4. Der Go-Go Track

Iwata:

Jetzt möchte ich Sie gern zu Ihren persönlichen Spezialitäten – Programmierung und Musik – befragen. Mr. Shiraiwa, mit welcher Herausforderung sahen Sie sich beim Programmieren konfrontiert?

Shiraiwa:

60 Frames pro Sekunde (FPS) zu erreichen.16 Und für das Nintendo 3DS-System waren zwei Bilder, eines für das rechte und eines für das linke Auge, erforderlich. 16 60 Frames pro Sekunde: Animation mit 60 Image Frames pro Sekunde. Je mehr Frames es gibt, desto flüssiger wirkt die Animation.

Iwata:

Sie müssen zwei Bilder machen.

Shiraiwa:

Darüber hinaus gibt es noch den unteren Bildschirm. Also haben wir tatsächlich drei. Das allein machte die Aufgabe schon schwerer als jemals zuvor. Aber auch die Hardware war neu, und die Planer sagten immer wieder: „Wir wollen noch mehr Charaktere einbauen.“ Und die Designer sagten: „Wir möchten die Grafik verbessern.“ Für uns war das das erste Mal, dass wir mit der Hardware umgehen mussten. Hier das richtige Gleichgewicht zu finden, war furchtbar schwierig. Und zum ersten Mal mussten acht Nintendo 3DS-Systeme verbunden werden. Daher mussten wir eine Reihe von Dingen ausprobieren, um herauszufinden, wie viel Verarbeitungskapazität notwendig war.

Iwata Asks
Yabuki:

Trotzdem konnten wir weiter auf unsere Ziele hinarbeiten, ohne dabei die anderen, wie 3D, 60 FPS und Acht-Spieler-Kämpfe, aus den Augen zu verlieren.

Iwata:

Die Prioritätensetzung bei Ihren Zielen war klar. Daher konnten Sie letzten Endes ein gutes Gleichgewicht finden.

Shiraiwa:

Das stimmt. Als alle möglichen Ideen aufkamen, arbeiteten wir weiter und stellten uns der Frage: „Können wir all das bei 60 FPS umsetzen?“

Iwata:

Ob das Spiel bei 60 FPS läuft, hat einen großen Einfluss auf den Eindruck, den es beim Spielen macht.

Shiraiwa:

Seit dem Nintendo GameCube System habe ich an der Mario Kart-Serie gearbeitet, aber es war schon schwierig, alles in 60 FPS unterzubringen. Es ist zwar niemand sonst meiner Meinung, aber bei 60 FPS strahlen die Bilder mehr.

Iwata:

Sie bewegen sich tatsächlich viel lebendiger.

Shiraiwa:

So als würde der Bildschirm erstrahlen. Er leuchtet.

Alle:

(lachen)

Iwata:

Ich weiß, dass er nicht wirklich strahlt, aber es sieht so aus, als würde er anders strahlen. (lacht)

Shiraiwa:

Ja. (lacht) Vielleicht freue ich mich nur, dass mir das bei 60 FPS gelungen ist. Bei 30 FPS hätte der Bildschirm vielleicht schwarz ausgesehen!

Iwata:

Es ist doch seltsam, dass Sie als Programmierer so unwissenschaftlich daher reden. (lacht) Vielleicht ist das jetzt sehr subjektiv, aber zweifellos macht es einen vollkommen anderen Eindruck. Während wir an den 60 FPS festhielten, sagten manche, sie wollten die Grafik verbessern. Wie gingen Sie mit derart widersprüchlichen Forderungen um?

Shiraiwa:

Mir hat mal jemand, der an der Mario Kart-Serie arbeitete, von einer alten Methode erzählt. Er sagte, wenn man erst einmal etwas bei 60 FPS erstellt hat, sollte man an seiner Programmierung feilen, um diesen Wert nicht zu überschreiten.

Iwata:

Also halten Sie während der Entwicklung an 60 FPS fest.

Shiraiwa:

Genau. Ich habe unmögliche Anforderungen an Mr. (Masayoshi) Ishikawa gestellt.17 Er sagte: „Ich möchte gern wunderschöne Charaktermodelle erstellen und dabei alle möglichen Gesichtsausdrücke ausprobieren”, worauf ich entgegnete: „Zuerst einmal müssen die Acht-Personen-Rennen bei 60 FPS zum Laufen gebracht werden.” Dann machten wir alle möglichen Experimente, um herauszufinden, welche Arten von Gesichtsausdrücken möglich waren. Ungefähr zur Mitte der Entwicklung hin nahmen wir ziemlich viele Anpassungen an den von Retro Studios erstellten Rennstrecken vor. Besonders bei

Video: Wuhu Island

Jetzt möchte ich Sie gern zu Ihren persönlichen Spezialitäten – Programmierung und Musik – befragen. Mr. Shiraiwa, mit welcher Herausforderung sahen Sie sich beim Programmieren konfrontiert?
Wuhu Island 18 waren sehr viele Anpassungen nötig, weil die Insel, die uns als Basis diente, so groß war. 17 Masayoshi Ishikawa: Softwareentwicklungsabteilung, Bereich Entertainment Analysis & Development, Nintendo. Er war der leitende Grafiker für die Charaktere und Karts bei Mario Kart 7. 18 Wuhu Island: Der Schauplatz von Wii Sports Resort.

Iwata:

Normalerweise fährt man drei Runden, bevor man das Ziel erreicht. Aber bei Wuhu Island erreichte man das Ziel schon nach einer Runde. Und hätte man dies nicht richtig bearbeitet, hätte man bei der Fülle an Landschaftsdaten die 60 FPS nicht halten können.

