3. Jeder spielt nach seiner eigenen Façon

Iwata:

Wenn man Sie beide so reden hört, dann bekommt man den Eindruck, Sie wollten mit The Last Story eine neue Art von Spiel entwickeln, das jeder nach seiner Façon spielen kann. Wenn sich die Spieler dann anschließend darüber unterhalten, denken sie vielleicht: „Hmm, ich habe das ein bisschen anders in Erinnerung.“ Vielleicht haben sie Spaß daran, die anderen nach ihrem Spiel zu fragen. Ich bin davon überzeugt, dass das sehr interessant ist.

Matsumoto:

Ja, ich denke, Sie haben recht. Es macht wirklich Spaß, sich die Videos anzusehen, in denen die Leute spielen, und dabei zu denken: „Ach, so kann man das Spiel also auch spielen ...“

Sakaguchi:

Das war auch der Grund, warum wir uns bei diesem Spiel für ein Kamerasystem entschieden haben, bei dem der Blick während der Ereignis-Szenen nicht fixiert ist. Hier genießen die Spieler einen gewissen Freiraum darüber, was sie gern sehen wollen. Darum denkt man vielleicht, wenn man das Filmmaterial anderer Spieler auf Video-Tauschseiten sieht: „Wenn das die gleiche Szene ist, warum bewegt sich die Kamera dann jetzt anders?“

Iwata:

Ah, es ist wirklich interessant, dass Sie das jetzt sagen. Meiner Meinung nach haben diese Video-Tauschseiten die Spiele wirklich verändert. Das Filmmaterial zielt darauf ab, den Spielern die Handlung zu verraten, und nimmt ihnen so die Motivation, das Spiel selbst auszuprobieren. Das ist offensichtlich ein großes Problem. Aber selbst bei Filmmaterial, das den Reiz des Spiels vermitteln möchte, kann der Spieler fälschlicherweise den Eindruck bekommen, er hätte das Spiel selbst gespielt. Ich glaube, das ist hauptsächlich der Fall, wenn man sich verblüffendes Filmmaterial zur Hauptstory des Spiels ansieht. Vor diesem Hintergrund erscheint Ihre Idee ausgesprochen interessant und äußerst wichtig.

Sakaguchi:

Ich glaube, Sie haben recht. Mit The Last Story kann jeder Spieler seine eigenen Videos erstellen. Und die Leute, die sich dieses Filmmaterial ansehen, werden sich fragen, wie sie selbst wohl diesen bestimmten Bereich angegangen wären. Ich denke, dies wird sie ganz neu dazu motivieren, das Spiel selbst auszuprobieren

Iwata:

Dann kann man das Spiel also auf unterschiedliche Arten spielen, obwohl es sich um ein und dasselbe Spiel handelt.

Sakaguchi:

Das stimmt. Als ich das Spiel testete, hatte ich großen Spaß daran, mit der Kameraeinstellung herumzuexperimentieren. (lacht) Zum Beispiel wackelte ich absichtlich mit der Kamera, um die Atmosphäre möglichst realistisch erscheinen zu lassen! (lacht)

Iwata Asks
Matsumoto:

Wenn es nach mir ginge, würde ich die Kamera während der Event-Szenen die ganze Zeit auf die Heldin Calista ausrichten. (lacht)

Iwata:

Dann kann jeder Spieler die Kamera auf seine eigene Art und Weise steuern. Wenngleich es sich um identische Szenen handeln kann, bekommt man durch Verändern der Kameraeinstellung doch einen vollkommen unterschiedlichen Eindruck.

Matsumoto:

Das stimmt. Einfach nur dadurch, dass man gerade nicht den soeben sprechenden Charakter fokussiert, kann die Szene eine ganz andere Bedeutung bekommen.

Sakaguchi:

Außerdem sind die Gegenstände, die man in Schatzkisten findet oder die von Gegnern fallen gelassen werden, alle zufallsbedingt. Weil man nie weiß, was man findet, macht es immer wieder Spaß, das Spiel noch mal zu spielen.

Matsumoto:

Man kann auch die Kleidung der Charaktere verändern.

Iwata:

Dadurch dass man die Kameraeinstellung und die Garderobe der Charaktere verändern kann, kann jeder Spieler seine eigenen einzigartigen Bilder erstellen. Weil das Spieldesign von The Last Story wirklich innovativ ist, ist es nicht damit getan, sich Filmmaterial von jemand anderem anzusehen, der das Spiel durchspielt.

Matsumoto:

Es gibt jede Menge anderer Elemente im Spiel, mithilfe derer die Spieler das Spiel ganz individuell nach ihrer eigenen Façon spielen können. Wenn Sie zum Beispiel online spielen und Ihren Charakter auswählen, können Sie Sprachfetzen dieses Charakters aus dem Hauptspiel auswählen und diese während des Online-Spiels abspielen.

Sakaguchi:

In der Hauptstory gibt es ganz viele verschiedene Stimmen. Hierbei geht es nicht um normale Konversation oder Ereignis-Szenen. Sie hören Ihre Kumpels in allen möglichen Situationen sprechen, etwa wenn diese herumlaufen oder aber wenn diese sich im Kampf befinden. So kann zum Beispiel der Anführer einer Gruppe Ratschläge erteilen, bevor der Kampf beginnt, und anschließend während des Kampfes alle möglichen Befehle erteilen. Da kann es dann zu Gesprächen kommen, die Sie nicht richtig verstehen oder bei denen Sie nicht richtig zuhören. Außerdem wird es wirklich wichtige Gespräche geben, um die dramatische Spannung zu erhöhen.

Iwata:

Die Anzahl der Dialoge in diesem Spiel ist bestimmt eines der bemerkenswertesten Features.

