4. Unheimlich gute Verknüpfungen

Iwata:

Wir haben darüber gesprochen, dass über zehntausend eMails verschickt worden sind. Es gibt Leute, für die das irgendwann sehr anstrengend wäre, und wieder andere haben damit kein Problem. Ich kann mir vorstellen, dass Sie ein wenig erschöpft sind, Mr. Nagasawa, aber so wie ich Sie heute antreffe, habe ich nicht das Gefühl, dass Ihnen der Austausch von zehntausend eMails zuviel geworden ist. Woran liegt das?

Nagasawa:

Bei diesem Projekt hat Mr. Sakamoto das Produktionsteam "Project M" genannt. Auf dieser Ebene konnten wir alle als Gleichberechtigte miteinander kommunizieren, als Mitglieder des "Metroid: Other M"-Entwicklerteams, obwohl wir für verschiedene Firmen arbeiteten. Ich denke, deshalb ist die Kommunikation wohl auch nicht so anstrengend für mich geworden.

Iwata:

Mr. Saito hat vorhin gesagt: "Ich wollte wirklich nicht gerne in einem strengen hierarchischen System arbeiten, aber diese Sorge war unbegründet." Ging es Ihnen ähnlich, Mr. Nagasawa?

Nagasawa:

Ja, schon. Es war einfach nicht so, dass die einen Anweisungen gegeben haben und die anderen sie ausführten. Die Mitarbeiter der verschiedenen Firmen haben als Team zusammengearbeitet, und so war es für uns alle einfach, unsere Meinung zu sagen.

Iwata:

Wenn man keine Arbeitsstruktur mit 'Befehlshabern' hat, werden die eigenen Schwächen einfach von den Partnern im Team aufgefangen, und umgekehrt. Das führt dazu, dass im Team viel Respekt füreinander entsteht. In so einer Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt beruht, ist es doch bestimmt einfach, eigene Vorschläge und Meinungen einzubringen, oder?

Nagasawa:

Das stimmt. Deshalb war es auch eine Umgebung, in der man sich jederzeit frei austauschen konnte und nie das Gefühl hatte, man sollte einfach nur Anweisungen befolgen. Ich denke, wir alle hatten die Fähigkeit, die Meinungen der anderen anzunehmen und zu akzeptieren. Es gab also nie Schwierigkeiten bei unserem Austausch.

Morisawa:

Die Tatsache, dass Sie jederzeit Ihre Meinung sagen konnten, spiegelte sich auch in der Dauer der Meetings wider. Wir hatten z. B. auch immer persönliche Treffen, wenn es etwas zu besprechen gab.

Iwata:

Ich habe ja auch gemeint: "Persönliche Gespräche sind besser. Man sollte also nicht zögern, ein Meeting abzuhalten, wenn es nötig ist." Es gibt nicht viele Situationen, in denen es besser ist, keine Besprechung zu haben. Heutzutage kann man viele Sachen aber natürlich auch elektronisch erledigen.

Morisawa:

Bei uns waren Meetings von sechs, sieben oder acht Stunden Dauer keine Seltenheit.

Nagasawa:

Manchmal habe ich in einer einzigen Besprechung sogar zweimal gegessen! (lacht)

Iwata:

Zweimal gegessen... also zwei reguläre Mahlzeiten? Das ist schon sehr ungewöhnlich.

Saito:

Ich habe während der Meetings Mittag gegessen und dann auch mein Abendessen. Manchmal gab es sogar noch das Frühstück für den nächsten Tag! (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Drei Mahlzeiten! (lacht)

Morisawa:

Aber sogar so lange Meetings waren nicht schwierig durchzuhalten und oft auch sehr unterhaltsam.

Iwata:

Dieses Projekt-Team bestand aus drei Einheiten: Nintendos Metroid-Team, Team NINJA und dem Videoproduktions-Team, zu dem Mr. Nagasawa, Mr. Kitaura und andere gehörten. Das sieht für Außenstehende vielleicht nach einer merkwürdigen Kombination aus, aber mit viel Kommunikation konnten Sie Ideen und Informationen reibungslos austauschen. Bei der Spielentwicklung ist es aber kaum realistisch, dass alles gut läuft und man die ganze Zeit Spaß hat, denke ich. Ich würde Sie gerne noch nach den Momenten fragen, die Sie als schwierig empfunden haben. Wie war es für Sie als Verantwortlicher für den Sound, Mr. Koike?

