2. Die Entwicklung des Spiels macht am meisten Spaß

Iwata:

Das erste Spiel, das Sie für Famicom geschrieben haben, war "Best Play Pro Baseball"11, nicht wahr?

Sonobe:

Richtig. Es fing mit dem PC-Titel "Best Nine Pro Baseball"12 an, und danach haben wir an einer Famicom-Version gearbeitet.11. Best Play Pro Baseball: Ein Baseball-Simulationsspiel, das 1988 von ASCII Corporation in Japan veröffentlicht wurde. Weitere Spiele aus dieser Reihe wurden auch für Game Boy Advance und für PC veröffentlicht.12. Best Nine Pro Baseball: Ein Baseball-Simulationsspiel für PC, das 1984 von ASCII Corporation in Japan veröffentlicht wurde.

Iwata:

Warum haben Sie sich entschlossen, ein Baseballspiel zu entwickeln?

Sonobe:

Tja, wie wir vorher schon angesprochen haben, war es schon seit meiner Kindheit ein großer Wunsch von mir, Baseballspiele zu entwickeln. Immerhin habe ich diese Spiele schon für mich selber gemacht und alleine gespielt.

Iwata:

So gesehen war es also unvermeidlich, dass Sie irgendwann so ein Spiel machen würden.

Sonobe:

Ja, das kann man schon sagen.

Iwata:

Wie lang haben Sie denn dann gebraucht, um das erste Ihrer Baseballspiele - "Best Nine Pro Baseball" für PC - zu entwickeln?

Sonobe:

Ich habe direkt mit der Arbeit daran begonnen, nachdem ich bei ASCII Corporation13 angefangen habe, und es hat wohl so ein oder zwei Jahre gedauert, bis es seine endgültige Gestalt angenommen hat.13. ASCII Corporation: Eine japanische Publishing-Firma, die 1977 gegründet wurde und spezielle Computer-Magazine und Software-Titel veröffentlicht hat. Mittlerweile heißt die Firma ASCII Media Works und ist eine Tochterfirma der Kadokawa Corporation.

Iwata:

Haben Sie denn alles daran alleine gemacht?

Sonobe:

Ja, habe ich. Ich habe vom ursprünglichen Entwurf bis zur Programmierung an allen Elementen gearbeitet, und sogar das Handbuch selber geschrieben und den Kundenservice gemacht. Das habe ich alles alleine übernommen.

Iwata:

Wenn sich die Kunden also mit Fragen gemeldet haben, haben sie tatsächlich die Person erreicht, die die Software auch geschrieben hatte? (lacht)

Sonobe:

Ja, richtig! (lacht)

Iwata:

Da Sie alleine an dem Spiel gearbeitet haben, ist der Entwicklungsprozess bestimmt genau so gelaufen, wie Sie es wollten?

Sonobe:

Nein, so war es leider überhaupt nicht. Eigentlich hatte ich nicht mal die Erlaubnis bekommen, daran zu arbeiten.

Iwata:

Hm? Wie meinen Sie das denn?

Sonobe:

Naja, die ASCII Corporation hatte damals gar keine Software-Entwicklungsabteilung.

Iwata:

Ah, okay. Es war also eine reine Publishing-Firma, oder?

Sonobe:

Genau, und ich war eigentlich nur Verleger. Die Abteilung, bei der ich gearbeitet habe, war ein Spiele-Publisher. Deshalb war der Plan, dass wir Programme von Teilzeitangestellten schreiben lassen würden, um sie dann zu veröffentlichen. Aber ich wollte wirklich gerne selbst Spiele entwickeln, und als ich deshalb bei der Arbeit mit dem Programmieren angefangen habe, war mein Vorgesetzter sauer und sagte mir, dass ich nicht weiter Zeit verschwenden sollte!

