?

Abe:

Hm... Unser Team bestand aus ungefähr zwanzig Mitarbeitern, wahrscheinlich mehr. An den Storyboards waren allerdings noch mehr Leute beteiligt.

Sakamoto:

Das ist ein Charakteristikum des WarioWare-Teams: Jeder, der eine Idee hat, macht sein eigenes Storyboard.

Iwata Asks
Iwata:

Normalerweise ist bei der Spieleentwicklung derjenige, der eine Idee hatte, auch für deren Umsetzung verantwortlich. Im WarioWare-Team ist es dagegen so, dass man sich auch an den Ideen anderer versuchen kann, nicht wahr?

Sakamoto:

Genau. Das ist das Großartige an den WarioWare-Titeln: Wir müssen uns nicht viele Gedanken um Zusammenhang und Logik machen, es reicht schon eine winzig kleine Idee. Wenn sie lustig ist, wird sie verwendet. Manche Leute zeichnen detaillierte Storyboards, andere wiederum machen sich kurze Notizen.

Iwata:

Diese Art der Kommunikation ist einzigartig für das WarioWare-Team. Ich habe die Wand gesehen, an die Sie alle Ideen heften.

Sakamoto:

Es gibt sogar Leute von außerhalb unseres Teams, die vorbeigehen und ihre eigenen Ideen hinzufügen!

Abe:

Oh ja! (Lachen) Wir hängen unsere Storyboards dort auf, dann kommen Programmierer vorbei, picken sich die am leichtesten umsetzbaren Ideen heraus und versuchen sich mal daran.

Iwata:

Die am leichtesten umsetzbaren Ideen? (Lachen)

Abe:

Nein, wirklich! So läuft das bei uns! (Lachen)

Iwata:

Das klingt ja wirklich unwahrscheinlich chaotisch! (Lachen) Können Sie uns ein Beispiel für ein Storyboard geben?

Iwata Asks
Abe:

Da wäre z. B. das Mikrospiel, bei dem es darum geht, einen Finger in eine Nase zu stecken. Auf dem Storyboard war nur eine Nase, ein Finger und die Anweisung: "Bohren!" zu sehen.

Alle:

(Lachen)

Abe:

So war es beim ersten WarioWare-Spiel. Da der Umfang der Projekte jedoch mittlerweile gewachsen ist und es für eine einzelne Person schwierig ist, ein Mikrospiel ganz allein zu entwickeln, haben wir unser System inzwischen etwas verfeinert! (Lachen)

Sakamoto:

Aber im Grunde ist es so.

Iwata Asks
Abe:

Ja, doch das eigentlich Interessante dabei ist, dass manchmal drei verschiedene Leute dieselbe Idee unabhängig voneinander haben.

Iwata:

So etwas kommt auch vor? Interessant.

Abe:

Wenn man über tausend Mikrospiele hat, ist es lustig, wenn das passiert. Bei der parallel laufenden Entwicklung von "Twisted!" und "Touched!" gab es zufällig in beiden Versionen dasselbe Mikrospiel.

Sakamoto:

In beiden Versionen gibt es ein Mikrospiel, in dem man Toilettenpapier abwickeln muss. Keine Ahnung, warum unsere Mitarbeiter so scharf darauf waren, die Spieler Toilettenpapier abrollen zu lassen! (Lachen)

Abe:

Die Idee mit dem Toilettenpapier entstand schon beim ersten WarioWare-Titel, WarioWare, Inc.: Minigame Mania. Allerdings konnten wir es nicht einbauen. (Lachen)

Sakamoto:

Genau. Es war technisch nicht machbar.

Iwata:

Technisch nicht machbar? (Lachen)

Sakamoto:

Ja, doch dank des technischen Fortschritts sind wir jetzt in der Lage, die Spieler virtuelles Toilettenpapier abwickeln zu lassen!

Abe:

Endlich, endlich ist es uns gelungen!

Iwata:

Der technische Fortschritt hat es also ermöglicht, Toilettenpapier abzurollen! (Lachen)

Sakamoto:

Die WarioWare-Reihe hat einen langen Weg hinter sich! (Lachen)

Abe:

Es ist ein Prachtstück!