Koike:

Die Entwicklungszeit war ja sehr lang, es gab also mehrere schwierige Phasen. Das erste Element, das wir z. B. auf der Webseite der Öffentlichkeit präsentiert haben, war eine

Video: Klavierkomposition

Wir haben darüber gesprochen, dass über zehntausend eMails verschickt worden sind. Es gibt Leute, für die das irgendwann sehr anstrengend wäre, und wieder andere haben damit kein Problem.
Klavierkomposition . Dieses Stück nahm seinen Anfang an einem Nachmittag, als ich eine Nachricht von Mr. Sakamoto erhielt, in der stand, dass er gerne ein Klavierstück umsetzen würde. Ich sagte ihm, dass ich einen Mitarbeiter hatte, der Klavier spielen kann, und dass wir das Stück zusammen komponieren würden. Als ich ihn dann nebenbei fragte, wann es fertig werden sollte, antwortete er nur: "Heute."

Iwata:

...das ist aber ziemlich viel verlangt! (lacht)

Alle:

(lachen)

Koike:

Das war ganz sicher einer dieser Momente, die ich als schwierig empfunden habe. Ich habe dann den Mitarbeiter rekrutiert, der Klavier spielen konnte, und mit ihm zusammen den ersten Teil komponiert, um ihn Mr. Sakamoto schon mal vorzuspielen.

Iwata:

War Mr. Sakamoto zu dieser Zeit in Kyoto?

Koike:

Ja, war er. Wir haben ihm die Musik als eMail-Anhang geschickt. Mr. Sakamoto nimmt es natürlich sehr genau, deshalb sagte er gleich, nachdem er das Stück gehört hatte: "Dieser Teil passt so nicht." Wir haben dann alles überarbeitet und es ihm noch einmal zugeschickt, und seine Reaktion war: "Dieser Teil passt so aber auch nicht." Auf diese Art ging es dann hin und her, bis ungefähr acht Uhr abends, und irgendwann sagte auch der Klavierspieler: "Ich versteh das einfach nicht!"

Iwata:

Er war also kurz davor aufzugeben?

Koike:

Ja, deshalb wollte ich ihn etwas entlasten. Wir haben es mit zwei Akkorden versucht, dann nur mit einem, und so weiter. Das Stück wurde langsam also immer einfacher. Am Ende baten wir Mr. Sakamoto dann, es sich noch einmal anzuhören. Er sagte: "Es ist richtig gut geworden. Es ist wirklich bewegend... mir kommen gleich die Tränen." Als ich ihn das sagen hörte, war ich total glücklich. Obwohl wir nur einen Tag daran gearbeitet hatten, war es wirklich äußerst schwierig gewesen. Und dann hat auf einmal alles gepasst...

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben an diesem Tag also alle Höhen und Tiefen durchgemacht.

Koike:

Oh ja, das kann man wohl sagen! (lacht) Aber das ist ja noch nicht das Ende vom Lied. Nachdem wir an dem Tag alles fertig gestellt hatten und ich zuhause war, rief mich Mr. Sakamoto an. Ich dachte nur: "Worum geht es denn jetzt wieder?", aber Mr. Sakamoto sagte: "Sie haben mir heute ein großartiges Stück vorgespielt. Vielen Dank dafür."

Iwata:

Ah, Mr. Sakamoto war also wirklich bewegt.Jetzt zu unserem Planer, Mr. Otsuka. Sie haben uns vorhin schon erzählt, dass Mr. Sakamoto kein Blatt dabei vor den Mund genommen hat, Sie auf die Blumen in Ihrem eigenen Garten aufmerksam zu machen, und wie Sie deshalb in der Nacht kein Auge zugetan haben. Hatten Sie - von dieser Situation abgesehen - noch andere herausfordernde Momente?

Otsuka:

Wie Sie sich vorstellen können, war es eine große Herausforderung, die Spielteile und die Videosequenzen nahtlos miteinander zu verbinden. Es hört sich einfach an, das Spiel und die Zwischensequenzen zu verbinden, aber als wir Mr. Sakamoto das erste Mal getroffen haben, wurde mir klar: "Wenn wir sie einfach normal aneinander hängen, wird er niemals damit zufrieden sein."

Iwata Asks
Iwata:

Um die Spielteile und die Videosequenzen entsprechend zu verbinden, mussten Sie also manche Dinge komplett überarbeiten, manche bis dahin ungeplanten Dinge ganz neu erstellen und so weiter. Es gab also jede Menge Änderungen.

Otsuka:

Richtig. Es gab sogar einige fertig gestellte Sachen, die wir einfach komplett neu gestalten mussten. Die vielen Veränderungen führten aber dazu, dass wir wirklich bewegt waren, als wir die Videosequenzen und die Spielteile verbunden haben. Unsere Mitarbeiter haben das Spiel auch ausprobiert, und einer der Planer kam danach zu mir und sagte: "Die Verknüpfungen sind so gut, dass es schon fast unheimlich ist."

