1. Mit dieser Fernbedienung ist alles möglich

Iwata:

Im folgenden Interview werde ich mich nun mit den Entwicklern von WarioWare: Smooth Moves unterhalten. Wie immer möchte ich meine Gesprächspartner zunächst bitten, sich vorzustellen. Fangen Sie doch bitte an, Sakamoto-san.

Sakamoto:

Mein Name ist Sakamoto, und wenn man den Credits Glauben schenkt, dann war ich der Producer! (Lachen) Meine Aufgabe in diesem Projekt war es, zusammen mit Abe-san darüber zu entscheiden, welche Richtung wir für WarioWare als Launchtitel1 für die Wii-Konsole einschlagen sollten. 1WarioWare: Smooth Moves wird in Japan gleichzeitig mit der Wii-Konsole veröffentlicht werden. Die europäische Version wird kurz nach dem Verkaufstart der Wii-Konsole in Europa und Nordamerika erhältlich sein.

Iwata Asks
Abe:

Ich heiße Abe und war verantwortlich für die generelle Ausrichtung des Projekts, angefangen bei den ersten Versuchen mit der Wii-Fernbedienung bis hin zur Zusammenstellung des fertigen Produkts. Außerdem habe ich über die Funktionen des nun vorliegenden Produktes entschieden und dafür gesorgt, dass meine Mitarbeiter auf dem richtigen Kurs blieben.

Iwata:

Wenn Nintendo eine neue Konsole veröffentlicht, steht für gewöhnlich die Entertainment Analysis & Development Division, zu der auch Miyamoto-san gehört, mit einem Launchtitel im Mittelpunkt. Aber dieses Mal lieferte auch die Software Planning & Development Division, für die Sie beide arbeiten, einen Launchtitel in Form von WarioWare: Smooth Moves ab. Sie haben seit der Diskussion über die Funktionen der Wii-Konsole eng mit uns zusammengearbeitet. Was denken Sie über diesen Traditionsbruch?

Sakamoto:

Wie Sie schon sagten, war es neu für uns, an einem Launchtitel für eine Heimkonsole zu arbeiten, auch wenn wir schon Launchtitel für tragbare Konsolen entwickelt haben. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nie gedacht, dass wir einmal einen Launchtitel für eine Heimkonsole entwickeln würden. Es gab so viel, das neu für uns war.

Iwata:

Da die Entwicklung von Spielen für die Wii-Konsole sich von der Entwicklung von Spielen für bisherige Spielekonsolen unterscheidet, war es auch für Entwickler, die schon Erfahrung mit Launchtiteln hatten, ungewohnt. Die Entscheidung, einen WarioWare-Titel zur gleichen Zeit wie die Wii-Konsole zu veröffentlichen, fiel schon sehr früh im Entwicklungsprozess.

Sakamoto:

Ja, ich erinnere mich. Als das Konzept der Wii-Fernbedienung endgültig feststand, dachte ich: "Das schreit geradezu nach einem WarioWare-Titel!", und deshalb machten wir von uns aus einen entsprechenden Vorschlag.

Iwata:

Während Sie an der Entwicklung der Wii-Fernbedienung beteiligt waren, spürten Sie da schon, dass es unbedingt einen WarioWare-Titel für die Wii-Konsole geben müsste?

Sakamoto:

Jawohl. Ich dachte, dass wir mithilfe der Fernbedienung etwas Besonderes kreieren könnten.

Iwata:

Wie war es bei Ihnen, Abe-san?

Abe:

Ich nahm ebenfalls an einigen Treffen teil, in denen über die Wii-Fernbedienung diskutiert wurde, als das Design noch nicht feststand. Immer, wenn ich einen der Prototypen sah, dachte ich: "Wie können wir das bei WarioWare verwenden?" Doch als das Design feststand und ich es mir genauer betrachtete, wurde mir klar, dass wir etwas vor uns hatten, das uns nahezu unendlich viele Möglichkeiten bot. Andere Teams betrachteten Fernbedienung und Nunchuck und fragten sich: "Was stellen wir damit am besten an?" Wir jedoch fühlten das Gegenteil, und um ehrlich zu sein, waren wir auch viel optimistischer und sagten Dinge wie: "Mit dieser Fernbedienung ist alles möglich!" (Lachen)

Iwata Asks
Iwata:

Ich bin sicher, dass viele der Entwicklerteams, die an Fortsetzungen bestehender Titel arbeiten, etwas besorgt waren, als der klassische Controller plötzlich zur Wii-Fernbedienung wurde! (Lachen) Ich bin mir zwar sicher, dass man mit ausreichenden Überlegungen einen Weg findet, jedes Spiel mit der Wii-Fernbedienung zu bereichern, aber eine meiner frühesten Erkenntnisse war, dass es Spiele geben würde, bei denen die Einbindung der Fernbedienung einfach, und Spiele, bei denen sie herausfordernder ist.

