1. Die Jump Super Stars-Connection

Iwata:

Heute sind bei mir die Vertreter von Ganbarion1, die für die Entwicklung von Pandoras Tower verantwortlich waren2, sowie die Nintendo-Mitarbeiter versammelt, die das Projekt betreuten. Dürfte ich Sie zu Beginn des Interviews bitten, sich kurz vorzustellen? 1 GANBARION Co. Ltd. ist ein Spielesoftware-Entwickler mit Firmensitz in Fukuoka in Japan. Chikako Yamakura ist die stellvertretende Geschäftsführerin der Firma. 2 Pandora’s Tower ist ein Action-RPG für die Wii, das in Japan am 26. Mai 2011 veröffentlicht wurde.

Yamakura:

Mein Name ist Chikako Yamakura, und ich bin Representative Director von Ganbarion. Ich war die Produzentin dieses Projekts und neben dem Spielkonzept und dem –szenarium auch für die Planung verantwortlich.

Iwata Asks
Hoga:

Mein Name ist Toru Hoga, und ich arbeite bei Ganbarion. Während der gesamten Projektlaufzeit hatte ich die Funktion des Direktors.

Iwata Asks
Irie:

Mein Name ist Hirofumi Irie, und ich arbeite auch bei Ganbarion. Ich war der Direktor der Pilotversion des Spiels. Bei der Vollversion war ich für die Effekte zuständig. Und während der Endphasen des Projekts wurde ich dann wieder als Direktor tätig.

Iwata Asks
Nakano:

Mein Name ist Takao Nakano, und ich arbeite in der Softwareplanungs- und entwicklungsabteilung (SPD) von Nintendo. Bei diesem Projekt war ich der Direktor von Nintendo. Ich begleitete Ganbarion bei der Festlegung der Spiele-Features und gab die Richtung vor. Und am Ende des Projekts probierte ich das Spiel selbst aus und brachte alle möglichen Änderungsvorschläge an. (lacht)

Iwata Asks
Yamagami:

Mein Name ist Yamagami, und ich arbeite auch in der Abteilung SPD. Bei diesem Projekt fungierte ich als Produzent.

Iwata Asks
Iwata:

Ihnen allen, vielen Dank. Nun, Nintendos Beziehung zu Ganbarion geht auf die Zeit zurück, als wir Jump Super Stars 3 entwickelten. Ms. Yamakura, könnten Sie mir bitte näher erläutern, wie dieses Projekt damals zustande kam? 3 Jump Super Stars war ein Kampfspiel, das exklusiv in Japan im August 2005 für den Nintendo DS veröffentlicht wurde.

Yamakura:

Das war 2004, also vor sieben Jahren. Mr. Yamagami nahm Kontakt zu mir auf und sagte, er wolle ein Treffen arrangieren. Zunächst war ich verwundert, warum sich jemand von SPD mit mir treffen wollte.

Iwata:

2004 war die Abteilung für Softwareplanung und –entwicklung gerade erst gegründet worden. Daher denke ich, dass die Abteilung selbst gerade erst in Gang gekommen war, als Mr. Yamagami diesen Kontakt mit Ganbarion herstellte.

Yamakura:

Oh, das wusste ich gar nicht. Auf jeden Fall waren wir wegen des angekündigten Besuchs von Nintendo in höchster Aufregung. Drei von uns sollten an dem Meeting teilnehmen: ich selbst, Hoga und Yoshida, der zu unserer Geschäftsleitung gehört. Und dann trafen Hoga und ich uns mit unseren Besuchern und trugen zu diesem Anlass Mario- und Zelda-T-Shirts! (lacht)

Hoga:

Wir wollten Sie eben mit der größtmöglichen Gastfreundschaft begrüßen. (lacht)

Irie:

Wir hatten aber darüber gesprochen, ob das womöglich doch als ein bisschen übertrieben aufgefasst werden könnte.

Yamakura:

Nein, wir trugen diese T-Shirts voller Stolz! Wenngleich uns Yoshida doch etwas fragend ansah. (lacht) Und dann, ungefähr zwanzig Minuten nachdem das Meeting begonnen hatte, verkündete Mr. Yamagami: „Wir haben tatsächlich den Zuschlag erhalten. Es geht um etwas mit Jump4.”

Iwata:

So plötzlich rückte er damit heraus?

