2. ''Setze dein Köpfchen ein''

Iwata:

Sie waren sehr an der technischen Seite interessiert, aber Sie haben nicht als Programmierer bei der Firma angefangen?

Ono:

Das stimmt. Ich kam als Sound-Editor zu der Firma. Und, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, habe ich auf dem College Architektur studiert. Zu der Zeit war das College der einzige Ort, an dem man mit einem Supercomputer oder anderen Computern mit schnellen Rechengeschwindigkeiten arbeiten konnte. Ich programmierte an dieser Art von Computern und dachte: „Das macht mir wirklich immer Spaß!“ (lacht)

Iwata:

Manchmal fühlen wir uns alle zu bestimmten Computern hingezogen, weil diese über besonders gute Spezifikationen verfügen.

Ono:

Ja! Ich habe sowohl eine Beziehung zu Großrechnern, mit denen Dinge sehr schnell verarbeitet werden können, und zu kleinen, die immer noch versuchen, die Informationen so gut wie möglich zu verarbeiten. Mich interessierte, wie die Dinge am leichtesten verarbeitet werden können.

Iwata:

Das war einer Ihrer Träume. Waren Sie damals als Student sehr ernst und stoisch?

Ono:

Nun, ja... (lacht) Ich verbrachte schon die Hälfte meiner Zeit mit dem Studium, da ich ja nun mal Student war. Aber, um es kurz zu machen, wollte ich bei den Mädchen beliebt sein. (lacht). Und da kam ich zu dem Schluss, dass die Musik der schnellste Weg war, dieses zu erreichen. Mein Interesse an der Musik als Möglichkeit, um mich bei den Mädchen beliebt zu machen, wuchs, als ich auf der Oberschule war. Dieses Interesse behielt ich auch noch auf dem College bei. Ganz im Ernst, wussten Sie, dass die Zerlegung von Musik sehr interessante mathematische Eigenschaften ans Licht bringt?

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben recht, dass bestimmte Teile der Musik Gemeinsamkeiten mit Mathematik aufweisen.

Ono:

Je weiter ich die Akkorde analysiere, desto logischer erscheint es. Als ich, weil es mein Hobby war, auf dem College Mitglied einer Band wurde, kodierte ich ein Datenstück zur Unterstützung meiner Sessions, das automatisch ein Arpeggio10 spielte, und das ich einsetzte, wenn ich Musik komponierte. Wie dem auch sei, als ich nun gerade dabei war, auf dem College mein Architekturstudium voranzutreiben, meiner Leidenschaft zur Erstellung von Spielen frönte und versuchte, in der Musik voranzukommen, um mich bei den Mädchen beliebt zu machen (lacht), erfuhr ich, dass Capcom einen Komponisten suchte. Da rief ich: „Wow, Capcom! Das ist die Firma, die Exed Exes11 entwickelt hat!” 10Arpeggio: Auch bekannt als gebrochener Akkord, bei dem die Töne nicht gleichzeitig, sondern in kurzen Abständen erklingen. 11Exed Exes: Ein Arcade-Spiel, das 1985 von Capcom Co., Ltd. veröffentlicht wurde. (Außerhalb von Japan als Savage Bees veröffentlicht.)

Iwata:

Sie verbanden mit der Firma hohe technische Errungenschaften.

Ono:

Ja. Mir war bewusst, dass es zu dieser Zeit schwierig war, Bewegungen großer Charaktere darzustellen. Diese Sache schürte meine Neugier auf alle technischen Aspekte. Und nicht nur das. Sie suchten außerdem nach einem Komponisten. Also nahm ich eine Kassette mit meiner eigenen Musik auf und schickte sie ihnen. Sie luden mich zum Vorstellungsgespräch ein und machten mir am nächsten Tag ein Angebot. Da entschloss ich mich, dort Musik zu machen. Am Ende konnte ich beides machen: Programmieren und Musik. Ich bin froh, dass sich das auf diesem Wege so ergeben hat.

Iwata:

Hierbei waren Ihnen bestimmt Ihre Erfahrungen als Programmierer hilfreich. Wenn Sie zurückblicken, müssen Sie sich fragen, wie Sie dorthin gekommen sind, wo Sie heute stehen.

Iwata Asks
Ono:

Ja. Ich fing damit an, Content aus der Perspektive eines Fans heraus zu machen. Aber ich glaube, dass in mir die Freude am Wettbewerb auch durch meine erste Erfahrung mit Space Invaders verwurzelt ist.

Iwata:

Zu dieser Zeit gab es noch kein Internet oder Google. Wir mussten uns alles mit sehr wenig Referenzmaterial selbst überlegen. Es war nicht besonders effizient, wir machten die ersten Schritte in der Dunkelheit und lernten allmählich, die Hardware zu benutzen. Das war aufregend und brachte vor allem Spaß.

Ono:

Da liegen Sie genau richtig. Heute gibt es viele Leute, die lieber Fachbücher über die Dinge lesen würden. Ich glaube, das ist nur das Mittel; es sollte nicht als absolutes Ziel gesehen werden. Es gibt immer mehr als nur einen Weg, um etwas zu tun. Immer geht es darum etwas auszuprobieren. Daher sage ich meinen Mitarbeitern immer: „Setzen Sie Ihr Köpfchen ein.“ Nur wenn Sie Ihr Köpfchen bei der Erstellung von Spielen einsetzen, können Sie Überraschungen erzielen.