Iwata Asks
Iwata:

Für ihn sah es vielleicht so aus, als ob Sie selbst einfach ein Spiel spielen würden! (lacht)

Sonobe:

Genau! (lacht) Und so hatte ich keine andere Wahl, als die Arbeit mit nach Hause zu nehmen und dort weiterzuarbeiten. Ich musste also zwei unterschiedliche Jobs unter einen Hut bringen: Im Büro habe ich als Verleger gearbeitet, und dann bin ich nach Hause gegangen, und habe dort meine Arbeit ...

Iwata:

Als Teilzeitprogrammierer fortgesetzt! (lacht)

Sonobe:

Ja, klar! Genau so war es damals! (lacht)

Iwata:

Sie haben also für zwei Leute gearbeitet. Aber immerhin haben sich diese beiden Leute gut verstanden, nehme ich an! (lacht)

Sonobe:

Aber wie Sie sich vorstellen können, hat meine Arbeit als Verleger im Büro darunter gelitten, und deshalb habe ich immer Schwierigkeiten bekommen.

Iwata:

Als Sie dann endlich mit der zweijährigen Arbeit an diesem Baseballspiel fertig waren, wie haben Ihre Kollegen da reagiert?

Sonobe:

Tja, ich kann nicht sagen, dass ich mich daran noch besonders gut erinnern würde. Ich meine, damals gab es kein richtiges System zur Bewertung und zum Testen von Software. Wir hatten auch keinen organisierten Fehlerbeseitigungsprozess. Es gab keine festen Pläne für die Entwicklung der Software, und deshalb gab es auch keine zeitlichen Fristen, die ich einhalten musste ...

Iwata:

Tja, Sie waren im Prinzip ja der Auftraggeber der Arbeit, und Sie haben zuhause auch als Programmierer daran gearbeitet, also hätten Sie auf diese Art ohne Abgabeprobleme für immer weiterarbeiten können ... (lacht)

Sonobe:

Genau! Aber ich wusste, dass ich irgendwann mal fertig werden musste, also beschloss ich, meine Arbeit abzuschließen und habe das Ergebnis meinem Boss präsentiert und gesagt: "Ich hab's geschafft!" Er hat einfach nur geantwortet: "Ah, okay." Und dann wurde das Spiel auch fast direkt veröffentlicht.

Iwata:

"Ah, okay"! (lacht) Ich erinnere mich an die Zeiten, als man das alles noch so entspannt angehen konnte; ich weiß also genau, was Sie meinen.

Sonobe:

Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, wie gut sich das Spiel verkauft hat, aber es erschien für den FM-7 ...

Iwata:

Da es nicht so viele von diesen Computern gab, waren die Verkaufszahlen wohl auch relativ niedrig ...

Sonobe:

Ganz genau. Als wir dann über unseren nächsten Schritt nachgedacht haben, sagte man mir, dass ich es für die Veröffentlichung auf Famicom konvertieren sollte. Eigentlich hat man mir das regelrecht vorgeschrieben, aber ich hatte gar keine Hilfsprogramme, mit denen ich die Software entwickeln konnte.

Iwata:

Man sagte Ihnen also einfach: "Egal wie Sie das hinbekommen, bringen Sie das Spiel für Famicom raus!" (lacht)

Iwata Asks
Sonobe:

Genau. Ich hatte damals selbst ja nur meinen FM-7, also blieb mir nichts anderes übrig, als das OASYS14-Textverarbeitungsprogramm zu benutzen, das ich gemeinsam mit allen anderen Mitarbeitern der Firma verwendet habe, weil ich damit japanische Schriftzeichen in den Rechner eingeben konnte.14. OASYS: Ein japanisches Textverarbeitungsprogramm, das erstmals 1980 von Fujitsu veröffentlicht wurde.

Iwata:

Japanische Textverarbeitungsprogramme müssen natürlich die Eingabe von japanischem Text ermöglichen. (lacht) Aber ich verstehe, was Sie meinen. Beim FM-7 konnten Sie nicht mit vollständigen japanischen Zeichensätzen arbeiten. Deshalb haben Sie dann also OASYS verwendet, um ein Spezifikationsdokument aufzusetzen.