Yamakura:

Ja, das stimmt. 4 ‘Jump’ bezieht sich auf das schon sehr lange publizierte Magazin „Weekly Shonen Jump“, das von Shueisha, einem japanischen Verlagshaus mit Sitz im Zentrum von Tokio, herausgegeben wird.

Iwata:

Wunderten Sie sich da nicht, was das wohl für Leute sein mochten, die Ihnen gleich bei Ihrem ersten Treffen nach nur zwanzig Minuten ein solches Angebot machten?

Hoga:

Doch, ich wunderte mich. (lacht) Nach dem Meeting brachten wir das ganze Team zusammen und sagten den Leuten: „Wir haben ein größeres Angebot bekommen. Wie sollen wir darauf reagieren?” Und darüber diskutierten wir dann bis spät in die Nacht.

Iwata:

Erinnern Sie sich noch daran, wie sich das alles entwickelte, Mr. Yamagami?

Yamagami:

Ich erinnere mich gut daran. Eigentlich wollte ich bei meinem ersten Treffen mit Ganbarion das Thema des Projekts ansprechen. Doch während ich mich dann mit ihnen unterhielt, nahm das Gespräch diese unglaublichen Wendungen. Dabei bemerkte ich, wie viele Kenntnisse die Leute bei Gambarion über Jump von Shueisha hatten und wie zugetan sie den Charakteren waren. Deshalb beschloss ich, gleich zum Punkt zu kommen.

Iwata:

Ich erinnere mich, dass ich angesichts der rasanten Entwicklung dieser Besprechung richtig aus der Fassung geriet. Nun, das bezeichnet man wohl als Glücksfall – manchmal trifft man einfach die richtigen Leute zur richtigen Zeit. Ich erinnere mich, wie ich mit Mr. Yamagami über das Jump-Projekt sprach, als die Pläne dafür zum ersten Mal aufkamen. Wir waren uns darüber einig, dass dieses Projekt von jemandem mit einer großen Bewunderung für die Original-Manga bearbeitet werden musste. Und dann war sich Mr. Yamagami nach zwanzig Minuten seines Meetings mit Gambarion sicher, die richtigen Leute gefunden zu haben. Anmerkung der Redaktion: In diesem Spiel kommen viele unterschiedliche Charaktere aus verschiedenen Manga zusammen.

Yamagami:

Dennoch willigte Ganbarion nicht sofort ein. Ich erinnere mich daran, dass ich von diesem Meeting zurückkam und dachte: „Vielleicht hätte ich doch nicht sofort alle Karten auf den Tisch legen sollen.“

Iwata:

Sie hatten keine Ahnung davon, dass Nintendo so etwas plante.

Yamakura:

Ich war deswegen ziemlich beunruhigt und fragte mich, ob dies wirklich ein Projekt war, das wir so einfach annehmen konnten.

Hoga:

Schon als ich mir die Pläne dazu ansah, wusste ich, dass es unglaublich viel Spaß bringen würde und einfach zum Erfolg werden musste. Gleichzeitig konnte ich mir jedoch ausmalen, wie schwierig es werden würde, alles zusammenzusetzen. Dennoch war das das größte Projekt, das uns jemals angeboten worden war, und wir empfanden es als Schicksal, dass unsere beiden Unternehmen sich gefunden hatten. Und so beschlossen wir noch in dieser Nacht, das Projekt anzunehmen.

Iwata:

Ganbarion konnte bei der Verwendung von Manga-Charakteren und deren Einbindung in Action-Spiele auf einige Erfolge zurückblicken. Wie sind Sie auf diese Art von Spiel gekommen?

Iwata Asks
Yamakura:

One Piece5 brachte den Stein ins Rollen. Ich hatte darüber in Jump gelesen, fand das wirklich spaßig, lief überall herum und erzählte allen möglichen Leuten davon. Irgendwie bekam ein Produzent von Bandai, jetzt: NAMCO BANDAI Games6, davon Wind. Es stellte sich heraus, dass diese genau zur dieser Zeit eine Firma für die Erstellung eines One Piece-Spiels suchten. Also nahmen sie Kontakt zu uns auf und sagten: „Ms. Yamakura, wir haben gehört, dass Sie ein großer Fan von One Piece sind. Würden Sie gern mal selbst ein solches One Piece-Spiel erstellen?“ 5 One Piece ist eine -Serie von Eiichiro Oda, die seit 1997 in Weekly Shonen Jump erscheint. 6 NAMCO BANDAI Games Inc. ist ein japanischer Spielehersteller mit Firmensitz in Shinagawa, Tokio.

