4. Ein Team erweckt Mutterinstinkte

Iwata:

Ms. Hattori, wie intensiv haben Sie die Kirby-Reihe denn vor Ihrer Beteiligung gespielt?

Hattori:

Ich hatte das erste "Kirby’s Dream Land" 13 gespielt, "Kirby’s Adventure" und "Kirby Super Star Ultra". Das sind die drei Teile der Hauptreihe, die ich gespielt habe. 13 Kirby’s Dream Land: Ein Action-Spiel, das in Japan im April 1992 für das Game Boy-System veröffentlicht wurde. Es war das erste Spiel der Reihe.

Iwata:

Was hielten Sie für die Essenz der Kirby-Spiele, als Sie zum Projekt gekommen sind?

Hattori:

Das ist schwer zu sagen. Ich habe dazu viele Leute befragt, aber jeder sagte etwas anderes.

Iwata:

Ich weiß. Das ist so unterschiedlich wie bei "The Legend of Zelda" und "Super Mario Bros." Aber alle denken, sie hätten die wahre Essenz der Kirby-Spiele erkannt! (lacht)

Kawase:

Viele haben dazu sehr klare Meinungen.

Iwata:

Ich finde, dass Kirby vieles umfasst. Schließlich kann er so gut wie alles einsaugen. Da kriegt man also alles unter! (lacht)

Hattori:

Das sehe ich auch so! Er sieht immer anders aus und kann immer verschiedene Dinge, und das ist seine wichtigste Eigenschaft. Andererseits muss er sich eigentlich nicht verändern und kommt auch gut vorwärts, wenn er seinen Gegnern einfach davonläuft. Diese Flexibilität ist ein wichtiges Element bei Kirby. Ich finde: "Alles ist möglich!" beschreibt Kirby sehr treffend. Ich finde, was immer wir auch hinzufügen oder rausnehmen, Kirby ist einfach Kirby; deshalb bestehe ich auch nicht auf ein bestimmtes Detail. Jeder hat für sich mit der eigenen Meinung Recht, deswegen finde ich, dass die Essenz von Kirby die Unbestimmtheit ist, die andererseits aber immer bestehen bleibt.

Iwata Asks
Iwata:

Was denken Sie, Mr. Kawase?

Kawase:

In Spielen wie "Kirby’s Dream Course" 14, "Kirby Tilt 'n' Tumble" 15 und "Kirby Mass Attack" 16 kann Kirby - abhängig von den Spielmaterialien - alles tun. Ich finde, die Essenz von Kirby ist, dass der Spieler sich jederzeit in eine beliebige Form verwandeln kann. 14 Kirby’s Dream Course: Ein Action-Spiel, das in Japan im September 1994 für das Super Famicom-System veröffentlicht wurde. 15 Kirby’s Tilt ’n’ Tumble: Ein Action-Spiel, das in Japan im August 2000 für das Game Boy Color-System veröffentlicht wurde. 16 Kirby Mass Attack: Ein Gruppen-Action-Spiel, das in Japan im August 2011 für das Nintendo DS-System veröffentlicht wurde.

Iwata Asks
Iwata:

Und Sie, Mr. Kumazaki?

Kumazaki:

Auf den ersten Blick wirken die Spiele sehr zugänglich und sprechen alle möglichen Leute an, aber die Action kann wirklich sehr rasant werden. Viele Leute fühlen sich davon angesprochen, wie niedlich und lustig die Kirby-Spiele aussehen, aber die Action ist immer überraschend, die Spielwelt hat Tiefgang und die Entwicklungen sind sehr spannend. Ich denke, die Essenz von Kirby liegt in seiner großen Popularität und darin, dass Erwachsene und Kinder die Spieltiefe erleben und Spaß daran haben können. Wenn wir ein Spiel entwickeln, achten wir sehr darauf, dass die Spieler in der ersten Hälfte langsam mit allem vertraut gemacht werden, und sorgen dann in der zweiten Hälfte für Hochspannung.

Iwata Asks
Iwata:

Was sagen Sie, Mr. Nakano?

Nakano:

Das ist jetzt nicht unbedingt "Entwicklersprache", aber für mich geht es bei Kirby einfach um totalen Spaß! Das Gefühl hatte ich schon als Kind, wenn ich Kirby gespielt habe. Man war immer überrascht, und die Fantasie wurde angeregt. Ich dachte immer: "Was ist das denn?!" oder "Das kann Kirby also auch?!" Während man spielt, wird man immer fröhlicher. Und das ist für mich die Essenz von Kirby.

Iwata Asks
Iwata:

Ja, Sie haben schon Recht, das ist wirklich keine "Entwicklersprache". (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Was denken Sie, Mr. Kamitake?

Kamitake:

Wie Ms. Hattori finde ich auch, dass es bei Kirby darum geht, dass alles möglich ist. Es gibt einfachere Spielelemente für die jüngeren Kinder und viele lustige Elemente für Hardcore-Zocker wie mich.

Iwata Asks
Iwata:

Den Leuten, die schwierige Spiele meistern, macht es ja trotzdem Spaß, die vergleichsweise relativ einfachen Kirby-Spiele durchzuspielen. Es muss also ein Element geben, das dafür sorgt, dass alle Spieler - unabhängig von ihren Fähigkeiten - genügend Freiheit und Abwechslung im Spiel haben.

