4. Überraschung, Spaß und Wärme

Iwata:

Nun lassen Sie uns mit dem zweiten Teil des heutigen Gesprächs beginnen. Ich habe Sie, wie Sie jetzt alle vier vor mir aufgereiht sind, während meiner Zeit bei HAL Laboratory kennengelernt, so dass Sie sich mir nicht vorstellen müssen. Aber das gilt natürlich nicht für die Leute auf der ganzen Welt. Also bitte ich Sie trotzdem, sich vorzustellen und kurz zu erzählen, was Ihre Funktion ist. Fangen wir mit Ihnen, Mr. Yamamoto, an.

Yamamoto:

Ich bin Yamamoto von HAL Laboratory. Ich arbeite in einer Abteilung, die wir Abteilung für Charakter-Produktion nennen. Ich bin für Dinge wie die Kirby-Spielwelt und die allgemeine Produktion der Entwicklung verantwortlich.

Iwata Asks
Ishikawa:

Ich bin Ishikawa von HAL Laboratory. Ich bin für den Sound verantwortlich. Ich mache also die Musik und die Soundeffekte.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Ishikawa spielte eine zentrale Rolle bei der Erstellung der Musik, die jedem aus dem Original-Kirby-Spiel bekannt ist. Man kann daher sagen, dass er den Original-Kirby-Sound erschaffen hat.

Ishikawa:

Ja.

Ando:

Ich bin Ando von HAL Laboratory und habe auch am Sound gearbeitet. Normalerweise arbeite ich an der Hintergrundmusik und den Soundeffekten von Videospielen.

Iwata Asks
Iwata:

Sie waren für den Sound bei Kirby’s Adventure 7, dem zweiten Spiel aus der Kirby-Serie, verantwortlich, nicht wahr? 7 Kirby’s Adventure: Ein Action-Spiel, das im September 1993 für das NES System veröffentlicht wurde. Es ist das zweite Spiel der Kirby-Serie.

Ando:

Ja, das stimmt.

Ikegami:

Ich bin Ikegami von HAL Laboratory. Ursprünglich habe ich am Sound gearbeitet, aber heute arbeite ich fast ausschließlich als Manager.

Iwata Asks
Iwata:

Vielen Dank. Nun … Was haben Sie gedacht, als Sie zum Projekt hinzustießen und aus Fluff’s Epic Yarn Kirby und das magische Garn wurde? Mr. Yamamoto, können Sie bitte anfangen? Zusätzlich zu Ihrer Arbeit innerhalb der Abteilung für Charakter-Produktion bei HAL gehören Sie auch noch zu Warpstar Inc. Können Sie bitte erklären, womit sich diese Firma beschäftigt?

Yamamoto:

Gern. Als es an der Zeit war, mit der Animation für Kirby: Right Back at Ya!8 zu beginnen, erkannte man die Notwendigkeit, ein Organ zu bilden, das das Management des Kirby-Charakters übernahm. Daher wurde Warpstar im Jahr 2001 von Nintendo und HAL Laboratory gegründet. 8 Kirby: Right Back at Ya!: Eine Zeichentrickserie, die von Oktober 2001 bis September 2003 auf TBS Network ausgestrahlt wurde. Anzahl der Folgen: 100 .

Iwata:

Die Zeichentrickserie wird zwar nicht mehr (in Japan) ausgestrahlt, aber Warpstar ist nach wie vor für das Management des Kirby-Charakters zuständig.

Yamamoto:

Das stimmt. Die Abteilung für Charakter-Produktion von HAL Laboratory und Warpstar haben jeweils unterschiedliche Bereiche von Kirby und das magische Garn betreut.

Iwata:

Was war Ihre erste Reaktion, als Sie von Kirby und das magische Garn erfuhren?

