1. Ganons Schloss als einziger Schauplatz?

Miyamoto:

(lässt sich nieder) Bin ich heute der Einzige?

Iwata:

Ja, heute habe ich nur Sie zu Gast.

Miyamoto:

Oh. Ich weiß aber nicht, was die anderen so gesagt haben.

Iwata:

Sie sind gerade alle damit beschäftigt, die E31 vorzubereiten, daher konnten wir keinen gemeinsamen Termin finden. Aber ich kann Ihnen im Verlauf des Gesprächs mitteilen, was die Entwickler des Originalspiels in Ihrer Abwesenheit geäußert haben. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. 1. E3 (Electronic Entertainment Expo): Eine Videospielemesse, die in der Regel einmal jährlich in Los Angeles stattfindet. 2011 begann die E3 am 7. Juni und dauerte drei Tage.

Miyamoto:

Bitte, gerne.

Iwata Asks
Iwata:

Heute möchte ich gemeinsam mit Ihnen auf „The Legend of Zelda: Ocarina of Time“ zurückblicken. Der Entwicklungszeitraum war wesentlich länger als für andere damalige Spiele, und das Erscheinungsdatum wurde mehrfach verschoben.

Miyamoto:

Ursprünglich war geplant, „Super Mario 64“2 gleichzeitig mit dem Nintendo 64-System herauszubringen und „The Legend of Zelda: Ocarina of Time“3 im folgenden Jahr zu Weihnachten auf den Markt zu bringen. 2. Super Mario 64: Das erste 3D-Actionspiel der „Super Mario Bros.“-Serie. Es erschien im Juni 1996 gleichzeitig mit dem Nintendo 64-System in Japan. 3. 3. The Legend of Zelda: Ocarina of Time: Ein Action-Abenteuerspiel, das im November 1998 für das Nintendo 64-System in Japan erschien.

Iwata:

Ursprünglich sollte es Ende 1997 in den Verkauf gehen.

Miyamoto:

Ja. Es kam also mit fast einem Jahr Verspätung heraus.

Iwata:

Die Entwicklung dauerte ca. zweieinhalb Jahre. Das muss die Entwickler ganz schön strapaziert haben, aber sie haben alle behauptet, dass sie jede Menge Spaß hatten!

Miyamoto:

Ach, tatsächlich?

Iwata:

Ja. Sie haben sogar gejubelt, als die Veröffentlichung verschoben wurde! (lacht)

Miyamoto:

Wirklich? (lacht)

Iwata:

Sie haben alle so begeistert davon erzählt, dass ich mich gefragt habe, ob sie all die Mühsal in den letzten 13 Jahren einfach vergessen haben. (lacht)

Miyamoto:

(lacht)

Iwata:

Wie war das Ganze für Sie?

Miyamoto:

Ich habe es auch nicht als Mühsal empfunden. Entwickler freuen sich eigentlich immer, wenn die Frist verlängert wird.

Iwata:

Als die Verlängerung beschlossen wurde, freuten sich alle über die Gelegenheit, bestimmte Bereiche aufzubessern und gewisse Stellen zu korrigieren.

Miyamoto:

Genau. Bis zum letzten Moment gab es da Dinge, die wir unbedingt noch verbessern wollten.

Iwata:

Ich traue mich ja kaum, es zu sagen, aber ein ganzes weiteres Jahr für die Entwicklung kann doch nicht das reine Vergnügen gewesen sein.

Miyamoto:

Stimmt auch wieder! (lacht)

Iwata:

Aber alle behaupten, es hätte sooo viel Spaß gemacht!

Miyamoto:

Ja. Na ja, das ist vielleicht so, als würde man fragen: „Was halten Sie davon, wenn wir das Examen erst eine Woche später schreiben?“

Iwata:

Ach so. (lacht) Wenn man sich auf ein Examen vorbereitet, kann man natürlich nie genug lernen.

Miyamoto:

Eben. Man kann also entweder denken: „Super – dann habe ich mehr Zeit zum Lernen“ oder „Na toll – dann muss ich nächste Woche ja auch noch lernen!“ Aber wenn man noch Energie hat, sich ins Zeug zu legen, freut man sich, dass das Examen verschoben wurde. (lacht)

Iwata:

Wie war Ihre Einstellung zu dem Projekt, als die lange Entwicklungsphase von zweieinhalb Jahren begann? Damals stürzten sich alle Kopf voraus in unbekanntes Territorium, oder?

Iwata Asks
Miyamoto:

Ja, stimmt. Damals wusste niemand, in welche Richtung die Spieleindustrie als Ganzes sich entwickeln würde.

Iwata:

Das trifft heute ebenso zu. (lacht)

Miyamoto:

Auch wieder wahr. (lacht) Aber wenn man damals beispielsweise ein riesiges Drei-Milliarden-Yen-Projekt hatte, wusste man nie, ob es am Ende fünf Milliarden oder zwei Milliarden kostet.

Iwata:

Ja, damals konnte man das nicht abschätzen. Ich frage mich, wie wir das eigentlich je hingekriegt haben! (lacht)

Miyamoto:

Allerdings! (lacht) Die einzige Person, die Bescheid wusste, war der Verantwortliche, der die Budgets für die geplanten Projekte verwaltete. Aber diese Person hat keinen Einfluss auf den Spaßfaktor eines Spiels.

