1. Das extragroße Phantom

Iwata:

Bisher hat sich die "Iwata fragt"-Reihe auf neue Produkte, die vor ihrer Veröffentlichung stehen konzentriert, deshalb haben Sie alle nach Ihrer Arbeit am Nintendo DSi XL bestimmt gedacht, dass ich Sie diesmal nicht interviewen würde, weil die Veröffentlichung schon stattgefunden hat. Aber eigentlich habe ich schon länger gedacht, dass es keine schlechte Idee wäre, ein "Iwata fragt"-Interview durchzuführen, nachdem wir schon Feedback von den Käufern eines Produkts erhalten haben. Ich dachte auch, dass es ein interessantes Experiment sein könnte, die Idee hinter der Entwicklung eines Produkts zu kommunizieren, nachdem es schon veröffentlicht wurde. Daher interviewe ich heute, etwas mehr als eine Woche nach dem Erscheinen des Nintendo DSi XL in Japan - um genau zu sein ist heute der 30. November - das Team, das hinter der neuen Konsole steht. Vielen Dank Ihnen allen, dass Sie heute da sind.

Alle:

Wir danken Ihnen.

Iwata:

Stellen Sie sich doch erst einmal vor und erklären Sie kurz, welche Rolle Sie bei dem Projekt übernommen haben. Fangen wir mit Ihnen an, Mr. Yoneyama.

Yoneyama:

Mein Name ist Yoneyama und ich arbeite im 'Research & Engineering Department'. Mr. Kuwahara, der hier neben mir sitzt, war der Projektleiter. Meine Aufgabe war es, meine Erfahrung mit einzubringen und Mr. Kuwahara von der Entwicklungsphase des Nintendo DSi XL bis zur Fertigstellung des Produkts so gut ich konnte zu unterstützen.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Yoneyama, Sie sind ja zur Fertigung nach China geflogen und haben sich dort um alles gekümmert, womit Sie äußerst anstrengende Bemühungen für das Projekt auf sich genommen haben.

Yoneyama:

Ähm... ja, ich denke, das hab ich wohl! (lacht)

Iwata:

Mr. Kuwahara, was war es für ein Gefühl, von so einem Meister wie Mr. Yoneyama unterstützt zu werden?

Kuwahara:

Ich habe mich sehr auf ihn verlassen. Aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass ich eigentlich nicht in der Position sein sollte, von ihm unterstützt zu werden! (lacht)

Iwata:

Sie haben sich also sehr auf Mr. Yoneyama verlassen, Mr. Kuwahara. Aber stellen Sie sich doch bitte auch noch einmal richtig vor.

Kuwahara:

Mein Name ist Kuwahara und ich arbeite im 'Research & Engineering Department'. Ich war Projektleiter bei der Entwicklung des Nintendo DSi XL.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Kuwahara, Sie haben auch am "Iwata fragt"-Interview über den Nintendo DSi teilgenommen. Sie haben also direkt nach diesem Projekt wieder die Position des Projektleiters übernommen.

Kuwahara:

Ja, es war eine große Ehre das Projekt zu leiten. Und ich habe zwar die Rolle des Projektleiters übernommen, aber wenn man mich fragt, was ich wirklich geleistet habe, würde ich sagen, dass ich die Initialzündung bei diesem Projekt gegeben habe. Man könnte es so sehen, dass ich eigentlich nur noch eine Beobachterposition hatte, als die Entwicklung erst richtig lief. Zu dem Zeitpunkt, als wir mit der Massenproduktion beginnen wollten, hatte Mr. Yoneyama bereits für lange Zeit sehr hart in China gearbeitet. Wenn es ein jüngerer Kollege gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich gesagt: "Weiter so! Nur noch der Endspurt!" Aber bei einem so erfahrenen Kollegen wie Mr. Yoneyama, der schon so lange dabei ist, habe ich mir eher Gedanken um seine Gesundheit gemacht!