Shiraiwa:

Auch in grafischer Hinsicht ist diese Rennstrecke sehr belebt, so dass die Bearbeitung wirklich schwer war. Zu dieser Zeit unternahm Mr. Morimoto eine Geschäftsreise zu Retro Studios. Dort wurden die Grafiken angepasst, und gleichzeitig überarbeiteten wir hier die Programmierung. Mr. Konno war sehr besorgt und fragte fast jeden Tag: „Machen wir Fortschritte?“ (lacht)

Konno:

Das kam daher, weil ich den Vorschlag gemacht hatte, Wuhu Island einzubauen. Am Ende freute ich mich, dass es funktionierte.

Iwata:

Es ist wirklich gut, dass wir Wuhu Island im Spiel haben! (lacht) Jetzt zu Mr. Nagata. Was gibt es zu der Musik von Mario Kart zu sagen? Worauf lag hier Ihr Augenmerk?

Nagata:

Ich achte jedes Mal auf den Sound der Motoren. Mir ist auch wichtig, dass sich die Hintergrundmusik nicht einfach nach der Musik eines Rennspiels anhört. So als würde Marios Blut durch Mario Kart fließen. Zum Glück hat den Fans die Musik aus den früheren Mario Kart-Spielen immer gefallen. Daher habe ich auch dieses Mal versucht, die Musik möglichst einprägsam zu machen.

Iwata Asks
Iwata:

Hat das bei der Mario Kart-Serie auch Tradition?

Nagata:

Nun, niemand hat mich dazu aufgefordert, aber…

Iwata:

Es war nicht so wie bei den Programmierern, die das Spiel bei 60 FPS zum Laufen bringen mussten.

Nagata:

Richtig. So etwas gab es nicht, aber ich hatte da diese Idee.

Yabuki:

Sie haben schon seit Mario Kart 64 Mario Kart-Spiele gemacht.19 19 Mario Kart 64: Ein Action-Rennspiel, das in Japan im Dezember 1996 für das Nintendo 64-System veröffentlicht wurde.

Nagata:

Genau. Mario Kart 64 war mein erstes Projekt, als ich neu anfing. Anschließend half ich bei Mario Kart: Double Dash!!, das zu meinem dritten Spiel aus der Serie wurde. Und nach 15 Jahren war das sozusagen meine Chance auf Rache. Wir brauchten Musik für die klassischen Rennstrecken. Also kramte ich noch einmal die alten Daten heraus. Schon damals war mir deren Anblick etwas peinlich. (lacht)

Iwata:

Also erhielten Sie die Atmosphäre der alten Hintergrundmusik, polierten diese aber heimlich auf.

Nagata:

Genau das haben wir gemacht – unsere Erinnerung überarbeitet.

Iwata:

Aber, wie Mr. Nagata sagt, gibt es bei diesem Spiel alle möglichen Reaktionen, nicht nur auf das Rennen. Daher, denke ich, kommt auch dem Sound eine große Bedeutung zu.

Nagata:

Im Hinblick auf die neuen Elemente – in der Luft und unter Wasser – wollte ich etwas mit dem Sound machen. Ich wollte, dass die Leute in den Genuss einer sich verändernden Hintergrundmusik kommen.

Iwata:

Hoch oben in der Luft können Sie den Wind rauschen hören.

Nagata:

Ja. Das wollte ich gern besonders hervorheben. An manchen Stellen hören Sie Vogelgezwitscher.

Iwata:

Unter Wasser hört man Geräusche, so als würde man sich unter Wasser bewegen. Das hört sich so natürlich an, dass man nicht denken würde, dass hier etwas vorgenommen wurde, wenn man nicht genau den Blick darauf lenkt. Wirklich erstaunlich, dass nichts unnatürlich wirkt.

Nagata:

Gemeinsam mit den Sound-Programmierern habe ich viele Einstellungen vorgenommen, aber diese wirken so natürlich, dass man sie fast nicht bemerkt! (lacht) Aber ich finde das ganz positiv.

Konno:

Eine weitere einfache Sache ist, dass die Hintergrundmusik allmählich lebendiger wird, wenn man die Spitze erreicht. Ungefähr so: Zoon-Chaka Zoon-Chaka! Wir nennen das den “Go-Go-Track.” (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Den hören Sie, wenn Sie an der Spitze fahren?

Konno:

Ja. Der Groove nimmt zu, so dass einem ganz natürlich vermittelt wird, dass man an erster Position ist.

Iwata:

Oh, deshalb bin ich so freudig erregt, wenn ich an der Spitze fahre - ganz anders als bei den vorigen Mario Kart-Spielen. Die Hintergrundmusik ist lebendiger geworden. Auch das ist mir gar nicht aufgefallen!

Konno:

Weil sie so natürlich klingt. Ich glaube, sogar ein paar Team-Mitgliedern ist das nicht aufgefallen! (lacht)

Nagata:

Die Musik von Mario Kart Wii veränderte sich, wenn man unter Wasser abtauchte. Um das dieses Mal nachzubilden, bauten wir eine Methode ein, nach der sich die Musik veränderte. Wir wollten diese für etwas anderes verwenden und die Person an der Spitze ermutigen. Und dazu wählten wir diesen günstigen Nebeneffekt. Wenn der Fahrer an der zweiten Position anfängt, aufzuholen, verklingt der „Go-Go-Track“ allmählich. Mit anderen Worten kann man so den Abstand abschätzen, ohne dabei auf den unteren Bildschirm gucken zu müssen.

Yabuki:

Und wenn man von einem Panzer getroffen wird, hört der „Go-Go-Track“ abrupt auf. Dann ist die Enttäuschung doppelt so groß. Das ist noch ein weiterer Effekt! (lacht)