Sakamoto:

Sicherlich gab es Entwickler, deren erste Reaktion war: "Oh, das wird schwierig!". Aber ich persönlich stimme mit Abe-san überein und denke ebenfalls, dass bei WarioWare den Einsatzmöglichkeiten der Wii-Fernbedienung keine Grenzen gesetzt sind.

Abe:

Ich habe mir ein bisschen Sorgen gemacht, dass von den anderen Entwicklerteams Kommentare kommen würden wie: "Ihr werdet mit WarioWare wahrscheinlich in null Komma nichts fertig sein!" (Lachen)

Iwata:

Obwohl WarioWare: Smooth Moves jetzt gleichzeitig mit der Wii-Konsole verkauft werden soll, hätte ich zu Beginn der WarioWare-Reihe nie gedacht, dass sie sich als so erfolgreich erweisen würde.

Sakamoto:

Ja, das stimmt.

Iwata:

Das war eine sehr angenehme Überraschung. Ich denke, WarioWare steht für das, was Nintendo immer zu erreichen versucht - neue Zielgruppen zu erreichen. Diese Art von Spiel bringt uns diesem Ziel ein Stück näher. Diese Spiele haben das Tor zu einer neuen Welt des Spielens aufgestoßen. Man kann sich kurz mit diesem Spiel beschäftigen oder für Stunden darin eintauchen. Diese Bandbreite, der Gedanke, dass es keinen vorgegebenen Weg des Spielens gibt, ist sehr nahe an dem, was wir bei Nintendo erreichen möchten. Zu Beginn der Serie dachten wir keineswegs, dass sie zu so einer Art Meilenstein werden würde. Mit WarioWare: Smooth Moves umfasst die Reihe jetzt insgesamt fünf Teile. Sie beide waren an der Entwicklung der gesamten Reihe beteiligt, was denken Sie jetzt, wenn Sie auf die Anfänge zurückblicken?

Sakamoto:

Der erste Teil, WarioWare, Inc.: Minigame Mania für den Game Boy Advance, entstand aus einem Konzept, das geradezu nach einer Umsetzung als Spiel verlangte. Aber wenn ich ehrlich bin, dachte ich, es würde bestenfalls ein einmaliger Erfolg werden! (Lachen) Wir hatten am Ende ein einzigartiges Spiel, aber ich hatte das Gefühl, dass uns das kein zweites Mal gelingen würde.

Iwata:

Ich verstehe.

Sakamoto:

Aber es gab viele Leute, die es spielten, und das Spiel wurde sehr beliebt. Die Verkaufszahlen wuchsen und wuchsen, und als ich gerade dachte, dass wir das Spiel zu einer Reihe weiterentwickeln sollten, kam Iwata-san mit der Bitte zu mir, eine Version für den GameCube zu entwickeln.

Iwata:

Als ich das erste WarioWare-Spiel sah, fiel mir auf, dass es nicht nur Spaß machte, selbst zu spielen, sondern auch anderen beim Spielen zuzusehen. Da der GameCube auf Mehrspieler-Spiele zugeschnitten ist, dachte ich mir, warum nicht eine Version für den GameCube veröffentlichen, während sich die Game Boy Advance-Version noch gut verkauft?

Sakamoto:

Und so veröffentlichten wir 2003 WarioWare, Inc.: Mega Party Game$ für den GameCube. Auch der zweite Teil der Reihe hatte sein eigenes, klares Konzept - Spaß im Mehrspieler-Modus. Es ist uns gelungen, in einem sehr kurzen Entwicklungszeitraum einen WarioWare-Titel für eine Mehrspieler-Konsole zu entwickeln! (Lachen)

Iwata:

Bei WarioWare, Inc.: Mega Party Game$ waren ja Sie der Projektleiter, Abe-san. War das nicht sogar das erste Projekt, das Sie leiteten?