Iwata:

(lacht) Ich frage Sie später noch mehr zu China. Kommen wir jetzt zu Ihnen, Mr. Amano.

Amano:

Ich heiße Amano und ich arbeite im 'Research & Engineering Department'. Ich war verantwortlich für das mechanische Design der Konsole.

Iwata Asks
Iwata:

Ich denke, wenn Sie von mechanischem Design sprechen, wissen manche Leser vielleicht nicht genau, was das bedeutet. Könnten Sie uns erklären, worum es dabei geht?

Amano:

Wenn man das fertige Design für die Konsole vom Designer erhält, ist es die Hauptaufgabe des mechanischen Designers, die nötigen Entscheidungen zu treffen, um ein fertiges Produkt daraus zu machen: Zum Beispiel wo die Teile auf der Halbleiterbasis platziert werden sollen, wie die Komponenten angeordnet werden sollen, und welche Größe die einzelnen Elemente haben sollen.

Iwata:

Wenn man die interne Struktur nicht genau plant, wird das Produkt unzuverlässig. Deshalb ist das Ziel eigentlich, "Träume wahr zu machen".

Amano:

Das stimmt. Man setzt Träume in die Realität um. Oder, um es anders auszudrücken, mein Job ist es, die verrückten Vorstellungen anderer Leute umzusetzen. (lacht)

Iwata:

Das geht ja gleich interessant los! (lacht)

Amano:

(lacht) Es gab drei Leute, die für die Planung der Konsole verantwortlich waren. Meine Aufgabe war es, mich um den oberen Bildschirm und die entsprechenden Bereiche zu kümmern.

Iwata:

Wie lange sind Sie schon bei uns, Mr. Amano?

Amano:

Das ist jetzt mein achtes Jahr bei Nintendo.

Iwata:

Sie haben also Erfahrung bei uns gesammelt, seit der Nintendo DS1 erschienen ist. 1Der Nintendo DS ist eine tragbare Konsole, die erstmals im November 2004 veröffentlicht wurde.

Amano:

Was das Design der Konsole betrifft, machte ich meine ersten Schritte bei der Vorgängerkonsole, dem Nintendo DSi2, bei dem ich auch für den oberen Bildschirm verantwortlich war. 2Der Nintendo DSi ist eine tragbare Konsole, die im November 2008 in Japan veröffentlicht wurde. Zu den erweiterten Features gehören zwei Kameras und ein SD Card-Slot.

Iwata:

Jetzt zu Ihnen, Mr. Fujino.

Fujino:

Ich heiße Fujino und arbeite im 'Research & Engineering Department'. Ich habe am Design gearbeitet und war also für die verrückten Vorstellungen verantwortlich, die dann umgesetzt werden sollten.

Iwata Asks
Alle:

(lachen)

Fujino:

Meine verrückten Vorstellungen haben leider für viele Schwierigkeiten gesorgt...

Iwata:

Man könnte sagen, dass die Hochglanz-Oberschale das auffälligste Design-Element des Nintendo DSi XL ist, und sie hat anscheinend große Probleme verursacht. Dazu komme ich später noch einmal. Aber vorher würde ich Sie gerne fragen, ob dies das erste Mal war, dass Sie als Hauptverantwortlicher am Design einer Konsole gearbeitet haben?

Fujino:

Ja, das war das erste Mal für mich.

Iwata:

Und wie viele Jahre sind Sie schon bei uns?

Fujino:

Das ist jetzt mein siebtes Jahr.

Iwata:

Bisher haben Sie also gesehen, wie Ihre Vorgesetzten am Hardware-Design gearbeitet haben, aber beim Nintendo DSi XL waren Sie dann zum ersten Mal selber dafür verantwortlich?

Fujino:

Genau. Bis jetzt habe ich an solchen Dingen wie Zubehör gearbeitet. Diesmal stand ich im Rampenlicht, was zwar äußerst herausfordernd, aber auch sehr befriedigend war.

