4. Trainings voller Ideen

Iwata:

Als Nächstes würde ich Sie gerne über die Software zu Wii Fit befragen. Wenn man die Software einer normalen Waage erstellt, denkt man erst einmal: „Es wäre doch gut, wenn man auch das Körperfett messen könnte.“

Miyamoto:

Ehrlich gesagt, über das Körperfett haben wir uns ziemlich lange Gedanken gemacht, das Konzept aber am Ende verworfen. Als das Schlüsselwort Balance gefallen war, da konzentrierten wir uns voll auf die Implementierung dieses Konzepts.

Iwata:

Das Thema einer Software festlegen und sich dann darauf konzentrieren, das ist einer der Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung, nicht wahr? Die Möglichkeiten des Wii Balance Boards haben Sie in verschiedene Richtungen entwickelt und die Übungen in Balancespiele16, Aerobic17, Muskelübungen18 und Yoga19 unterteilt. Gab es diese Unterteilung von Anfang an? 16 Spiele, die dabei helfen sollen, den Gleichgewichtssinn zu verbessern. 17 Übungen, die die Verbrennung von Fett im Körper anregen sollen. 18 Übungen, die zur Stärkung einzelner Körperteile beitragen sollen. 19 Übungen, die dabei helfen sollen, die allgemeine Körperhaltung zu verbessern.

Miyamoto:

Am Anfang hatten wir nicht diese präzise Unterteilung. Während wir verschiedene Experimente durchführten, kamen wir zu dem Schluss, dass zunächst Spiele integriert werden müssten. Als Nächstes beschlossen wir, auch Yoga zu integrieren. Yoga war eigentlich ein eigenständiger Plan, etwas ganz anderes als Wii Fit. Bei unserer Planungskonferenz sagte ein Mitglied des Teams, Yoga ist doch gerade modern, wir sollten eine entsprechende Software entwerfen. Aber er wurde abgekanzelt, etwa so: „Nur weil etwas gerade modern ist, können wir nicht so einfach ein Produkt daraus machen. Die Idee an sich ist zwar gut, aber als Produkt wird das absolut nicht funktionieren!“Aber als wir Wii Fit zusammenstellten, da meinte ich, dass wir im Team unbedingt die Person brauchten, die die Idee mit dem Yoga hatte. (lacht) Eine Software wie Yoga macht erst Sinn, wenn man sie zusammen mit dem Wii Balance Board verwendet. Und am Ende war dieses Teammitglied nicht nur für Yoga verantwortlich, sondern arbeitete im gesamten Produktionsprozess mit.

Iwata Asks
Iwata:

Sie erziehen Ihre Mitarbeiter aber auch mit Zuckerbrot und Peitsche, nicht wahr? (lacht)

Miyamoto:

(lacht)Jedenfalls war Yoga damit als eine der Übungskategorien festgelegt, aber es war schwierig, ein Gleichgewicht mit den anderen drei Kategorien herzustellen. Zunächst einmal überlegten wir uns eine Menge Trainings, die mit dem Wii Balance Board möglich wären, und dann baten wir Matsui Kaoru, einen professionellen Trainer, die Ergebnisse zu bewerten und weniger effektive Übungen auszusortieren. Auf der anderen Seite sprach er natürlich auch Empfehlungen für wirkungsvolle Übungen aus, und so entschieden wir Schritt für Schritt, welche Trainings wir ins fertige Produkt aufnehmen würden.

Iwata:

Das ist ja fast genauso wie bei Gehirn-Jogging20! Da haben wir auch zunächst einmal viele Übungen erstellt, und Doktor Kawashima21 hat für uns bewertet, welche davon das Gehirn trainieren und welche keinen besonderen Effekt haben. Als wir dann „Mehr Gehirn-Jogging“ herstellten, hatten wir schon ein wenig Erfahrung und wussten bei der Entwicklung dementsprechend etwas mehr darüber, was wir zu tun hatten, um das Gehirn des Nutzers zu stimulieren. Deshalb hatten wir auch eine viel bessere Trefferquote, als die einzelnen Übungen bewertet wurden. Beim ersten Versuch hatte es allerdings einige Übungen gegeben, die wir gar nicht verwenden konnten. 20 Eine Software, die in Europa im Juni 2006 unter dem Namen „Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging: Wie fit ist Ihr Gehirn?“ für den Nintendo DS veröffentlicht wurde. Der Nachfolgetitel „Dr. Kawashima: Mehr Gehirn-Jogging: Wie fit ist Ihr Gehirn?“ für den Nintendo DS erschien in Europa im Juni 2007. 21 Dr. Ryota Kawashima aus Japan überwachte die Produktion der beiden Programme aus der Gehirn-Jogging-Serie.

Iwata Asks
Miyamoto:

Bei diesem Projekt war ich aufgrund meiner eigenen Erfahrung als Schwimmer und Besucher von Fitnessstudios fest davon überzeugt, dass wir Aerobic auf jeden Fall implementieren müssten. Beispielsweise war die Übung

Video: Basis-Step

Als Nächstes würde ich Sie gerne über die Software zu Wii Fit befragen. Wenn man die Software einer normalen Waage erstellt, denkt man erst einmal: „Es wäre doch gut, wenn man auch das Körperfett messen könnte.
Basis-Step am Anfang auch bei den Balancespielen zu finden – aber wir haben sie dann unter dem Menüpunkt Aerobic einsortiert. Auch die Übung Reifenwirbel haben wir unter Aerobic einsortiert. Als dann das Aerobic immer mehr eine konkrete Form annahm, habe ich zufällig gesehen, wie ein Mitarbeiter aus einem anderen Team an Wii Sports herumexperimentierte – als ich gerade dachte, im Menü fehlt noch das gewisse Etwas.