Sonobe:

Richtig. Ich habe ein Spezifikationsdokument mit OASYS entworfen, das gezeigt hat, wie die einzelnen Bildschirme auf die vorhergehenden folgten, und so weiter. Nach einiger Zeit stellte man mir dann schließlich einen PC-9815 zur Verfügung.15. PC-98: Eine Heimcomputerreihe, die in Japan von NEC veröffentlicht wurde. Der 16-bit-Computer PC-9801 kam 1982 auf den Markt.

Iwata:

Dann hatten Sie also endlich einen Computer, mit dem Sie japanischen Text eingeben konnten! (lacht)

Sonobe:

Genau. Aber das nächste Problem war, dass ich zwar BASIC konnte, aber nicht viel über MS-DOS16 wusste, und das war das Betriebssystem des PC-98. Außerdem kam noch erschwerend hinzu, dass es kein Benutzerhandbuch für den Computer gab; ich hatte also gar keine andere Wahl, als mich auf das Wissen anderer Leute zu verlassen, um so herauszufinden, wie alles funktioniert.16. MS-DOS: Das ist die Abkürzung für Microsoft Disk Operating System; vor der Entwicklung von Microsoft Windows war MS-DOS das wichtigste Computerbetriebssystem.

Iwata:

Hatten Sie Kollegen, die Ihnen helfen konnten?

Sonobe:

Ja, die hatte ich. Also, einen Kollegen zumindest. Mir blieb nichts übrig, als ihm alle möglichen Fragen über die Benutzung des Computers zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich überhaupt keine Ahnung, aber ich habe einfach weitergemacht und habe immer wieder den 'Zauberspruch' eingetippt ...

Iwata:

Ah, ich verstehe. Sie meinen die völlig unverständliche Zeichenfolge, mit der man die Hardware in den Ursprungszustand zurückversetzen kann. Wenn man den 'Zauberspruch' nicht eingetippt hat, konnte nicht der richtige Bildschirminhalt dargestellt werden. Aber haben Sie die Famicom-Version von "Best Play Pro Baseball" wirklich auf diese Art entwickelt, indem Sie einfach eins nach dem anderen herausgefunden haben?

Sonobe:

Ja, so war das.

Iwata:

Wie lange hat es gedauert, bis Sie die Arbeit an der Famicom-Version abschließen konnten?

Sonobe:

Tja, das hat schon eine ganze Weile gedauert. Aber wenn Sie mich fragen, wie lange es genau gedauert hat, dann ...

Iwata:

Das Famicom-System wurde 1983 in Japan veröffentlicht, und danach hat es noch lange gedauert, bis Ihr Spiel auf den Markt kam.

Sonobe:

Ja, das stimmt. Das Spiel erschien erst 1988, ich würde also sagen, dass ich ungefähr drei Jahre gebraucht habe, um es abzuschließen.

Iwata:

Drei Jahre, meinen Sie? Naja, Sie haben aber auch alles fast komplett alleine gemacht. Aber unter anderem habe ich von Ihrer Arbeit eh den Eindruck, dass Sie das Spiel so lange wie irgendwie möglich verbessern und perfektionieren, bis Sie es veröffentlichen.

Sonobe:

Tja, das liegt daran, dass die Entwicklung des Spiels am meisten Spaß macht!

Iwata:

Wenn Sie keine Abgabefrist hätten, würden Sie wahrscheinlich ewig an einem Spiel weiterarbeiten! (lacht)

Sonobe:

Ja, das würde ich. Es macht mir wirklich Spaß, an allem zu feilen und die Elemente nach und nach zu verbessern.

Iwata:

Das macht Ihnen also mehr Spaß, als die Spiele selber zu spielen?

Sonobe:

Ja, natürlich! (lacht)