Kamitake:

Ja. Man kann die Level auf viele verschiedene Arten abschließen. Die Entwickler haben zwar eine bestimmte Lösung im Sinn, aber uns im Team macht es auch immer viel Spaß, wenn jemand sagt: "Wussten Sie schon, dass das auch so geht?" Ein weiterer Faktor ist die große Variabilität der Kopier-Fähigkeit.

Iwata:

Wie sehen Sie das, Mr. Yamagami?

Yamagami:

Vor ungefähr 15 Jahren habe ich an "Kirby’s Block Ball" 17 gearbeitet, aber bei HAL Laboratory sagte man am Anfang noch, dass das Spiel nicht typisch genug für Kirby sei. Am Ende haben wir deshalb ungefähr ein halbes Jahr in eine massive Überarbeitung investiert. Ich erhielt genaue Anweisungen zu jedem Aspekt von Kirbys Bewegungen. 17 Kirby’s Block Ball: Ein Action-Spiel für das Game Boy-System, das in Japan im Dezember 1995 veröffentlicht wurde.

Iwata:

Ja, ich erinnere mich.

Yamagami:

Da wurde mir klar, wie wichtig es ist, dass man jeder einzelnen Bewegung große Aufmerksamkeit schenkt, wenn man einen beliebten Charakter umsetzt. Während der Entwicklung fiel mir daher diesmal besonders auf, dass zwar alles möglich ist, aber dass trotzdem alle Bewegungen von Kirby sehr präzise waren. Dieses Gleichgewicht zwischen disziplinierter Kreativität und hoher Entscheidungsfreiheit beim Spielen ist meiner Meinung nach die Essenz von Kirby.

Iwata Asks
Hattori:

Ihre Begeisterung für Kirby ist wirklich sehr groß. Einmal ist bei einem Meeting etwas Überraschendes passiert. Mr. Kumazaki sagte: "Ich kann es kaum erwarten, bis Wochenende ist." Ich dachte, der Grund dafür sei, weil die Arbeit so hart war; aber im Gegenteil, der Grund dafür war, dass er dann seine eigenen Spielelemente umsetzen konnte.

Iwata:

Hm?! (lacht)

Kumazaki:

Das ist wahr! Während der Woche war ich so ausgelastet mit der Leitung und Koordination, dass ich gar nicht an meinen eigenen Elementen arbeiten konnte.

Iwata:

Sie waren jeden Tag damit beschäftigt, die Rolle des Supervisors zu erfüllen, und konnten deshalb gar nicht über neue Spielelemente nachdenken.

Kumazaki:

Richtig. Aber an den Wochenenden waren weniger Teammitglieder da, deshalb hatte ich auch Zeit für mich und um mir neue Elemente auszudenken. Der Programmierer, der mit mir am letzten Endgegner in "Kirby: Power-Malpinsel" gearbeitet hat, ist auch am Wochenende oft in der Firma. Ich sagte zu ihm: "Versuchen Sie mal, so etwas umzusetzen", und das hat er dann vor meinen Augen getan. Ich bin am Wochenende gerne zur Arbeit gegangen, weil ich wusste, dass dieser Programmierer da sein würde.

Iwata:

Dann waren die anderen bestimmt überrascht, wenn sie Anfang der Woche wieder zur Arbeit gekommen sind.

Nakano:

Also ... das war eigentlich schon normal für uns.

Iwata:

Oh, Sie waren also nicht mehr überrascht? (lacht)

Nakano:

Wir sagten: "Das können wir dann ja ruhig auch noch mit reinnehmen.” (lacht)

Alle:

(lachen laut)

Kamitake:

Es gab Elemente, an deren Entwicklung ich mich gar nicht erinnern konnte, also fragte ich immer: "Wie haben Sie das denn gemacht?" Er hat anscheinend oft einfach bereits bestehende Elemente neu zusammengefügt.

Iwata:

Hören Sie, was der leitende Programmierer und der leitende Designer da sagen? (lacht)

Kumazaki:

Tja. (lacht) Es war einfach schon so viel fertig, dass das eben möglich war. Ein gutes Beispiel ist Kirbys . Er saugt nicht nur einfach große Gegner oder mehrere Objekte ein, sondern auch die Mitspieler, und spuckt sie dann wieder aus. Der Programmierer, von dem ich eben gesprochen habe, hatte diesen Vorschlag gemacht. Ich fand die Idee etwas riskant, aber er war eigentlich schon fertig, als er mir sagte: "Hier, das habe ich mir überlegt. Wie finden Sie das?”

Iwata:

Oh!

Kumazaki:

Wir haben viele Programmierer und Designer, die so arbeiten. Wenn ich am Wochenende in die Firma gekommen bin, waren oft eine Menge Mitarbeiter da. Wir stürzten uns mit Begeisterung in die Entwicklung neuer Elemente und hatten viel Spaß an dem Projekt. Ich habe mich besonders auf die längeren Urlaubszeiten wie die "Goldene Woche" und "Obon" gefreut, weil ich mich da richtig auf die Arbeit konzentrieren konnte! (lacht)

Yamagami:

Die haben gearbeitet, als ob es das beste Wochenend-Hobby wäre!

Kumazaki:

Ja, einfach zum Spaß! (lacht)

Hattori:

Ich war an vielen Entwicklungsprojekten beteiligt, aber das war das erste Mal, dass ich sagen musste: "Bitte, überarbeiten Sie sich nicht!" Ich war ein bisschen wie die Mutter, die auf ihre Kinder aufpasst.

Iwata:

Das Projekt hat also Ihren Mutterinstinkt geweckt! (lacht)