1. 'Ein NES-Spiel mit modernster Technologie'

Iwata:

Heute möchte ich über "Metroid: Other M" sprechen, ein Spiel, das in Zusammenarbeit mit TECMO1, dem Filmproduktionsteam unter der Führung von Mr. Kitaura, und Nintendo entstanden ist. Vielen Dank, dass Sie heute alle hier sind. 1TECMO ist eine Videospielefirma, die 1967 gegründet wurde. Als Tochterunternehmen von TECMO KOEI GAMES CO., LTD., das innerhalb der KOEI TECMO-Gruppe für die Spielesoftware-Projekte verantwortlich ist, ist TECMO aktuell mit Arbeitsfeldern wie der Spiele-Entwicklung beauftragt.

Alle:

Danke für die Einladung.

Iwata:

Okay, dann fangen wir mit den Vorstellungen an. Los geht es mit Ihnen, Mr. Sakamoto.

Sakamoto:

Ich bin Sakamoto von Nintendo. Ich habe das Konzept für dieses Projekt entwickelt und während der Entwicklungsphase zusammen mit TECMO an den Spielelementen und mit Mr. Kitaura an den filmischen Elementen gearbeitet. Ich würde sagen, diesmal habe ich mehr Zeit mit den filmischen Teilen verbracht. Im Lauf der Entwicklung mussten wir zum Beispiel die Dialoge der Charaktere sehr sorgfältig bearbeiten oder die Filmsequenzen so aufbereiten, dass sie sich nahtlos in den Spielablauf einfügen. Wir haben uns sehr darum bemüht, dass unser Konzept für Other M als Spiel funktioniert.

Iwata Asks
Iwata:

Ich habe das Projekt beobachtet und fand die Veränderungen sehr interessant, die ihre Arbeit durchgemacht hat, Mr. Sakamoto. Zuerst gab es eine Phase, in der Sie nur am grundlegendsten Element des ganzen Konzepts gearbeitet haben, nämlich: "Was macht Metroid aus?" Dann haben Sie sich eine Zeit lang Gedanken über die Handlung gemacht. Und als die Entwicklung etwas Fahrt aufgenommen hatte, haben Sie sich so intensiv mit den Details der Filmsequenzen beschäftigt, dass ich schon dachte: "Hat er wirklich so viel darüber nachgedacht?"

Sakamoto:

Ja, ich bin wirklich richtig eingetaucht... (lacht)

Iwata:

In Ordnung. Mr. Hayashi und Mr. Kitaura, würden Sie sich bitte auch noch vorstellen?

Hayashi:

Natürlich. Ich bin Hayashi von TECMO, LTD. Ich bin Teamleiter von Team NINJA2. Mr. Sakamoto hat mich darum gebeten, dieses Projekt zu übernehmen, und so wurde ich der Director bei Metroid: Other M. 2Team NINJA ist ein Entwicklerteam bei TECMO. Sie haben z.B. die "Dead or Alive"-Serie und die "Ninja Gaiden"-Action-Spielreihe entwickelt.

Iwata Asks
Kitaura:

Ich bin Mr. Kitaura und vertrete D-Rockets co., ltd.3 Ich arbeite hauptsächlich als Regisseur für TV-Werbespots, aber ich setze auch Filmsequenzen in Spielen für Tecmo um, und an diesem Projekt habe ich als Leiter des ganzen Filmelements gearbeitet. Ich danke Ihnen für die heutige Einladung. 3D-Rockets co., ltd. Ist ein Kreativteam, das filmische Inhalte, wie z.B. animierte Sequenzen, für Werbeclips, Videospiele, Promo-Videos usw. produziert. Das Team wurde 2008 gegründet.

Iwata Asks
Iwata:

Vielen Dank Ihnen allen. Ich bin sicher, dass viele Leute da draußen den Eindruck haben, dass Tecmos Team NINJA und Nintendo als Videospielefirmen nicht unterschiedlicher sein könnten. Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie Team NINJA als Entwicklungspartner mit an Bord geholt haben, Mr. Sakamoto?