Abe:

Ja, es war mein erstes. Ich wollte das Spiel grundlegend neu aufziehen, aber der Gedanke hinter der GameCube-Version war ja, sie zu veröffentlichen, solange der erste Teil sich noch gut verkauft. Im Grunde war es unsere Idee, die Mikrospiele der Game Boy Advance-Version zu nehmen und so anzupassen, dass sich mehrere Spieler gleichzeitig im Wettstreit messen konnten.

Iwata:

Nach Abschluss der Entwicklung der GameCube-Version entstand die Idee, eine weitere Version für den Game Boy Advance und eine Version für den Verkaufsstart des Nintendo DS zu entwickeln. Sakamoto-san, wir beide haben uns dabei wirklich den Kopf zerbrochen, nicht wahr?

Sakamoto:

Sogar als sich der erste Teil für den Game Boy Advance noch gut verkaufte, gab es Stimmen, die eine neue Version für tragbare Konsolen befürworteten. Aber eines der wichtigsten Dinge bei WarioWare ist Originalität. Alle Spiele der Reihe bestehen im Wesentlichen aus einer Sammlung von Mikrospielen, und wir wollten nicht einfach nur eine neue Sammlung herausbringen, sondern das Ganze in eine neue Richtung lenken. Der Schwerpunkt des ersten Teils lag auf direkter Action, der zweite Teil konzentrierte sich auf den Mehrspieler-Modus. Für den nächsten Teil mussten wir uns für unsere neuen Mikrospiele einen besonderen Weg einfallen lassen.

Abe:

Obwohl das Projekt bis zu diesem Punkt glatt verlaufen war, fehlte uns dieses Schlüsselelement noch. Zu diesem Zeitpunkt wurden dann die endgültigen Funktionen des Nintendo DS festgelegt, und wir hatten unsere Antwort gefunden: ein Spiel, das die Touchscreen-Funktion bis zum Äußersten ausreizt. Uns war klar, dass ein Spiel wie WarioWare ideal für den Nintendo DS wäre, und so begannen wir mit dem Projekt. Unser Problem war, dass das Spiel zur Veröffentlichung des Nintendo DS fertig sein sollte, so dass wir nur wenig Zeit hatten. Die Entwicklung der Version für den Game Boy Advance lief dagegen ohne Schwierigkeiten.

Sakamoto:

Zu diesem Zeitpunkt zeigte mir ein Mitarbeiter eine experimentelle Software, an der er gearbeitet hatte. Es handelte sich um einen Prototypen, bei dem das Spielgeschehen mittels eines Bewegungssensors gesteuert wurde. Der Mitarbeiter war übrigens Kazuyoshi Ozawa.

Iwata:

Der Entwickler und Chefprogrammierer von Rhythm Heaven?2 2Das Spiel Rhythm Heaven ist in Japan bereits erhältlich, eine Veröffentlichung in Europa und Nordamerika steht noch nicht fest.

Sakamoto:

Ja, genau. Er hatte eine Version von WarioWare entwickelt, die den Bewegungssensor einsetzte und es machte wirklich Spaß! Die Idee, das Spiel durch Drehen des Game Boy Advance zu steuern, war großartig. Aber es war noch aufregender, dass man so die Spiele auf eine völlig neue Weise spielte. Wir waren uns einig, dass wir das Iwata-san zeigen mussten und gingen damit direkt zu Ihnen...

Iwata:

Ja, das werde ich nie vergessen. Im Prototyp gab es einen Plattenspieler...

Iwata Asks
Sakamoto:

Ach ja! (Lachen) Der ist auch in der endgültigen Fassung enthalten!

Iwata:

Lassen Sie mich es unseren Lesern kurz veranschaulichen: Ich habe den Game Boy Advance auf einen Drehstuhl gelegt und den Stuhl gedreht. Der Plattenspieler im Spiel passte sich der Bewegung an und begann, Musik abzuspielen! (Lachen)

Alle:

(Lachen)

Iwata:

Aber nicht nur das, auch die Geschwindigkeit der Musik änderte sich je nachdem, wie schnell man den Stuhl bewegte! (Lachen) Ich habe eine Ewigkeit damit verbracht, den Stuhl zu drehen! (Lachen)

Sakamoto:

Oh ja! (Lachen) Ich werde das auch niemals vergessen, denn Sie drehten und drehten den Stuhl, nur um zwischendurch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zu sagen: "Das ist so doof!" (Lachen)

Iwata:

Na gut, na gut! (Lachen) Ich habe das vielleicht gesagt, aber ich habe mich dennoch prächtig amüsiert! Danach entschieden wir, dass die Game Boy Advance-Version den Schwerpunkt auf das Konzept "Drehen" setzen sollte.

