2. Ein Design, das niemandem missfällt

Iwata:

Als Nächstes möchte ich Ihnen ein paar Fragen zur Konstruktion und zum Design der Wii-Konsole stellen. Takamoto-san, erklären Sie uns doch mal, was Ihr Zuständigkeitsbereich war.

Takamoto:

Ich war für alles zuständig, was mit der Konstruktion der Wii-Konsole und der zugehörigen Controller zu tun hat. Also das gesamte Innenleben der Konsole: Laufwerk, Metallteile wie etwa Abschirmung oder Steckverbindungen, aber auch den Teil der Gehäuseoberfläche, der aus Kunststoff ist, und alle Teile, die für den Betrachter sichtbar sind - bis auf die Platine.

Iwata:

Ich denke, dass sich die Wii-Konsole in ihrer Gestalt deutlich von den anderen Spielkonsolen abhebt, die in letzter Zeit angekündigt wurden. Als Erstes fällt auf, dass sie viel kleiner ist als andere Konsolen. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Takamoto:

Das ist richtig. Wie Sie schon sagten, ist die Tatsache, dass die Wii-Konsole so "klein" ist, eine ihrer großen Besonderheiten. Als konkretes Ziel bei der Entwicklung hatten wir die Vorgabe "so groß wie zwei bis drei DVD-Hüllen". Das war ja sozusagen ein Befehl, den Sie uns direkt erteilt hatten. (Lachen)

Iwata:

Ja, ich habe vor Ihren Augen drei DVD-Hüllen übereinander gestapelt und gesagt: "So groß soll die neue Konsole werden". Waren Sie ratlos, als Sie das zum ersten Mal gehört haben?

Takamoto:

Ich war nicht nur ratlos, sondern verzweifelt. (Lachen) Am Anfang des Entwicklungsprozesses habe ich durchaus noch gezweifelt: "Warum muss die Konsole denn so klein werden?". Aber im Laufe der Zeit habe ich die Absicht, die dahinter steckt, allmählich verstanden. Ich habe verstanden, dass die Wii-Konsole eine "unauffällige Erscheinung" werden soll, die ihren Platz in der Nähe des Fernsehers im Wohnzimmer hat. Wie Sie alle wissen, befinden sich in dem Bereich des Wohnzimmers, wo der Fernseher steht, häufig bereits eine Vielzahl an Audio- und Videogeräten. Beim Nintendo GameCube war es so, dass die Controller per Kabel angeschlossen wurden, also hat man ihn beim Spielen meist vor den Fernseher gestellt. Die Wii-Konsole hingegen wird drahtlos gesteuert und wegen der Zeigerfunktion der Controller ist es erforderlich, dass die Konsole in der Nähe des Fernsehers steht. Daher steht rein praktisch gesehen nicht viel Platz zur Verfügung. Denkbar sind der kleine Raum rechts oder links vom Fernseher oder Zwischenräume, die im TV-Schrank oberhalb anderer Geräte noch zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund mussten wir die Vorgabe bezüglich der Größe irgendwie umsetzen. "So groß wie zwei DVD-Hüllen" war zwar am Ende nicht möglich, aber immerhin ist es uns gelungen, die Vorgabe "so groß wie drei DVD-Hüllen" zu verwirklichen. (Lachen)

Iwata Asks
Iwata:

Ich war es ja, der diese Vorgabe gemacht hat, aber es war sicherlich eine Hürde, die nicht leicht zu nehmen war. Vielleicht können Sie uns erzählen, mit welchen Schwierigkeiten Sie zu kämpfen hatten.

Takamoto:

Am meisten Kopfzerbrechen hat uns das Laufwerk bereitet. Wenn man bedenkt, dass ja auch Platz für das Gehäuse und die anderen Bauteile erforderlich sind, darf das Laufwerk nicht viel größer als eine DVD-Hülle ausfallen. Es war nicht einfach, das zu verwirklichen. Und je flacher man das Laufwerk gestaltet, desto mehr wird die Robustheit zum Problem. Denn egal wie hoch entwickelt die Konsole auch sein mag, am Ende ist sie doch ein Unterhaltungsprodukt, bei dem man davon ausgehen muss, dass es auch von Kindern gebraucht wird. Besonders bei Nintendo gibt es extrem strenge Standards, was die Robustheit und Stabilität von Produkten angeht. (Lachen) Daher haben wir zahllose Tests mit Prototypen durchgeführt, sind immer wieder gescheitert und haben es dann erneut versucht, um die Vorgaben "klein" und "robust" unter einen Hut zu bringen. Dank dieses "Trial-and-Error"-Verfahrens sind wir schließlich zu der Lösung gelangt, innen eine Platte zur Verstärkung einzubauen. So konnten wir schließlich die Vorgabe "so breit wie drei DVD-Hüllen" erfüllen.