Iwata:

Stimmt.

Miyamoto:

Und „Ocarina of Time“ war eines der ersten derartigen Spiele. Soll heißen, es war ein enormes Unterfangen, ein Spiel aus 3D-Polygonen zu erstellen, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommen würde.

Iwata:

Es war umfangreicher als alles, was Sie zuvor erlebt hatten.

Miyamoto:

Aber ich hatte Erfahrung mit dem stückweisen Aufbau.

Iwata:

Sie hatten ein Spiel nach dem anderen erstellt – schon in den Zeiten vor dem Famicom-System.

Miyamoto:

Und außerdem hatten Mr. (Toshio) Iwawaki und Mr. (Kazuaki) Morita von SRD4 bereits Programmierungserfahrungen mit den 3D-Grafiken für „Super Mario 64“ und anderen Spiele gesammelt. Und ich glaube, Mr. (Yoshiaki) Koizumi und diese beiden hatten ausgehend von ihren Erfahrungen bei der Entwicklung von „Super Mario 64“ eine ungefähre Vorstellung davon, wie Sie „The Legend of Zelda“ in 3D angehen wollten. 4. SRD Co., Ltd.: Ein 1979 gegründetes Unternehmen, das Aufträge zur Entwicklung von Videospiele-Software übernimmt und CAD-Pakete (Computer Aided Design) entwickelt und verkauft. Hauptsitz ist Osaka; die Niederlassung in Kyoto befindet sich in der Firmenzentrale von Nintendo.

Iwata:

Ja, stimmt.

Miyamoto:

Aber es wusste noch niemand, welche Ausmaße das Ganze annehmen würde.

Iwata:

Selbst Sie wussten nicht, wie groß es werden würde, aber Sie haben sich trotzdem an die Arbeit gemacht.

Miyamoto:

Ja. Und ich rede ja nicht von Budgetfragen oder Problemen mit der Entwicklungsdauer, die wir gerade erwähnt haben. Für das Nintendo 64-System war nur begrenzter Speicherplatz verfügbar – ich wusste nicht, welche Spielgröße mit dieser Kapazität möglich war.

Iwata:

Damals waren die Beschränkungen der Hardware doch recht ausgeprägt, man konnte also nur ein gewisses Maß erreichen.

Miyamoto:

Genau. Anstatt also zunächst eine Geschichte festzulegen, haben wir damit begonnen, das System zu erstellen.

Iwata:

So läuft das bei Ihnen doch immer. Ich kann mich noch erinnern, dass Sie einmal gesagt haben, dass Sie Zelda-Spiele immer erst erstellen konnten, nachdem Sie sich mit der neuen Hardware vertraut gemacht hatten.

Miyamoto:

Stimmt, das habe ich gesagt. Aber ich hatte bereits „Super Mario 64“ und „Star Fox 64“5 für das Nintendo 64-System gemacht, daher hatte ich schon gewisse Kenntnisse. 5. Star Fox 64: Ein 3D-Shooter, der im April 1997 in Japan erschien. In Europa kam das Spiel unter dem Titel „Lylat Wars“ heraus.

Iwata:

Zum Beispiel über das zugehörige Kamerasystem und Echtzeitfilme.

Miyamoto:

Genau. Und wir mussten etwas Großes erschaffen, hatten aber nur begrenzte Speichermenge zur Verfügung. Stellen Sie sich einmal vor, dass bestimmte Daten in Sets strukturiert sind, etwa Set „ABC“, „ACD“ und „ADF“. Wenn alle diese Sets unabhängig voneinander sind, kann man sie alle gleichzeitig lesen, aber …

Iwata:

… sie verbrauchen sehr viel Speicher, wenn sie unabhängig sind.

Miyamoto:

Genau. Daher wollte ich „A“ quasi fixieren, sodass dieses immer verfügbar war, und die anderen Daten nach Bedarf zuschalten. Wenn man nur das wirklich Nötige ändert, ist der Speicher effizienter und die Daten werden schneller gelesen. Anders ausgedrückt, nutzt man so die ROM-Merkmale optimal aus. Wir haben die Konstruktion des Systems an erste Stelle gestellt; und da die Geschichte dann in Übereinstimmung mit den Kapazitäten des Systems entwickelt werden sollte, dachte ich zunächst, dass Ganons Schloss als Schauplatz vielleicht ausreichen würde.

Iwata Asks
Iwata:

Wie? Sie planten Ganons Schloss als einzigen Schauplatz?

Miyamoto:

Ja. Ich überlegte, unterschiedlichste Abenteuer für die verschiedenen Räume zu erstellen – z. B. eine dunkle Wiese oder einen Ozean … etwa so wie im Schloss von Prinzessin Peach in „Super Mario 64“.

Iwata:

Ihnen schwebten zahlreiche Räume mit unterschiedlichen, verbundenen Welten für Ganons Schloss vor.

Miyamoto:

Ja. Im schlimmsten Fall hätte Link das Schloss gar nicht verlassen können! (lacht)