Sakamoto:

Das Konzeptpapier von Ozawa-san hatte dies bereits im Titel des Spiels berücksichtigt. Und so wurde 2004 WarioWare: Twisted! für den Game Boy Advance veröffentlicht3. 3WarioWare: Twisted! wurde in Europa noch nicht veröffentlicht.

Iwata:

Zur selben Zeit arbeiteten wir an einer Version für den Nintendo DS, die über den Touchpen gesteuert werden sollte und der das Konzept "Berühren" zu Grunde lag. So entstanden dann "Twisted!" und "Touched!". Da wussten Sakamoto-san und ich, dass wir es geschafft hatten!

Sakamoto:

Ach ja! (Lachen) Der ist auch in der endgültigen Fassung enthalten!

Abe:

Wir entschlossen uns, zunächst an der Version für den Game Boy Advance zu arbeiten. Schließlich teilten wir das Team in zwei Gruppen auf, so dass wir die Entwicklung der Game Boy Advance-Version nicht unterbrechen mussten, während wir an der Version für den Nintendo DS arbeiteten.

Iwata:

Und so gelang es uns, innerhalb kurzer Zeit zwei Spiele der WarioWare-Reihe zu veröffentlichen, die beide von den Fans sehr gut aufgenommen wurden. Und bald wird es einen neuen Teil für die Wii-Konsole geben, WarioWare: Smooth Moves. Sie beide haben mir von Ihrer ersten Reaktion auf die Wii-Fernbedienung erzählt. Würden Sie dazu bitte noch etwas sagen?

Sakamoto:

Dass man die Wii-Fernbedienung schwingen oder drehen kann, ist ein wirklich wichtiger Punkt für uns. Bei allen Teilen der WarioWare-Reihe standen wir vor der Herausforderung, eine neue Spielweise zu präsentieren. Aber bei der Wii-Version wurde dieses Problem gleich zu Beginn durch die Fernbedienung gelöst. Ich meine, dass die Wii-Fernbedienung mit all ihren Möglichkeiten perfekt zu dem passt, was wir erreichen wollten.

Abe:

Da die WarioWare-Titel aus einer Sammlung von einfachen Mikrospielen bestehen, konnten wir viele verschiedene Dinge einbauen, ohne uns Gedanken über eine Geschichte machen zu müssen, die alles zusammenhält. Am besten gefällt uns an der Wii-Fernbedienung, dass sie uns zum Nachdenken bringt, wie man sie am geschicktesten einsetzen könnte, und das wiederum passt meiner Meinung nach perfekt zu WarioWare. Weil man in diesen Spielen wirklich alles unterbringen kann, lässt sich zusammenfassend sagen, dass der Prozess, neue Technologien mit dieser Software zu verknüpfen, gewissermaßen ein Spiel in sich darstellt.

Iwata Asks
Iwata:

Ich denke, es ist ungewöhnlich, dass wir zwar ursprünglich die Absicht hatten, die Möglichkeiten eines neuen Controllers auszuloten, aber am Ende ein völlig neues Produkt erhielten.

Abe:

Genauso ist es.

Sakamoto:

Bei dieser Spiele-Reihe ist es normal, dass alles bunt durcheinander gemischt ist, und obwohl es eine Menge Spaß macht, denke ich nicht, dass man ein einzelnes dieser Mikrospiele zu einem unabhängigen Titel machen könnte. Aber trotzdem funktionieren die Spiele unabhängig voneinander. Wir müssen nur darauf achten, ihre Länge auf fünf Sekunden festzulegen! (Lachen)

Iwata:

Und wenn jedes dieser Spiele Spaß macht, ist das all die Zeit, die man braucht! (Lachen)

Sakamoto:

Und das ist alles, was es dazu zu sagen gibt! Na ja, da mag es noch einiges geben, aber wir brauchten nicht viel mehr, um das Produkt zu verbessern... Oh, vielleicht habe ich schon zu viel gesagt!

Iwata:

(Lachen)