Sakaguchi:

Das stimmt. Und weil es da so viele gute Zitate gibt, haben wir das Spiel so konzipiert, dass man diese auch online verwenden kann.

Matsumoto:

Ich denke, das ist ein guter Ersatz für den Voice-Chat. So können zum Beispiel Dinge passieren wie zum Beispiel, dass Yurick wiederholt nach seinem Vater ruft. (lacht)

Sakaguchi:

Ich hoffe, dass die Spieler das gemeinsame Kämpfen genießen werden. Und dass jeder dazu etwas zu sagen hat (lacht)

Iwata:

Wenn man einen Spruch einfach so aus dem Original-Kontext herausreißt, hat das bestimmt auch seinen besonderen Reiz.

Iwata Asks
Matsumoto:

Das stimmt. Ich bin wirklich auf die interessanten Dialoge der Leute gespannt! (lacht)

Sakaguchi:

Die Geschichte, wie sich die Stimmen im Spiel entwickelt haben, ist auch interessant. Am Anfang nahmen die Mitarbeiter des Entwicklungsteams einfach ihre eigenen Stimmen auf, um diese für die Spielentwicklung zu verwenden. Mit der Zeit konnten sie die Stimmen immer besser imitieren. An dem Ort, der als Arena bezeichnet wird, gibt es zwei Kommentatoren. Wir dachten an dieser Stelle, dass hier ein Mitglied des Entwicklungsteams witziger als ein professioneller Schauspieler wäre. Dieser leichte Dilettantismus hatte gewisse Vorzüge – wir wollten dem Spiel damit einen gewissen Charme und Charakter verleihen, den wir mit einem professionellen Schauspieler nicht erzielt hätten.

Matsumoto:

Der Grund war, dass der Spieldesigner Texte hervorbrachte, die das Team selbst geschrieben hatte.

Sakaguchi:

Deshalb schlug ich vor, die Stimme eines Mitglieds des Entwicklungsteams in das endgültige Spiel aufzunehmen. Aber wie Sie sich vorstellen können, wurde diese Idee abgewiesen. (lacht)

Matsumoto:

Das Team-Mitglied, dessen Stimme für diesen Abschnitt verwendet wurde, flehte uns an, seine Stimme herauszunehmen. (lacht) Aber als wir den Text tatsächlich aufnehmen wollten, brachten wir den Schauspieler dazu, sich die Stimme anzuhören, die wir schon im Spiel hatten.

Iwata Asks
Iwata:

Also wollten Sie den Profi auf die Probe stellen?

Matsumoto:

Nun, wir wollten ihm vermitteln, was dieser Mitarbeiter des Entwicklungsteams in puncto Stimmenarbeit geleistet hatte.

Sakaguchi:

Wir wollten es mit der Aussagekraft der Stimme nicht übertreiben, und der leichte Dilettantismus in der Stimme unseres Mitarbeiters passte überraschend gut. Es war zwar nicht leicht, das gegenüber einem professionellen Schauspieler zu sagen. Aber dann baten wir ihn doch darum, seine Sprache an den Stil der Original-Aufnahme anzupassen. Weil wir so darauf beharrten, ist es uns schließlich gelungen, die Stimme wirklich realistisch wirken zu lassen.

Iwata:

Ich möchte nur für einen Moment auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. Könnten Sie mir bitte den „Online-Modus“ noch etwas genauer erläutern?

Matsumoto:

Im Online-Modus können Sie zwischen einer „Schlacht“ und einem gemeinsamen Bosskampf mit anderen Spielern wählen. An beiden Modi können bis zu sechs Spieler teilnehmen.

Sakaguchi:

Die Schlacht ist ein Konkurrenz-Modus, bei dem Sie in den Genuss einer anderen Atmosphäre als beim Hauptspiel kommen können. Hier können die Spieler gegenseitig mit ihren Outfits protzen.

Iwata:

Ist es ein anderes Gefühl, online gegen andere anzutreten, als allein zu spielen?

Matsumoto:

Ja, denn da gibt es dieses ganz simple Vergnügen, das man empfindet, wenn einer einem aus der Patsche hilft. Und dann gibt es da noch das, was als „Kettenangriff“ bezeichnet wird. Hierunter versteht man eine Folge von Angriffen, die in Kombination mit anderen Mitgliedern der Gruppe durchgeführt werden und mit denen man seinen Gegnern großen Schaden zufügen kann. Wenn Sie das online zusammen mit anderen Spielern spielen, dann verstärkt das wirklich Ihre Bindung.

Sakaguchi:

Ein weiterer Aspekt des Online-Modus ist, dass Sie, außer in Gestalt des Helden Zael, auch die Rollen anderer Charaktere annehmen können. Entscheiden Sie sich beispielsweise für die Gestalt eines Zauberers, dann können Sie andere während eines Kampfes verhexen. Und wenn Sie natürlich von einem Gegner angegriffen werden, während Sie jemanden verhexen, haben Sie ein Problem. So fühlen Sie mit dem Zauberer, den Sie im Hauptspiel schützen wollen. Dann denken Sie: „Hey, warum hast du nicht auf mich aufgepasst?“ (lacht)

Matsumoto:

Nun, in diesem Fall müssen Sie eine Stimme auswählen, die sagt: „Hilf mir!“ (lacht) Dann müssen Ihre Verbündeten herbeigelaufen kommen und Ihnen helfen. Ich habe den Eindruck, dass The Last Story ein sehr offenes Spiel ist, das man gern gemeinsam mit Freunden erlebt. Meiner Meinung nach wird dieses Gefühl der Gemeinsamkeit durch das Online-Spiel noch verstärkt.