1. Als ob es der letzte Teil der Serie wäre

Iwata:

Was war bei der Entwicklung von Super Smash Bros. Brawl ihr erster Gedanke?

Sakurai:

Ich ging von der Prämisse aus, dass Super Smash Bros. Brawl keine endlos fortzuführende Serie war. Zum einen kann man das Spiel nicht mit immer neueren Charakteren ausstaffieren. Zum anderen ist es gleichermaßen schwierig bei treuen Fans eine Art nostalgischen Überraschungseffekt mit aus anderen Titeln und Serien bekannten Charakteren zu erzielen. Vom Ansatz her war die Entwicklung deswegen eher auf ein Einzelwerk denn auf eine Serie ausgerichtet. Für den Vorgänger ging ich übrigens von der gleichen Prämisse aus.

Iwata:

Verstehe.

Sakurai:

Ich stellte mir die Frage, wie man aus der gegebenen Situation das Beste herausholen kann. Was ich tun würde, wenn die Arbeit an Super Smash Bros. Brawl das letzte Spiel wäre, an dem ich mit einer so großen Gruppe gemeinschaftlich arbeiten würde, welche Funktionen die Spieler freuen würden. Antworten auf diese Schlüsselfragen zu finden, stand am Anfang meiner Mission.

Iwata:

Das Spiel sollte für die Wii entwickelt werden. Wie wirkte sich diese Tatsache auf Ihre Überlegungen aus?

Sakurai:

Nun ja, als auf der E3 2005 das Konzept, zu der damals noch als Revolution bekannten Konsole Wii vorgestellt wurde, ging ich persönlich davon aus, dass allgemeintaugliche Spiele wie Wii Sports breiten Anklang finden und in den Mittelpunkt gerückt würden. Sicherlich würde es Spiele, wie es sie bisher gab, weiterhin geben. Doch es bahnte sich eine neue Bewegung an, Spiele in dem Sinne spielerfreundlich zu machen, dass sie jedem zugänglich würden.

Iwata:

Herkömmlichen Spielkonzepten den Rücken zu kehren, war bei der Entwicklung der Revolution quasi unsere Maxime.

Sakurai:

Ja, und im Innersten applaudierte ich Ihnen für das flexible Umdenken und Umschwenken zu, dachte aber gleichzeitig, dass Super Smash Bros. Brawl ein Spiel wäre, das nicht unbedingt in dieselbe Richtung gehen dürfte und grübelte, welcher Weg für Super Smash Bros. Brawl einzuschlagen wäre, wenn ich ebenso Nintendos neuem Konzept Rechnung tragen wollte.

Iwata:

Ich verstehe.

Iwata Asks
Sakurai:

Als Möglichkeit hätte man Super Smash Bros. Brawl von der Gestaltung her auflockern können. Indem man beispielsweise grafische Elemente im Comicstil aufbereitet und Mii-kompatibel macht. Doch überlegte ich mir, dass die neuen Funktionen der Wii anderen kommenden Produkten als Plattform dienen würden, während ich Super Smash Bros. Brawl einen anderen Stellenwert beigemessen habe. Deswegen verkündete ich direkt zu Anfang des Projektes, dass die neuen Steuerungsmöglichkeiten der Wii-Fernbedienung nicht im Mittelpunkt stehen würden.

Iwata:

In der Tat wird Super Smash Bros. Brawl zwar auch mit dem Nunchuk spielbar sein, wird allerdings nicht die Funktion des Haupt-Controller übernehmen, nicht wahr?

Sakurai:

Das ist richtig. In der finalen Version wird das Spiel alle vier Steuerungsmöglichkeiten unterstützen. Das Spiel wird sich mit der Wii-Fernbedienung, dem Nunchuk, dem Classic Controller und auch dem Nintendo GameCube Controller steuern lassen, ist allerdings nicht als Spiel für die Wii-typische Zeigesteuerung ausgelegt. Sicherlich hätte man bei der Entwicklung auch diese Richtung einschlagen können, um das Potential und die neuen Möglichkeiten der Wii auszuschöpfen. Aber ich wollte solche Überlegungen vorerst zur Seite schieben und mich einzig darauf konzentrieren, mit aller Kraft ein Spiel zu kreieren, das den Wünschen der Spieler entspricht.

