4. Erfolgsaussichten

Iwata:

Dennoch dürfte die Koordinierung aller Mitarbeiter, die alle unterschiedliche Erfahrungen mitbrachten und nun für ein frisch aus der Taufe gehobenes Projekt eingestellt wurden, sowie das Entwickeln eines gemeinsamen Bewusstseins nicht einfach gewesen sein. Hat Sie das viel Energie gekostet?

Sakurai:

Alle Differenzen auszuräumen ist wahrscheinlich schlichtweg unmöglich. Aber schließlich sind wir erwachsen. (lacht) Das Personal, das sich über die Stellenanzeige beworben hat beispielsweise, stößt ja quasi aus der Motivation heraus, einen Beitrag zu Super Smash Bros. Brawl zu leisten, zu unserem Team dazu.Und zumal sich unsere Stellenausschreibungen explizit auf Super Smash Bros. Brawl bezog, gab es generell hinsichtlich der Arbeitseinstellung keine Schwierigkeiten

Iwata:

So gab es wohl zumindest niemanden, der sagte, er wolle nicht für Super Smash Bros. Brawl arbeiten.

Sakurai:

Nein. (lacht) Die Leute waren alle sehr vernünftig.

Iwata:

Um ehrlich zu sein, halte ich die für Super Smash Bros. Brawl gewählte Methode der Arbeitsabwicklung nicht für allgemein anwendbar. Super Smash Bros. Brawl ist eher eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Sakurai:

Verstehe.

Iwata:

Was mich dennoch zu dieser Herangehensweise bewogen hat, ist auf einen simplen Umstand zurückzuführen, der eng mit einer Charaktereigenschaft des Herrn Masahiro Sakurai verknüpft ist. Und diese eine Eigenschaft, um nicht zu sagen Gabe, habe ich sehr zu schätzen gelernt. Es ist eine visionäre Fähigkeit, die Sie offensichtlich dazu befähigt, im Kopf, aus einer vagen Idee heraus ein perfektes, bis ins Detail ausgearbeitetes Bild zu kreieren. Wie ich bereits ansprach, waren wir seinerzeit bei HAL Laboratories tätig und hatten dabei auch schon die Gelegenheit, gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Zu einem Zeitpunkt, da das Endprodukt noch in keinster Weise absehbar war, kamen Sie und erteilten gezielt Instruktionen, die aber auch wirklich jedes Detail zu berücksichtigen schienen. Die Anweisungen waren bisweilen so subtil und konkret, dass ich selbst als Programmierer nur erwidern konnte, man müsse die Sache erstmal laufen lassen, bevor man über weitere Abläufe und Vorschläge nachdachte. Zu diesem Zeitpunkt müsse man solche Details relativieren und die Erforderlichkeit einer Optimierung später erwägen. Mit fortschreitendem Projekt stellte sich jedoch heraus, dass das winzige Detail, zu dem Sie klare Anweisungen gaben, nach Ihrer Methode besser in den Griff zu kriegen war. Sie werden sich erinnern, dass ich Sie fragte, ob Ihnen diese Tatsache von Anfang an bewusst war. Zehn Jahre dürfte das jetzt her sein. Sie bejahten die Frage, doch ich hatte meine Zweifel. Doch wenn sich solche Ereignisse wiederholen, bleibt einem gar nichts mehr anderes übrig, als die Eigenschaft als solche zu akzeptieren. Sie müssen also schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine ausgefeilte Vorstellung über das Endprodukt besitzen. Wie sonst könnten sich solche Ereignisse wiederholen. Mittlerweile ist mir allerdings klar geworden, dass Sie zu der Sorte Mensch gehören, die in Ihren Köpfen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium eine klare Vorstellung haben.Und ich war der Meinung, dass ein Mensch mit dieser Eigenschaft fähig ist, qualifizierte Mitarbeiter um sich zu scharen, um deren Gedanken und Ideen zu sortieren und zu formen. Andernfalls würde eine Vertrauenbasis erst gar nicht entstehen können. Zu Projektbeginn werden in der Regel aus einem groben, diffusen Gedanken heraus Anweisungen erteilt, die dann im weiteren Projektverlauf, verworfen oder revidiert werden und zu Vorwürfen führen, dass doch zu Anfang alles anders geplant gewesen sei. Das soll kein Beispiel für schlechte Organisation oder Spieleentwicklung sein, sondern ist der normale Verlauf eines Projektes. Diese Form der Arbeit ist nur möglich, weil man auf lange Jahre gemeinsamer Arbeit zurückblickt. Speziell für ein großes Projekt auf außenstehende Arbeitskräfte zurückzugreifen, ist unter normalen Umständen keine Alternative. Und dennoch war ich mir aus den genannten Gründen der Richtigkeit meiner Entscheidung sicher.

Iwata Asks
Sakurai:

Nun, vielen Dank für die lobenden Worte. (lacht)

Iwata:

Nun ja, es sind nicht nur einfach lobende Worte. Mir war irgendwo bewusst, dass ich Sie mit meiner Entscheidung einem ungeheuren Erfolgsdruck aussetzte. (lacht)

Sakurai:

Das ist in der Tat wahr. Vielleicht ist es für die Leser verständlicher, wenn ich hinzufüge, dass ein Projekt selten reibungslos verläuft, bis es die Stufen bis zur Fertigstellung erklommen hat. Viel mehr ist es so, dass man gerade im Bereich der Spieleentwicklung öfter mal den roten Faden verliert.

Iwata:

In der Praxis zeigt sich nur allzu oft, dass die auf Papier stehende Theorie letztendlich nur eine Theorie ist, die so leider nicht umzusetzen ist. Das Ausmaß und die Bedeutung solcher Rückschläge kann man wohl nur als Beteiligter wirklich verstehen.

Sakurai:

Und es ist offenbar unmöglich, seine Vorstellung des Endproduktes zu 100% in die Realität umzusetzen. Stets gibt es Dinge, bei denen man Kompromisse eingehen muss.

Iwata:

Also kann man in Bezug auf die Art der Entwicklung, welche ihresgleichen sucht, getrost von einem Erfolg sprechen, wie ich sehe.

Sakurai:

(lacht)

Iwata:

Dass es bis hierher ein mühseliger und anstrengender Prozess war, versteht sich natürlich von selbst.

Sakurai:

Das stimmt.

Iwata:

Sakurai-san, lassen Sie uns über die Mühseligkeiten sprechen. Was war Ihr erster Gedanke, was wollten Sie für Super Smash Bros. Brawl verwirklichen? Fortsetzung folgt ...