Iwata:

Es geht darum etwas zu tun, was bis dahin noch niemand getan hat. Besteht das Ziel darin, den Verbraucher zu überraschen, so kann man nicht immerfort die gleichen Methoden verwenden, weil der Verbraucher sonst alles als gleich wahrnimmt. Der einzige Weg, um die Verbraucher immer wieder und wieder zu überraschen, besteht darin, dem Gameplay-Volumen immer wieder etwas hinzuzufügen oder seine Brillanz aufzupeppen. Diese Strategie ist letztlich für die Firma tödlich. Deshalb sollten wir uns immer auf andere Methoden konzentrieren und das Spiel „exponentiell“ machen, anstatt einfach nur neue Faktoren hinzuzufügen.

Ono:

Das stimmt. Ich finde, dieses „exponentiell“ ist das große Schlüsselwort. Kann der Reiz eines Spiels durch bestimmte Zahlenwerte gemessen werden, dann stellt es manche Verbraucher unter Umständen zufrieden, eine beeindruckend hohe Zahl in der Broschüre zum Spiel zu finden. Aber ob diese Zahl dazu führt, dass den Verbrauchern das Spiel wirklich gefällt, ist eine ganz andere Frage.

Iwata:

Manchen Leuten gefällt es, wenn ein Spiel eine Menge Content bietet. Andere Leute sind jedoch das genaue Gegenteil. Wenn man ein Spiel drei Minuten lang spielen und ehrlich sagen kann: „Es ist verblüffend.“, dann, denke ich, wird jeder darüber der gleichen Meinung sein. Diese Dinge sind es, über die sich die Verbraucher untereinander unterhalten.

Ono:

Wenn ich darüber spreche, zeige ich dem Team immer einen Original-Entwurf, auf dem alle Vorschläge aufgelistet sind, und frage das Team: „Was sticht Ihnen am meisten ins Auge?“ Und dabei versuche ich, jedes der Features in eine bestimmte Rangfolge zu bringen. Und dann frage ich solche Sachen: „Welche Bilder kommen Ihnen in Bezug auf Content in den Sinn, der nicht auf dem Entwurf steht?“ oder “Wie viel können Sie tun?” Die Leute, die diesen Entwurf ergänzen können, sind diejenigen mit einem besonders scharfen Verstand. Das ist die Art von Leuten, die selbstständig etwas Neues finden können.

Iwata Asks
Iwata:

Das heißt, wenn Sie den Leuten eine Aufgabe geben, dann werden einige davon in der Lage sein, die Arbeit selbständig zu entwickeln, während andere bei jedem Schritt fragen, was sie als nächstes tun sollen.

Ono:

Ja. Objektiv gesprochen ist dies etwas, worauf Content Creators achten müssen.

Iwata:

Aber jeder hat andere Vorlieben und andere Vorstellungen von interessanter Arbeit. So wie man beim Reassemblieren, welches ganz unbestritten eine harte, niedere Arbeit ist, eine ganze Menge Spaß haben kann.

Ono:

Da haben Sie vollkommen recht. Aber zu der Zeit hat es wirklich Spaß gemacht. Ich steckte heimlich ein Assembler-Sheet in meine Schultasche und machte es in der Mittagspause auf. Ich probierte das aus, was ich mir zu Hause überlegt hatte. Und das gleiche machte ich auch in dem Elektronik-Geschäft. Und ich glaube auch, damit war ich das einzige Kind, das so etwas machte. (lacht) Mir tun die Leute im Team irgendwie leid, die das heute nicht mehr machen können.

Iwata:

Das Umfeld ist heute in der Beziehung viel besser, dass jeder viele Dinge sofort ausprobieren kann. Früher musste man so etwas auf Papier oder im Kopf vorbereiten, bevor man es in eine Maschine eingeben konnte. Andererseits mussten wir damals manuell ein Trial-and-Error-Verfahren durchlaufen, weil die Lernumgebung nicht besonders gut war. Auch wenn es auf den ersten Blick ineffizient erscheinen mag, so hat es uns doch etwas sehr Wertvolles vermittelt.

Ono:

Als Lieferanten von Kreativprodukten, stehen uns mehrere Wege zur Erreichung unserer angestrebten Ziele zur Verfügung. Es gibt viele Wege, dieses Problem anzugehen. Aber dieser unterschiedliche Ansatz lässt uns auch bis zu jedem Verbraucher durchkommen.

Iwata:

Es gibt unzählige Wege, die alle zu dem gleichen Ziel führen. Und bei diesen unzähligen Möglichkeiten findet man den besten Weg und erzielt die besten Ergebnisse, wenn man sich seiner Stärken und Schwächen bewusst ist. Unsere Erfahrung mit dem Kampf und die Grundlagen haben es uns auch ermöglicht, vielfältige Methoden zur Lösung von Problemen aufzudecken. Das ist einfach meine Meinung dazu.

Ono:

Da stimme ich Ihnen zu.