Iwata:

Um das Gespräch wieder in ernste Bahnen zu lenken...

Sakamoto & Abe:

Ja?

Iwata:

WarioWare-Titel sind in Wirklichkeit nicht so simpel wie sie aussehen. Der Spieler sitzt zwar nur kurze Zeit an einem der Mikrospiele, aber es dauert trotzdem lange, sie zu entwickeln. Die Entwicklerteams, die an diesen Titeln arbeiten, sind tatsächlich ziemlich groß.

Sakamoto:

Das ist richtig.

Iwata:

Anders als bei so umfangreichen Projekten wie Zelda kann die Entwicklung von WarioWare leichter aufgeteilt und jedes Mikrospiel für sich entwickelt werden. Sakamoto-san, Sie haben das ganze Projekt zusammengehalten und dafür gesorgt, dass die Entwickler ihre individuellen Stärken entfalten konnten. Für mich sieht es so aus, als hätten Sie Ihren Mitarbeitern viel kreativen Freiraum gelassen. Würden Sie mir da zustimmen?

Sakamoto:

Ja, denn ich denke, es ist besser, wenn man seine Mitarbeiter nicht zur Einheitlichkeit zwingt.

Iwata:

Es ist besser? (Lachen)

Sakamoto:

Ich habe allen gesagt, sie könnten tun, was sie wollten, solange es Spaß macht. Wenn beispielsweise die Programmierer nebenher eine Grafik entwarfen und sie passte, dann haben wir sie einfach verwendet. Das Einzige, worauf ich bei der Entwicklung bestand, war, dass jedes Einzelteil diesen gewissen Spaßfaktor haben musste. Zum Glück ist die WarioWare-Reihe perfekt geeignet für diese Herangehensweise. Ich denke, dass alle Beteiligten im Verlaufe der Entwicklung mehr und mehr von ihrem wahren Charakter und ihrer Identität einbringen konnten. Das war eine großartige Erfahrung für uns alle.

Iwata:

Aber die Freiheit, die Sie Ihren Mitarbeitern ließen, brachte doch sicher auch Schwierigkeiten mit sich, oder?

Sakamoto:

Nun, also... äh...

Abe:

Hm... Vielleicht, aber...

Iwata:

Hatten Sie keine besonderen Probleme? Oder vielleicht hat jemand ein Mikrospiel entwickelt, das Ihnen eine neue mögliche Ausrichtung des Spiels aufzeigte? Gab es so etwas?

Sakamoto:

Also...

Abe:

Hmm...

Iwata:

Sie wollen also sagen, dass es keine Schwierigkeiten gab?

Sakamoto:

Doch, doch, natürlich! Es gab Schwierigkeiten, mir fällt nur gerade nichts Konkretes ein!

Abe:

Es ist schwierig, jetzt aus dem Stegreif etwas zu sagen.

Iwata:

Keine Angst, ich werde Sie nicht zwingen, von all den Schwierigkeiten und Hindernissen, die Sie bei der Entwicklung auf sich nehmen mussten, zu berichten! (Lachen)

Abe:

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, gab es doch etwas: die Entscheidung, dass das gesamte Spiel mit nur einer einzelnen Wii-Fernbedienung gesteuert werden sollte. Da der Wii-Konsole eine Fernbedienung und ein Nunchuck beiliegen, war ich eigentlich davon ausgegangen, dass der zweite Spieler das Nunchuck verwenden würde.

Iwata Asks
Iwata:

Aha.

Abe:

Dann haben wir uns jedoch entschieden, nur die Fernbedienung einzusetzen.

Iwata:

Was waren die Gründe dafür?

Abe:

Nun...

Sakamoto:

Weil jeder auch mit nur einer Fernbedienung Spaß haben kann!

Abe:

Genau!

Iwata:

Das klingt für mich zwar nicht unbedingt nach einem Grund, aber gut...

Abe:

Zwar wird das Nunchuck in bestimmten Abschnitten des Spiels benötigt, aber die Hauptrolle übernimmt die Wii-Fernbedienung bzw. der Formenstab.

