2. ''Wir können uns doch nicht schlagen lassen!''

Iwata:

Wie lange dauerte es, bis Sie sich sicher waren, das Ziel zu erreichen?

Kawata:

Dieses Mal war die Situation vielleicht ein bisschen ungewöhnlich: Weil wir gleichzeitig an zwei Spielen arbeiteten, teilten wir unsere Arbeit auf. So beschäftigten wir uns mit den letzten Action-Fitzelchen von Resident Evil: The Mercenaries 3D und nahmen uns der Grafik und anderer Aspekte des Erscheinungsbildes von Resident Evil: Revelations an.

Iwata:

Hatten Sie von Anfang an vor, zwei Spiele zu machen?

Kawata:

Mit dem Plan für Resident Evil: Revelations ging es zuerst voran. Aber, da wir auch sehr viel Arbeit in das Szenario und andere Aspekte des Spiels steckten, brauchten wir doch sehr lange, bis alles fertig war. Auf der anderen Seite wollten wir aber auch schnell etwas veröffentlichen, nachdem das Nintendo 3DS-System auf den Markt gekommen war. Also begannen wir mit der Entwicklung und dem Testen von Resident Evil: The Mercenaries 3D – einem Spielsystem, bei dem schon ziemlich viel stimmte. Für mich stand Resident Evil: The Mercenaries 3D über Resident Evil: Revelations, was mehr auf seine Wirkung als auf die Angst zurückzuführen war. Und dann war da noch der Wunsch, es zu einem eigenständigen Produkt werden zu lassen. Also lief alles perfekt.

Iwata:

Sie haben sich ein Genre ausgewählt, bei dem es leichter fällt, eine bestimmte Menge konzentrierten Inhalts in einen kürzeren Zeitraum hineinzupacken. In gewisser Hinsicht kooperieren wir, um die gleiche Plattform, nämlich das Nintendo 3DS-System, zu propagieren. In anderer Hinsicht sind wir aber auch Konkurrenten. Wenn man ein Spiel auf eine neue Plattform bringt, ist das Timing, mit dem man auf die Spieler zugeht, sehr wichtig.

Kawata:

Auf der Nintendo-Konferenz 201012 und bei der Nintendo 3DS-Vorführung auf der Nintendo World 201113 habe ich alle möglichen Titel gesehen. Hierbei handelte es sich um Konkurrenzprodukte. Aber als ich diese so von der Seite betrachtete, dachte ich: „Daran haben wir nie gedacht. Da sollte ich besser aufpassen.“ (lacht) 12 Nintendo-Konferenz 2010: Eine Ausstellung für Fachleute der Videospiele-Industrie, die am 29. September 2010 auf der Makuhari-Messe in Japan stattfand. 13 Nintendo World 2011: Ein Event, das auf der Makuhari-Messe in Japan für drei Tage vom 8. Januar 2011 an abgehalten wurde.

Iwata:

Ohne solche Stimulationen würde sich unsere Welt nur mit einem Bruchteil der aktuellen Geschwindigkeit weiterentwickeln. Was unsere Welt voranbringt, ist, die Arbeit der anderen zu begutachten und zu denken: „Die schlagen uns!“ und „Das ist cool!“ und „Wie können wir davon profitieren?“

Kawata:

Das stimmt. Ein Spiel zu entwickeln, ist aufregend und macht Spaß. Aber nicht nur das: Es ist auch ganz schön schwer. (lacht) Da Sie selbst Entwickler sind, können Sie das sicher nachvollziehen.

Iwata:

Ja, es ist schwer, aber in positiver Hinsicht. Ist man sich erst einmal darüber klar geworden, wie toll die Entwicklung von Videospielen ist, dann macht einem die Entwicklung noch mehr Spaß als das Spielen selbst! (lacht) Alles, was Ihnen gestern nicht gelang, fügt sich im Laufe der Zeit zusammen. Mir gefällt die Art, wie die Dinge so ihren Lauf nehmen.

Iwata Asks
Kawata:

Der Leistung jeder einzelnen Person sind Grenzen gesetzt. Tun sich aber viele Leute zusammen, dann ist es verblüffend, mit anzusehen, wie viel diese gemeinsam bewerkstelligen können. Diesen Vorgang bis zu seiner Vollendung zu verfolgen, ist höchst interessant. Allein daraus würde ich schon gern ein Spiel machen! (lacht)

Iwata:

Es wäre aber schon schwierig, daraus ein Spiel zu machen! Sollen wir das als Nächstes machen? (lacht)

Kawata:

(lacht)

Iwata:

Heutzutage ist die Spielentwicklung so weitreichend, dass man sich nur wundern kann, wie sich die eigene Arbeit mit der der Anderen verbindet. Im Gesamtkontext eines ganzen Projekts verliert man da leicht das eigene Arbeitsziel aus den Augen. Daher ist die Art und Weise, mit der man arbeitet, für jeden einzelnen wichtig, um sich seiner Rolle bewusst zu werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann macht die Entwicklung richtig viel Spaß.