Iwata Asks
Iwata:

Dass etwas einerseits klein und andererseits auch noch robust sein soll, sind eigentlich zwei Vorgaben, die sich widersprechen. Gab es noch andere Probleme, die damit zu tun hatten, dass es "nicht nur einfach darum geht, die Konsole möglichst klein zu gestalten"?

Takamoto:

Neben der Minimierung der Größe gab es ein weiteres Anliegen, das wir unbedingt verwirklichen wollten: die Verwendung eines Slot-In-Laufwerks, also eines Laufwerks mit automatischem Disc-Einzug. Wenn man das Laufwerk so gestaltet wie beim Nintendo GameCube, bei dem man einen Deckel öffnen muss, oder eine Schublade verwendet, die herausfährt, kann man auf diese Weise ein paar Millimeter in der Breite einsparen. Slot-In-Laufwerke sind kostspieliger und sind auch in Bezug auf die Robustheit tendenziell empfindlicher als solche Laufwerke, die sich mechanisch öffnen. Doch wie schon erwähnt gibt es das Problem des Aufstellungsortes. Gegenwärtig steht in der Umgebung des Fernsehers typischerweise wenig Platz zur Verfügung. Wenn wir an die Kunden denken, die die Wii-Konsole dort aufstellen und gebrauchen wollen, wird deutlich, dass ein Slot-In-Laufwerk wesentlich leichter zu handhaben ist. Deshalb mussten wir diese Funktion unbedingt einbauen. Ich denke, dass dies eine vernünftige Entscheidung war, wenn man Dinge wie den Lifestyle der Kunden und die drahtlosen Controller in Betracht zieht.

Iwata:

Dann möchte ich jetzt Ashida-san zu Wort kommen lassen. Erzählen Sie uns bitte, für welchen Bereich der Entwicklung Sie zuständig waren.

Ashida:

Ich war für das Design der Konsole, der Controller sowie für die Gestaltung der Verpackung, des Logos usw. verantwortlich.

Iwata:

Sie sind ja schon seit der Zeit des SNES für das Hardware-Design bei Nintendo zuständig. Was war Ihr Grundgedanke, den Sie beim Design der Wii-Konsole verfolgt haben?

Ashida:

Als ich mich innerhalb der Firma bei den Leuten danach erkundigt habe, welche Vorstellung sie bezüglich des Designs der neuen Konsole haben, haben alle übereinstimmend gesagt, was Takamoto-san bereits erläutet hat, nämlich, dass sie keine Lust auf noch mehr Unordnung neben ihrem Fernseher haben. Dabei geht es nicht nur um die Größe, sondern auch um die Form der Konsole. Das Nintendo 64 ist beispielsweise ein Gerät, das von der Form her viele Rundungen hat und daher nicht überall aufgestellt werden kann. Es war also eines unserer Hauptziele, die Konsole so zu gestalten, dass man sie überall leicht aufstellen kann. Über das Design des Nintendo GameCube haben viele gesagt, dass er sehr "wie ein Spielzeug" aussehe. Das war natürlich unsere Absicht, denn seit der Zeit des SNES haben wir die Konsolen ganz bewusst so gestaltet, dass sie "wie ein Spielzeug" aussehen. Wir haben zwar die Tatsache, dass es sich um ein Audio-/Videogerät handelt, beim Design berücksichtigt, aber der Gedanke eines Spielzeugs, das Vergnügen bereiten soll, hat sicherlich überwogen. Inzwischen hat sich jedoch auch die Altersschicht der User erweitert, weshalb wir beim Design versucht haben, eine Balance zwischen "Spielzeug" und "Audio-/Videogerät" herzustellen.

Iwata Asks
Iwata:

Das klingt wiederum nach einem unauflösbaren Widerspruch...