Iwata:

Okay, können wir zuerst einmal darüber sprechen, woher die ursprüngliche Idee kam, einen Nintendo DSi mit größeren Bildschirmen zu entwickeln?

Kuwahara:

Also, angefangen hat alles damit...

Iwata Asks
Iwata:

Sie meinen den geheimnisvollen...

Kuwahara:

Ich glaube, das erklärt am besten Mr. Yoneyama...

Yoneyama:

Aber gerne. Also, nachdem der Nintendo DS Lite3 erschienen war, wollten wir die Grafik visuell etwas unterstützen, indem wir größere Bildschirme verwenden würden, und wir haben sogar eine Gussform4 hergestellt und Entwicklungstests durchgeführt. Wir waren also an dem Punkt, an dem wir mit der Massenproduktion hätten anfangen können. Aber... 3Der Nintendo DS Lite war eine dünnere Version des Nintendo DS und erschien im März 2006 in Japan. 4Eine Metall-Gussform wird zur Fertigung des Konsolengehäuses verwendet, indem Sie mit Plastik ausgegossen wird. Man benötigt sie für die Massenproduktion.

Iwata:

...aber dann kam es doch nie zur Veröffentlichung.

Yoneyama:

Stimmt. Es lief alles sehr gut mit dem DS Lite, also wurde entschieden, dass wir dieses Projekt erstmal auf Eis legen.

Iwata:

Diese große Version des DS Lite war 2007 in der Entwicklung, aber es gab eine Menge Kunden, die noch den DS Lite kaufen wollten, und wir konnten mit der Nachfrage nicht mithalten. Wir waren auch beschäftigt damit, die Produktion der Wii-Konsole anzukurbeln, die 2006 erschienen war, daher dachte ich, dass es keine gute Idee wäre, weitere Hardware zu veröffentlichen und unsere Energien noch mehr zu streuen. Deshalb habe ich persönlich entschieden, dass es nicht der richtige Zeitpunkt wäre. Ich bin schon lange an der Produkt-Entwicklung beteiligt; ich wusste also, wie schwierig es für das Entwicklungs-Team sein würde, dass ihr Produkt nicht veröffentlicht werden würde. Aber trotzdem musste ich die Entscheidung treffen, dieses Produkt erstmal nicht auf den Markt zu bringen.

Yoneyama:

Das stimmt.

Iwata:

Auch heute fragen mich noch viele Mitarbeiter, die nichts von dem großen DS Lite wussten, wenn sie ihn dann sehen und erfahren, dass wir ihn tatsächlich entwickelt haben: "Aber warum ist er denn nicht veröffentlicht worden!?" (lacht)

Yoneyama:

(lacht) Aber zu diesem Zeitpunkt war unser Limit für die Größe des LCD-Bildschirms aus Kostengründen 3,8 Zoll. Außerdem hätten wir keine LCD-Bildschirme benutzen können, die einen großen Betrachtungswinkel haben, so wie wir sie jetzt beim Nintendo DSi XL verwendet haben.

Iwata:

Sie haben den größeren DS Lite also entwickelt, um zu sehen, was überhaupt möglich ist?

Yoneyama:

Ich denke schon. Aber obwohl er am Ende nicht veröffentlicht wurde, gab es für mich persönlich einen Aspekt daran, der seitdem einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Wenn man einen LCD-Bildschirm in eine Konsole von dieser Größe einbaut, ist es wirklich beeindruckend, wenn man zum ersten Mal die Spiele darauf sieht. Wir dachten also, dass ein größerer Bildschirm...

Iwata:

Sie meinen, dass die Bilder stärker wirken können?

Yoneyama:

Nein, ich meine nicht so sehr die Intensität der Bilder. Es geht mir mehr darum, dass alles einfacher zu erkennen ist und irgendwie freundlicher und weniger anstrengend wirkt.

Iwata:

Ich verstehe. Mit einem großen Bildschirm hat man also ein freundlicheres Seh-Erlebnis.

Yoneyama:

Genau.