Iwata:

Auch wenn ich damit möglicherweise meine eigene Frage beantworte: Kann es sein, dass Sie zu dieser Entscheidung kamen, weil Sie davon überzeugt waren, dass die Leute, die keine Wii-Fernbedienung in den Händen halten und nur zusehen, allein durchs Zuschauen schon Spaß haben würden?

Abe:

Ja, genau.

Sakamoto:

Ich hätte es nicht besser sagen können!

Iwata:

...

Abe:

Nein, jetzt mal im Ernst: Es war uns bei der Entwicklung ein großes Anliegen, dass auch die Zuschauer Spaß haben.

Sakamoto:

Es ist ein bisschen so wie zu NES-Zeiten, als auch die Zuschauer sich amüsierten. Wenn der Spieler nicht weiterkam, sagte einer der Zuschauer: "Nicht so! Komm, ich zeig's dir!" Und selbst wenn sie auch nicht wirklich wussten, was zu tun war, konnte man die Erfahrung miteinander teilen. Den Spaß miteinander zu teilen, ist meiner Meinung nach ein wichtiger Punkt beim Spielen.

Iwata:

Oh, darüber sprechen wir beide häufig, nicht wahr, Sakamoto-san? Sie wollen, dass die Zuschauer sagen: "Gib her, ich zeig dir, wie's gemacht wird!"

Sakamoto:

Genauso ist es. Ich habe das Gefühl, dass dieses Element den Spielen heute etwas abhanden gekommen ist.

Iwata:

Das heißt, es bereitete Ihnen einige Schwierigkeiten, die Spiele so zu gestalten, dass auch die Zuschauer unterhalten werden.

Abe:

Ja...

Sakamoto:

Damit wäre Ihre Frage auch abgehakt!

Iwata:

(Lachen) Lassen Sie uns also festhalten, dass Sie sich große Mühe gegeben haben, damit sich die Zuschauer ebenso amüsieren wie der Spieler selbst. Beispielsweise wird vor Beginn jedes Mikrospiels die entsprechende Form in einem Japanisch angesagt, das offensichtlich nicht von einem Muttersprachler stammt.

Abe:

Ja, für diesen Teil hat uns freundlicherweise ein Kanadier seine Stimme zur Verfügung gestellt.

Iwata:

Wirklich? Wie sind Sie gerade auf einen Kanadier gekommen?

Abe:

Nun, wir wollten die Ansagen für die Formen etwas übertrieben darstellen. Wir hatten uns überlegt, sie wie einen Japanischkurs klingen zu lassen, der im Ausland im Fernsehen oder Radio ausgestrahlt wird. Und gerade, als Sakamoto-san und ich darüber diskutierten, wessen Stimme wir dafür nehmen könnten...

Sakamoto:

...lief ein kanadischer Mitarbeiter am Fenster vorbei.

Iwata:

Wirklich?

Sakamoto:

Als ich ihn sah, fragte ich mich, ob er uns wohl seine Stimme leihen würde. So fing alles an.

Iwata:

Ist das Ihr Ernst?

Sakamoto:

Ich war mir nicht sicher, ob er uns helfen würde, aber zu meiner Überraschung stimmte er zu. Darüber hinaus war seine Stimme genau das, wonach wir gesucht hatten.

Abe:

Ja, sie war wirklich gut, viel besser, als wir uns erhofft hatten!

Iwata:

Was hat er davor gemacht?

Abe:

Er war in der Planungsabteilung und hat einen Teil des Artwork entworfen.

Iwata:

Als er zu Ihnen kam, um mit dem Artwork zu helfen, konnte er sich sicher nicht vorstellen, dass seine Stimme für die Ansagen verwendet werden würde...

Sakamoto:

Ja, es kam sicher überraschend.

Abe:

Er hat als Sprecher wirklich einen riesigen Beitrag für unser Team geleistet.

Iwata:

Ja, das denke ich auch. Besonders für jemanden, der einfach nur zur richtigen Zeit an einem Fenster vorbeigelaufen ist.