Ashida:

Da haben Sie Recht. Wenn das Design zu sehr nach Spielzeug aussieht, passt die Konsole nicht in die Umgebung des Fernsehers. Wenn Sie hingegen zu sehr nach einem Audio- oder Videogerät aussieht, fehlt der Aspekt der spielerischen Freude. Um ein möglichst breites Spektrum an Menschen anzusprechen, haben wir in diesem Zusammenhang das Schlagwort "ein Design, das niemandem missfällt" entwickelt. Statt eines extrem auffälligen Designs sollte die Wii-Konsole also ein solches Design erhalten, dass sie von niemandem abgelehnt würde. Sie sollte weder wie ein Spielzeug noch wie eine AV-Komponente aussehen, sondern die Wohnung als eigenständiges Objekt bereichern. Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich innerhalb der Firma ein Designer-Team für die Wii-Konsole gegründet. Bisher war beim Design einer Konsole stets ein einzelner Designer federführend. Doch beim Design der Wii-Konsole habe ich mich dafür entschieden, junge Designer der Firma zu einem Team zu machen und die verschiedensten Meinungen mit einfließen zu lassen. Aber es ist natürlich nicht so, dass wir ohne jegliche Schwierigkeiten zu der jetzigen Gestalt der Konsole gefunden hätten...

Iwata:

Was war denn der große Wendepunkt innerhalb des Designprozesses der Wii-Konsole?

Ashida:

Die Entwicklung hat eine klare Richtung bekommen, nachdem wir uns für die Kombination von Konsole und Konsolenständer entschieden hatten. Ganz entscheidend war natürlich auch die Vorgabe "so groß wie zwei bis drei DVD-Hüllen", die ganz zu Anfang vorgegeben worden war. Wenn man beim Design eine DVD-Hülle im Hinterkopf hat, kommt dabei ein Quader heraus. Aber es reicht nicht aus, nur einen Quader zu entwerfen, weil es eben nur ein Quader ist. (Lachen) Junge Designer haben dann den Konsolenständer entworfen und wir haben erkannt, dass selbst ein Quader durch die Kombination mit diesem Konsolenständer verschiedene, neue Formen annehmen kann.

Iwata Asks
Iwata:

Das Design der Wii-Konsole sieht vollkommen unterschiedlich aus, je nachdem, ob der Konsolenständer verwendet wird oder nicht.

Ashida:

Das stimmt. Natürlich kann man die Konsole auch ohne Konsolenständer senkrecht oder waagerecht aufstellen, aber erst durch die Kombination mit dem Konsolenständer entsteht dieser vollkommen neue Eindruck, als würde die Konsole in dem Konsolenständer versinken. Diese Designidee, also die Kombination von Konsolenständer und Konsole, ist erst wenige Wochen vor der offiziellen Präsentation der Wii-Konsole auf der E3 entstanden.

Iwata:

Ich weiß noch, wie Sie diese Designidee vorgestellt haben. Man kann sagen, dass es ein Volltreffer war, nicht wahr?

Ashida:

Ja. (Lachen) Und direkt danach wurde das Design auf der E3 weltweit bekannt gemacht.

Takamoto:

Das hat mir als demjenigen, der für das Innenleben der Konsole verantwortlich war, einen ordentlichen Schreck eingejagt.

Alle:

(Lachen)

Takamoto:

Eigentlich lassen sich das Innen- und Außendesign überhaupt nicht voneinander trennen. Deshalb finden auch normalerweise über lange Zeit hinweg immer wieder Konsultationen statt. Aber über die offizielle Präsentation wurde ich diesmal nicht vorab informiert. (Lachen)

Ashida:

Nein, also, das tut mir wirklich leid. (Lachen) Takamoto-san und ich arbeiten schon lange zusammen. Aber damals hatte ich ausnahmsweise wirklich keine Zeit, mich mit ihm abzusprechen. Ich war so sehr damit beschäftigt, mit den jungen Designern alles Mögliche zu diskutieren, dass die Zeit wie im Flug verging.

Takamoto:

Natürlich hatten wir über Form, ungefähre Größe und die daraus folgenden Konstruktionseigenschaften lange gesprochen und einen Konsens erzielt. Aber trotzdem war ich sehr erstaunt, als das Design plötzlich weltweit bekannt gemacht wurde...

Alle:

(Lachen)