Iwata:

"Unheimlich gute Verknüpfungen!" (lacht) Wenn ich an Mr. Sakamotos Zwanghaftigkeit denke, gibt dieser Ausdruck die Stärken des Spiels ziemlich gut wieder. Mr. Nagasawa, Sie waren ja verantwortlich für die Erstellung der Videosequenzen. Mussten Sie viele schwierige Phasen überwinden, um die Verknüpfungen so "unheimlich gut" hinzubekommen?

Nagasawa:

Eigentlich gab es viele Situationen, in denen Dinge abgelehnt und an uns zurückgeschickt wurden, für deren Umsetzung wir viel Zeit investiert hatten. Dann haben wir von vorne angefangen, um dann erneut eine Ablehnung zu erhalten und das Material zurückzukriegen.

Iwata:

Mr. Sakamotos spezielle Ansprüche, vor allem in Bezug aufs Timing, sind wirklich außergewöhnlich, nicht wahr?

Nagasawa:

Oh ja, das ist mir auch aufgefallen.

Iwata:

Sogar bei den Videoproduktionselementen des Projekts, für die normalerweise jemand anders verantwortlich ist, greift er ein, wenn er etwas besonders wichtig findet. Ich habe gehört, dass er sich in den letzten Phasen dieses Projekts intensiv mit dem 'Flow' - also dem Timing - der Bildfolge in den Videosequenzen beschäftigt hat.

Nagasawa:

Es kam eigentlich häufig vor, dass er sich eine unserer Videosequenzen angesehen hat und keine speziellen Anmerkungen hatte, also entspannten wir uns und dachten: "Da scheint alles okay zu sein." Nach einiger Zeit bekamen wir dann aber immer eine eMail... Außerdem hätte er diese Dinge regulär eigentlich Mr. Kitaura mitteilen sollen, aber die eMails gingen immer an mich.

Iwata:

Er hat Ihnen also alles mitgeteilt, was er Mr. Kitaura nicht sagen konnte, Mr. Nagasawa? (lacht)

Nagasawa:

Ja, anscheinend. (lacht) Und diese eMails hatten immer eine ganz harmlose Betreffzeile: "Eine Rückmeldung".

Iwata:

Wenn solche eMails kamen, mussten Sie ihnen also immer besondere Aufmerksamkeit widmen.

Nagasawa:

Ja, die habe ich immer sehr, sehr sorgfältig gelesen. Es ging darin immer um eine Videosequenz, die er vorher gesehen hatte. Er schrieb dann extrem detaillierte Beschreibungen, um kleinste Veränderungen in ganz bestimmten Segmenten vorzuschlagen, z. B. dass der Schnitt zwischen zwei Sequenzen um einige Sekundenbruchteile oder sogar noch weniger verschoben werden sollte. Er sagte dann: "Ich hab mich jetzt doch für eine andere Variante entschieden" oder "Hier müsste die Spannung ein wenig reduziert werden."

Iwata:

Man konnte Samus' Gedanken und Gefühle wohl nicht überzeugend darstellen, ohne ganz genau ins Detail zu gehen und Veränderungen vorzunehmen.

Nagasawa:

Richtig. Ab der Hälfte des Projekts wurde Samus langsam Mr. Kitaura anvertraut, aber manchmal gab es Unstimmigkeiten zwischen Mr. Kitauras Produktions-Vorstellung - "Ich möchte Samus so sehen." - und Mr. Sakamotos ursprünglicher Vorstellung - "Samus ist so!". Da ging es dann natürlich gar nicht darum, dass einer von beiden Recht hatte und der andere falsch lag.

Iwata:

Wenn zwei Leute mit ganz genauen Vorstellungen aufeinander treffen, heißt es eben manchmal: "Das ist fantastisch" und in anderen Momenten: "Das ist total falsch."

Nagasawa:

Ganz genau. Deshalb haben wir sogar einzelne Gesichtsausdrücke bearbeitet, indem wir Einzelbilder verändert haben. Wir haben immer wieder minimale Korrekturen vorgenommen - z. B. ein Augenflackern von Samus im ersten Einzelbild und eine leichte Mundbewegung im dritten - und so nach dem Gesichtsausdruck gesucht, der den beiden Vorstellungen der Kreativköpfe entsprochen hat. Es war wirklich sehr schwierig, den körperlichen Ausdruck so extrem detailliert zu gestalten.