Iwata Asks
Yamamoto:

Zuerst ließ ich mir das teilweise entwickelte Spiel ohne Kirby zeigen, und es war wirklich gut gemacht. Ich war überrascht, dass wir etwas übernehmen sollten, das schon so weit entwickelt war, um daraus ein Kirby-Spiel zu machen.

Iwata:

Dachten Sie, wir wollten daraus etwas Schreckliches machen?

Yamamoto:

Das allgemeine Drum und Dran war schon ziemlich weit gefestigt, also dachte ich, dass einige im Team enttäuscht sein könnten. Dies kam daher, dass ich mich an meine Arbeit bei Pokémon Snap 9 im Jahre 1995 erinnerte. 9 Pokémon Snap: Ein Kamera-Action-Spiel, das für das Nintendo 64-System im September 2000 veröffentlicht wurde.

Iwata:

Ursprünglich war Pokémon Snap für das Nintendo 64 gar kein Pokémon-Spiel, sondern eher ein ganz normales Spiel, mit dem man Fotos machen konnte. Aber die Motivation, dieses Spiel zu spielen, war nicht ganz klar. Wir fragten uns, wovon die Spieler gern Bilder machen würden. Und später veränderten wir das Spiel gezwungenermaßen dahingehend, dass man Bilder von Pokémon machte.

Yamamoto:

Ich arbeitete damals als Designer. Und wenn andere Charaktere als die von mir entworfenen eingesetzt wurden, war ich schon leicht negativ eingestellt. Aber aus Ihrem Interview mit Good-Feel, das ich gerade mit angehört habe, habe ich erfahren, dass Sie sich schon zu Beginn der Entwicklungsphase etwas orientierungslos fühlten. Und das war auch bei uns vorher der Fall gewesen. Damals wurde uns durch die Übernahme der Pokémon-Welt erst klar, was wir tun sollten und in welche Richtung wir das Projekt entwickeln sollten. Allmählich fand ich Gefallen an Pokémon, und das hat uns gerettet. Während ich dieses Mal genau nachvollziehen konnte, wie sich jeder bei Good-Feel fühlte, fing ich an, darüber nachzudenken, wie ich ihnen Kirby ans Herz legen konnte.

Iwata:

Aber wenngleich Sie Good-Feel Kirby ans Herz legen wollten, müssen Sie doch aufgrund der Aufgabe der Charakter-Produktionsabteilung, das intellektuelle Eigentum zu schützen, ein paar sehr strenge Forderungen gestellt haben.

Yamamoto:

Ja. Es fehlen nur noch ein paar Jahre, bis es 20 Jahre her ist, dass Kirby zum ersten Mal erschien. Diese Serie wurde nach den Vorstellungen vieler verschiedener Entwickler konzipiert. Daher kann man die Welt der Kirby-Spiele auch nur schwer mit knappen Worten definieren. Einige Dinge haben sich mit der Zeit verändert, wohingegen andere unverändert bleiben mussten. Immer wenn wir auf Schwierigkeiten stoßen, besinnen wir uns auf die Leitmotive Überraschung, Spaß und Wärme.

Iwata:

Wie lief die Arbeit bei Kirby und das magische Garn?

Yamamoto:

Als ich mir zum ersten Mal die Grafiken ansah, konnte ich schon die Wärme spüren. Und alles, was übrig blieb, war Überraschung und Spaß. Das Garn hat ein immenses Potenzial zur Erzeugung von Überraschungsmechanismen. Und wir haben schon darüber gesprochen, wie viel Spaß dieses Spiel macht, so dass wir die Entwicklung eigentlich relativ leicht fortführen konnten.

Iwata Asks
Iwata:

Aber die Grafiken unterscheiden sich komplett von denen der vorigen Spiele der Kirby-Serie. Was hielten Sie davon, Kirby aus Garn zu machen?