Iwata:

Sie erzählten also überall herum, wie sehr Ihnen One Piece gefiel, und irgendjemand gab diese Information dann weiter. Es ist doch schon lustig, welchen Lauf die Dinge nehmen, oder? Gehe ich recht in der Annahme, dass One Piece das erste Action-Spiel war, das Sie entwickelten?

Yamakura:

Ich hatte bereits, bevor ich Ganbarion gründete, für eine andere Firma Action- und Shooting-Spiele gemacht. Aber da habe ich nur drei Jahre lang gearbeitet. Damals war mir also noch nicht so sehr bewusst, ob ich für diese Art von Spiel geschaffen sei.

Iwata:

Also haben Sie Ganbarion gegründet, als Sie selbst noch ein Neuling in der Branche waren?

Yamakura:

Ja, das stimmt. Irie und Hoga waren auch Gründungsmitglieder.

Hoga:

Ich muss ungefähr 24 Jahre alt gewesen sein. In meiner früheren Firma hatte ich mit Charakteren aus bestehenden Franchisen gearbeitet. Also fühlte ich mich mit dieser Art von Spiel wohl.

Iwata:

Beim Spielen spürt man sofort, ob die Macher selbst eine Affinität für das Original hatten.

Irie:

Man möchte einfach alles in das Spiel aufnehmen, selbst das kleinste Detail. Man liest den Comic und erfährt so das Wesen des Spiels. Daraufhin bespricht man mit den anderen, wie man dieses in das Spiel einarbeiten kann. Auf diese Weise werden die Spiele normalerweise gemacht. Und so erhalten wir dann Spiele, die geradezu vor Details sprudeln.

Iwata:

Dann ergab sich das ursprüngliche One Piece-Projekt also schon ziemlich bald nach der Gründung von Ganbarion.

Yamakura:

Das stimmt. Unser erster Titel war One Piece. Und jetzt erstellen wir diese Titel schon seit zwölf Jahren. Und bald werden es sogar dreizehn Jahre.

Iwata:

Wie viele Titel haben Sie bis jetzt gemacht?

Yamakura:

Der nächste ist unser neunter.

Iwata:

Die Wii enthält ein System, über das man Spiele weiterempfehlen7 kann, so dass man erfährt, wie es von anderen Spielern bewertet wird. Die sehr empfehlenswerten Titel sind nach Kategorien geordnet und enthalten zwei One Piece-Titel8. Bei Spielen, die auf Manga zurückgehen, und sei das Spiel auch noch so gut gemacht, hat kein Spiel die Chance auf eine gute Wertung, wenn die Fans des Original-Spiels es nicht wirklich als One Piece-Spiel ansehen. Die Tatsache, dass Ihre Spiele jetzt in diesem Ranking erscheinen, sagt also nicht nur, dass sie Spaß bringen, sondern auch, dass sie sorgfältig dem Manga nachempfunden wurden. 7 Mithilfe einer der Funktionen des Nintendo-Kanals können die Spieler Titel bewerten. Hochkarätige Spiele sind als Platin-, Gold-, Silber- oder Bronzespiele gekennzeichnet. 8 In Japan wurden drei One Piece-Titel für die Wii veröffentlicht. One Piece: Unlimited Cruise: Episode 2, veröffentlicht im April 2010, erhielt ein Gold-Ranking, während One Piece: Unlimited Cruise: Episode 1, welches im Februar 2010 veröffentlicht wurde, ein Silber-Ranking erhielt. Diese Titel wurden anschließend als Teil der Nintendo Recommends Selection verkauft. In Europa gibt es unter dem Namen Nintendo Selects eine andere Auswahl an Wii-Titeln.

Yamakura:

Vielen Dank. Wir fügen unseren Spielen immer noch bis zur letzten Minute Extras hinzu, damit sie für Fans des Originals noch attraktiver werden. Dies ist mit vielen Schwierigkeiten verbunden, weil wir fast immer beinahe den Abgabetermin verpassen. Aber wenn das dazu geführt hat, dass wir die Gold- und Silberauszeichnungen bekommen haben, dann freut es mich sehr.

Iwata Asks

 

Dieses Interview wurde ursprünglich am 23. Mai 2011 auf der japanischen Nintendo-Webseite veröffentlicht. Es enthält Videos aus der japanischen Spielversion. In Großbritannien und Irland wird dieses Spiel in englischer Sprache im Handel erhältlich sein.