Kawata:

Ja. Und es ist einfach großartig, wenn man von den Spielern Resonanz bekommt. Wenn sie einem sagen: „Das hat Spaß gemacht!“, fühlt man sich motiviert. Dann wird die Spielentwicklung zu etwas, mit dem man einfach nicht mehr aufhören kann! (lacht)

Iwata:

Ah, ich verstehe, was Sie meinen. Selbst wenn man Ihnen zeigt, was einem an dem Spiel nicht gefällt, ist das immer noch besser, als wenn das Spiel ignoriert wird.

Kawata:

Ja. In der Unterhaltungsindustrie ist es ganz wichtig, dass über einen gesprochen wird. Wenn wir mit den Spielern auf der gleichen Wellenlänge sind und gemeinsam Spaß haben, können wir uns bei der Entwicklung von Videospielen höhere Ziele setzen.

Iwata:

Das stimmt. Ansonsten stelle ich es mir ziemlich schwierig vor, gleichzeitig an zwei Spielen zu arbeiten. Wie haben Sie da Ihre Energien verteilt?

Kawata:

Ich lege einen Plan mit den größeren Komponenten fest und überlasse den Rest dem Team. Wenn ich dann beiden Teams Vorschläge dazu mache, was den Fans noch besser gefallen könnte, dann steigert das ihre Motivation. Auf diese Weise funktionierten beide Teams gut.

Iwata:

Ich verstehe. Wenn beide Teams gleichzeitig arbeiten, denkt jedes Team: „Wir können uns doch nicht schlagen lassen!”, und das steigert das Gesamtniveau.

Kawata:

Genau. Dieses Mal waren einige Teammitglieder an beiden Spielen beteiligt, so dass sich das bei Resident Evil: The Mercenaries 3D erworbene Know-how auch bei Resident Evil: Revelations zeigt.

Iwata:

Das ist nur ganz selten der Fall, auch wenn Sie das Design für vollständige Spiele erstellen. Insbesondere bei neuer Hardware kann man einige Dinge nur erahnen. Man weiß eigentlich nicht viel, bis man tatsächlich mit der Arbeit beginnt. Funktioniert das bei Capcom auch so?

Kawata:

Ja. Um ehrlich zu sein, arbeiten wir fast nie genau nach Plan. (lacht) Das Team probiert die Spiele ständig aus. Und selbst wenn sich die Mitglieder gegenseitig auf kleinere Probleme aufmerksam machen, erkennen sie die größeren doch nicht. Das ist meine Aufgabe.

Iwata:

Die Aufgabe desjenigen, der nicht direkt an der Entwicklung mitarbeitet, besteht darin, den Prozess zu beobachten und dafür Sorge zu tragen, dass die Intentionen des Spiels richtig vermittelt werden. Andererseits könnte jemand entgegnen: „Wenn wir dieses hier ändern, könnte uns das im Plan zurückwerfen.“

Kawata:

Richtig. Das ist immer ein Problem. Ich führe Verhandlungen über die allgemeine Qualität und sage Dinge wie: „Anstelle das aufzunehmen, sollten Sie sich lieber auf dies konzentrieren.“ Und es versteht sich von selbst, dass wir den Stichtag und das Budget einhalten müssen. Aber da die Leute für die Videospiele Geld bezahlen, müssen die Inhalte schon Hand und Fuß haben. Ich denke, die Teammitglieder sind da der gleichen Meinung.

Iwata:

Im Allgemeinen verfügen die Mitglieder des Entwicklungsteams, die energiegeladene Produkte herstellen, selbst schon über sehr viel Energie. Die Unternehmenskultur von Capcom erinnert mich an dynamische Typen aus Sportvereinen. Daher empfinde ich viele aus Ihrem Team in positiver Hinsicht als „heißblütig”. Ich würde das auch als den „Capcom-Geschmack“ bezeichnen. Ich denke, dass die Spiele von Capcom bei so vielen Spielern so beliebt sind, weil sich diese Energie auf die Spieler überträgt. Teilen Sie diese Meinung?

Kawata:

Ja … Ich empfinde uns auch als heißblütig. (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Manche Mitglieder des Nintendo-Teams sind auch so. Auf den ersten Blick lassen die Spiele, die wir innerhalb von Nintendo entwickeln, auf eine bedächtige Gruppe von Entwicklern schließen. Doch die Art und Weise, in der bei der Veröffentlichung von Spielen Energie freigesetzt wird, erinnert an Sport. Als ich in der Oberschule war, spielte ich Volleyball. Daher spricht dieser Geist auch einen Teil von mir ganz stark an. Und ich denke, das trifft auch auf Capcom zu. (lacht)

Kawata:

Ja. Als wir zu Capcom kamen, war es noch eine gute alte Videospiele-Firma. Da hatten wir freie Bahn. (lacht)

Iwata:

Mit dem Elan von einigen lockeren Senior-Mitarbeitern läuft die Arbeit bestimmt gut. (lacht)

Kawata:

Bei vielen Mitarbeitern von Capcom handelt es sich um ehemalige Kunden, denen die Capcom-Kultur gefällt. Dadurch bleibt der unverfälschte „Capcom-Geschmack“ erhalten. Unsere heutige Arbeitsweise unterscheidet sich schon von der früheren, aber dank dieser Kultur ist es uns gelungen, die Qualität der Capcom-Produkte zu bewahren.