Sakamoto:

Als ich am Anfang über das Konzept für dieses Metroid-Spiel nachgedacht habe, hatte ich Schwierigkeiten, den Leuten bei Nintendo einige meiner Ideen klarzumachen. Meine Ideen haben sich wohl sehr weit hergeholt angehört, oder schienen vielleicht nicht umsetzbar. Das waren Dinge wie z. B. die Umsetzung einer konstanten 3D-Umgebung, obwohl sich der Spieler nur horizontal darin fortbewegt, oder mein Wunsch nach sehr langen Filmsequenzen, die auch noch nahtlos in die Handlung eingebettet sein sollten, damit man auch beim Spielen noch in der Story bleibt. Ich glaube, diese Ideen waren anfangs nicht ganz einfach nachzuvollziehen.

Iwata:

Wenn wir bei Nintendo ein Spiel entwickeln, fangen wir normalerweise mit dem Spielsystem und den Features an, nicht etwa mit der Handlung oder der Präsentation der Spielwelt. Die Leute hatten bei diesem Projekt zuerst Schwierigkeiten, die Reihenfolge Ihrer Arbeitsschritte nachzuvollziehen, weil Sie gleich mit der Präsentation der Handlung anfangen wollten. Ist das so richtig?

Sakamoto:

Wahrscheinlich schon, ja. Deshalb gab es auch eine Phase, in der ich selber von diesem Ansatz abgekommen bin. Ich fragte mich: "Wie soll ich das nur in Form bringen?" Dann beschloss ich mich mal mit Team NINJA zu treffen, denn ich hatte Ninja Gaiden4 gespielt, und dieses Spiel hat meinen Eindruck von 3D-Spielen komplett verändert. 4Ninja Gaiden ist ein Ninja-Action-Adventure, das von Team NINJA entwickelt und von TECMO veröffentlicht wurde. Es erschien im März 2004 in Japan.

Iwata:

Wie hat sich denn Ihr Bild von 3D-Spielen geändert?

Sakamoto:

Obwohl es im Spiel hauptsächlich um Bewegung geht, ist die Steuerung einfach, und das Spielen war sehr entspannt. Ich dachte also, dass das Team, das so ein Spiel entwickelt hat, auch das Spiel umsetzen könnte, das ich im Kopf hatte.

Iwata:

Und wie war es, als Sie Mr. Hayashi dann tatsächlich getroffen haben?

Sakamoto:

Mein erster Gedanke war: "Der ist aber jung!"

Iwata:

(lacht) Sie sind wirklich noch recht jung, nicht wahr?

Hayashi:

Ich bin zwanzig Jahre jünger als Mr. Sakamoto.

Sakamoto:

Er ist vielleicht zwanzig Jahre jünger als ich, aber als ich ihn getroffen und mit ihm gesprochen habe, wirkte er wie ein erfahrener Videospielentwickler der alten Schule. Ich merkte, dass er immer die Position des Spielers übernahm und ernsthaft darüber nachdachte, wie man das Spielerlebnis noch amüsanter gestalten könnte.

Iwata:

Und Mr. Hayashi? Wie fanden Sie es, Mr. Sakamoto zu treffen?

Hayashi:

Ganz am Anfang sagte Mr. Sakamoto direkt: "Ich möchte ein Metroid-Spiel entwickeln, das man mit nur einer Wii-Fernbedienung spielen kann." Da war mir noch nicht ganz klar, was er damit meinte.

Iwata:

Dass Sie überhaupt für die Entwicklung eines Metroid-Spiels rekrutiert wurden, muss Sie doch schon sehr überrascht haben, Mr. Hayashi. Aber als Sie dann auch noch hörten: "Ich will, dass man es mit nur einer Wii-Fernbedienung spielen kann"... Das hat für Sie doch bestimmt erstmal gar keinen Sinn gemacht.