Yamamoto:

In der Vergangenheit hatten wir Kirby zuerst mithilfe von Pixeln und anschließend mit Polygonen dargestellt. Wir haben ihn sogar mithilfe von Zellanimation nachgebildet, so dass ich eigentlich nach einer neuen Darstellungsform suchte. Daher war ich dankbar, als ich von dem Angebot mit der Garnwelt hörte.

Iwata:

Was dachten die anderen bei HAL Laboratory?

Yamamoto:

Zunächst dachte ich, dass einige von HAL dagegen wären, dass ein Kirby-Spiel von einer anderen Firma gemacht würde. Aber meine Bedenken waren unbegründet. Jeder sagte: „Das ist großartig.“ Also nehme ich an, dass die Reaktion wirklich gut war.

Iwata:

Vielleicht sollte ich auch das Soundteam nach seinem ersten Eindruck fragen. Mr. Ikegami, was dachten Sie, als Sie zum ersten Mal die Grafiken sahen?

Ikegami:

Als ich sie zum ersten Mal sah, dachte ich, dass sie perfekt zu Kirby passten. Ich glaube, es gibt hier ein großes Potenzial, diesen Stil auch auf andere Serien anzuwenden. Man könnte zum Beispiel ein Spiel mit dem Titel Mario und das magische Garn machen. Das zeigt, wie gut die Grundlagen meiner Meinung nach sind. Ich freute mich wirklich darüber, dass Kirby unter all den anderen zur Verfügung stehenden Charakteren ausgewählt worden war.

Iwata:

Sie freuten sich, dass die Idee mit der Garnwelt nicht schon auf einen anderen Charakter angewandt worden war.

Ikegami:

Genau! (lacht) Aber gleichzeitig dachte ich auch: “Ach, Mann!”; weil ich selbst ein Schöpfer bin, folgte auf meine anfängliche Freude der Neid, dass wir nicht als erste auf diese Idee gekommen waren.

Iwata Asks
Iwata:

Genau, dieses Gefühl von „Ach, Mann!“ ist ganz wichtig. Insbesondere für Leute, die kreativ tätig sind.

Ikegami:

Als Schöpfer empfand ich vielleicht Neid, aber gleichzeitig war ich auch unglaublich dankbar dafür, an diesem Projekt mitarbeiten zu dürfen.

Iwata:

Mr. Ando, was war Ihr erster Eindruck, als Sie das Spiel zum ersten Mal sahen?

Ando:

Ich habe mich auch sehr gefreut, an diesem Projekt mitarbeiten zu dürfen. Die Grafiken haben mich wirklich beeindruckt. Im Allgemeinen haben sich die Grafiken zu größerem Realismus hin entwickelt. Die meisten Spieler erwarten das inzwischen. Vielleicht bietet auch diese Richtung eine Überraschung …

Iwata:

Das ist nicht so überraschend.

Ando:

Richtig. Aber die Garnwelt überrascht. Das hat mich sehr beeindruckt. Und das Gleiche gilt für den Sound. Mit der Weiterentwicklung der Spielkonsolen ist auch die Spielmusik immer anspruchsvoller geworden. Aber das wird schon von den Spielern erwartet. Also dachte ich, dass wir im Hinblick auf die Grafiken von Kirby und das magische Garn einen überraschenden Sound kreieren mussten, der die Erwartungen der Spieler übertraf.

Iwata:

Sie hatten also als Sounddesigner das Gefühl, die Grafiken hätten Sie vor eine Herausforderung gestellt.

Ando:

Ja. Wie wir angesprochen haben, ist eines der Leitmotive der Kirby-Serie die Überraschung, also etwas, das völlig konträr zu den Erwartungen von Spielern ist. Nichtsdestotrotz überrascht es, etwas völlig Unerwartetes zu schaffen, aber …

Iwata:

Die Spieler wären auch ein bisschen sprachlos. (lacht)

Ando:

Genau. Sie würden sagen: „Was hat das mit Kirby zu tun?“ Unsere Aufgabe ist es, genau die richtige Überraschung zu finden.