Iwata:

Das kann ich sehr gut nachvollziehen.

Sakurai:

Ich entschied mich resolut, nicht mehr der Frage nachzugehen, ob Super Smash Bros. Brawl zum Konzept der Wii passt. Oder zumindest abstrahierte ich einfach dahingehend, dass Super Smash Bros. Brawl eben ein anderes Spiel werden würde. Diese Entscheidung traf ich bereits bei der Erstellung des ersten Konzeptpapiers. (Dokument anzeigen).

Iwata:

Ich persönlich halte es für das Schlimmste, wenn Nintendos Produkte aufgrund der innovativen Wii zu einer monotonen Einheitsfarbe verblassen würden. Nicht die Eintönigkeit, sondern der Abwechslungsreichtum ist wichtig. Erinnern Sie sich noch an unsere Unterhaltungen, als wir noch bei HAL Laboratories arbeiteten und wir versuchten, Ideen umzusetzen, die von Miyamoto-sans Ideen bewusst abwichen? Weil wir gegen ihn ohnehin keine Chance gehabt hätten, suchten wir nach Nischenideen.

Sakurai:

Ja.

Iwata Asks
Iwata:

Diese Einstellung ist in mir verwurzelt und trägt auch nach meinem Beitritt zu Nintendo Früchte. Ich halte es für eine sehr positive Entwicklung, wenn Nintendo den vielfältigen Wünschen der Spieler möglichst viel zu bieten hat.

Sakurai:

Es ist wahrscheinlich besser, beide Strömungen zu berücksichtigen. Würde ich intern bei Nintendo arbeiten, wäre Super Smash Bros. Brawl womöglich ein Spiel geworden, das mehr den Vorgaben der Wii entsprechen würde. Von dieser Warte aus gesehen, habe ich mich womöglich ungeschickt angestellt und den beschwerlicheren Weg gewählt. Gerade in einer Zeit, da sich die Spieler tendenziell schneller gelangweilt fühlen, hat Super Smash Bros. Brawl, welches versucht ein klassisches Spielegenre zu bedienen, womöglich eine suboptimale Methode gewählt.

Iwata:

Durch die rasante Zunahme der Konsumgeschwindigkeit der Kunden, macht sich auch beim Bildschirmspieler schnell Langeweile breit, wodurch die Entwicklung von Spielen in eine gewisse Schieflage gerät. Wo früher noch treffende Prognosen über Arbeitsaufwand einer Entwicklung, Spielspaß und Dauer des Endproduktes getroffen werden konnten, greift diese Formel heutzutage nicht mehr und man wird zwangsläufig dazu forciert, immer mehr und immer voluminösere Spielinhalte anzubieten, um die Erwartungen zu erfüllen.

Sakurai:

Deswegen bin ich der Ansicht, dass Spiele wie Wii Sports oder Wii Fit in die richtige Richtung weisen. Das soll nicht heißen, dass es diesen Spielen an Spieltiefe mangelt, doch wird in diesen Spielen etwas Neuartiges angeboten, das sich vom Gedanken her von der Mentalität des „immer mehr und immer größer“ distanziert.

Iwata:

Die Arbeit, die nicht für Grafik oder Spielvolumen eingesetzt wird, wird in andere Teile investiert. Würde man jedoch nur noch Spiele wie Wii Sports oder Wii Fit anstreben, würde der Spieler ebenso schnell dieser Spiele überdrüssig werden. Wie ich vorhin bereits zur Sprache brachte, ist es deswegen von entscheidender Bedeutung eine differenzierte Arbeitsteilung zu realisieren.

Sakurai:

Ja, das sehe ich ganz genauso.