Iwata Asks
Hayashi:

Stimmt. Aber dann habe ich mir in Ruhe angehört, was Mr. Sakamoto zu sagen hatte, und mir wurde klar, dass er ein Action-Spiel entwickeln wollte, das moderne Spieler ansprechen und eine unkomplizierte Steuerung haben sollte.Wir haben schon immer Action-Spiele entwickelt, aber wir denken zwangsläufig über Spieldesigns nach, bei denen jeder verfügbare Knopf benutzt wird. Der Spieler hat so natürlich mehr Möglichkeiten, aber die Spielsteuerung neigt dann auch dazu, immer komplizierter zu werden.Mr. Sakamoto wollte die Steuerung aber so einfach wie bei einem NES-Spiel gestalten. Also fragte ich Mr. Sakamoto: "Das wird also ein NES-Spiel mit moderner Technologie, richtig?" Und er antwortete: "Ganz genau, so ist es."

Sakamoto:

Mr. Hayashi hat fast sofort verstanden, was ich gemeint habe. Außerdem war er schon sehr vertraut mit Samus und den Metroid-Spielen. Ich dachte also, dass Samus bei ihm schon gut aufgehoben sein würde.

Hayashi:

Natürlich haben außer mir auch viele andere Team NINJA-Mitglieder die 2D-Action-Metroid-Spiele gespielt, als sie ursprünglich erschienen sind, deswegen konnten sie auch schnell mit einsteigen. Selbst als wir über die genauen Spielspezifikationen gesprochen haben, konnten wir relativ einfach Ideen austauschen. Außerdem hatten wir verschiedene Ziele, oder Philosophien, wie wir als Action-Spiele-Entwickler an Metroid herangehen wollten. Deshalb war die Entwicklung eines 'NES-Spiels mit moderner Technologie' im Metroid-Stil sehr interessant für uns, und wir sahen das Projekt als tolle Gelegenheit.

Iwata:

Sie hielten Mr. Sakamotos Idee also nicht für zu abgehoben, Mr. Hayashi?

Hayashi:

Nein, den Gedanken hatte ich überhaupt nicht.

Iwata:

Alles klar. Ich habe auch einige Fragen an Mr. Kitaura. Was dachten Sie, als man Sie zum ersten Mal fragte, ob Sie bei der Entwicklung eines Nintendo-Software-Titels mitwirken wollen?

Kitaura:

"Hä? Macht ihr Witze?!" - so was in die Richtung.

Alle:

(lachen)

Sakamoto:

Als ich Mr. Kitaura zum ersten Mal getroffen habe, war er sehr verwundert und fragte mich: "Warum wollen Sie denn mit uns zusammenarbeiten?!" (lacht)

Iwata:

Für Sie war die Kombination von Nintendo und TECMO also sehr unerwartet, Mr. Kitaura?

Kitaura:

Ja, weil ich von beiden Firmen ein komplett gegensätzliches Bild hatte. Deshalb schien es mir merkwürdig, als ich mir diese 'Metroid: Other M'-Situation vorgestellt habe. Mein Gedanke war damals: "Das ist einfach zuviel..."

Iwata:

Was fanden Sie denn daran zuviel?

Kitaura:

Das war natürlich einfach erstmal zu viel Material. Außerdem haben wir vor diesem Projekt immer an hochwertigen Videosequenzen gearbeitet, die nicht wirklich etwas mit Videospielen zu tun hatten. Aber bei diesem Projekt sollten die Teile des Spiels, die der Spieler kontrolliert, dieselbe Qualität haben wie die Filmsequenzen, damit sie nahtlos ineinander übergehen. Außerdem sagte Mr. Sakamoto: "In diesem Spiel will ich die Emotionen einer Frau namens Samus transportieren." So wie wir bisher gearbeitet hatten, wäre es unmöglich gewesen, die Welt aus der Sicht einer Frau darzustellen. Daher haben wir die Arbeit an Werbespots fast komplett eingestellt, was ja eigentlich unser Hauptarbeitsfeld war, und beschlossen, uns nur auf dieses Projekt zu konzentrieren. Man könnte also sagen, dass ich auch "eingetaucht" bin - genau wie Mr. Sakamoto (lacht).