Iwata:

Und daraus wurde dann die Übung

Video: Freies Jogging

Als Nächstes würde ich Sie gerne über die Software zu Wii Fit befragen. Wenn man die Software einer normalen Waage erstellt, denkt man erst einmal: „Es wäre doch gut, wenn man auch das Körperfett messen könnte.
Freies Jogging , bei der man mit der Wii-Fernbedienung in der Tasche läuft, ja?

Miyamoto:

Genau. Ich dachte mir, diese Übung ist so, wie sie ist, interessant. Es war zu diesem Zeitpunkt ja auch noch gar nicht klar, ob wir ein „Wii Sports 2“ je veröffentlichen, deshalb konnte noch niemand sagen, ob diese Übung überhaupt je an die Öffentlichkeit käme, also habe ich den Director gerufen und ihm gesagt, diese Idee ist gut, und da es noch keine offizielle Ankündigung zu „Wii Sports 2“ gäbe, hätte ich diese Idee gerne für Wii Fit. (lacht)Danach habe ich dem Team von Wii Fit gesagt: „Es ist zwar jetzt schon ziemlich spät, aber diese Idee sollten wir integrieren.“ Und damit war das Menü für Aerobic komplett.

Iwata Asks
Iwata:

Wirklich ein Musterbeispiel dafür, wie man gute Ideen professionell verwendet!

Miyamoto:

Ja, und weil das Team von Wii Fit schon bis über beide Ohren in Arbeit steckte, habe ich dem Director von Wii Sports gesagt: „Den Programmierer könntest du mir gleich auch noch ausleihen!” (lacht)Eigentlich befanden wir uns schon in der Endphase der Entwicklung, aber dass wir solche Sachen machen können, ist einer der großen Vorteile von EAD. Das ist nur möglich, weil alle so gut zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen, auch wenn eine Arbeit gar nicht in den eigenen Verantwortlichkeitsbereich fällt.

Iwata:

Normalerweise hört man die Leute oft sagen, dass sie nicht in einer anderen Entwicklungsumgebung arbeiten möchten oder dass sie nicht wollen, dass jemand anders ihre Lorbeeren erntet. (lacht)

Miyamoto:

In dieser Hinsicht haben wirklich alle ziemlich locker zusammengearbeitet.

Iwata:

Übrigens, mit dieser Jogging-Übung laufe ich selbst jeden Tag! (lacht)

Miyamoto:

Dabei fällt sie eigentlich aus dem ursprünglichen Produktrahmen, weil das Wii Balance Board nicht verwendet wird. Aber wir dachten uns, wir könnten ruhig einige Übungen dieser Art implementieren, solange sie nur Spaß machen.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist einer Ihrer interessanten Charakterzüge, Miyamoto-san. Dabei hatten Sie doch selbst die Marschroute vorgegeben, als Sie sagten: „Nur Balancespiele!“ (lacht)

Miyamoto:

(lacht)

Iwata:

Und diese Basisidee weichen Sie dann selbst auf! (lacht)Aber die Art, wie Sie die Idee aufweichen, gibt dem Spiel im Gegenteil eine zusätzliche Vielfalt. Außerdem macht es einen enormen Unterschied in der Wahrnehmung, ob man die Übung Reifenwirbel zum Beispiel unter den Balancespielen einordnet oder unter Aerobic.

Miyamoto:

Meiner Meinung nach ist es enorm wichtig, wie die Übung vom Kunden wahrgenommen werden soll. Deshalb war ich auch bei der Erstellung der Bedienungsanleitung noch strenger als ich es sowieso schon bin. Ich achte eben sehr genau darauf, welchen Eindruck wir als Hersteller beim Kunden erwecken wollen.

Iwata:

Wii Fit ist nun mal eine neue Software, die anders ist als alles bisher Dagewesene, und diese Software wird auch neue Kunden anlocken. Sie haben die Ansicht vertreten, dass Kunden eher geneigt sind, die Bedienungsanleitung zu lesen, wenn sie noch nie die Bedienungsanleitung zu einem Videospiel gelesen haben. Deshalb mag ich auch den Avatar des Wii Balance Boards22 so gerne, der auf dem Fernseher erscheint und Kommentare abgibt, wenn ein Nutzer auf das Wii Balance Board steigt. 22 Dieser Avatar stellt eine niedliche Vermenschlichung des Wii Balance Boards dar.

Miyamoto:

Wenn die Batterie des Wii Balance Boards nachlässt, spricht er auch, nicht wahr? Es ist nur etwas schwer zu verstehen…

Iwata:

Diesen Text sollten sich unsere Kunden unbedingt auch einmal anhören! (lacht)

Miyamoto:

Am Anfang des Projekts haben wir uns darüber unterhalten, warum kein Geräusch ertönt, wenn man auf das Board steigt… und dann haben wir mit Geräuschen herumexperimentiert, die beim Betreten des Wii Balance Boards ertönen. Dabei haben wir festgestellt, dass es ein gutes Gefühl ist, mit den Füßen ein Geräusch zu erzeugen.

Iwata:

Dem Benutzer gar nichts sagen, das kann jede Waage… Aber wenn man jeden Tag auf das Wii Balance Board steigt und die Stimme des Avatars hört, dann schließt man es ganz schnell ins Herz.