4. Ein neuer Kontinent

Iwata:

Sie haben neue Fähigkeiten für Mario entwickelt und sind auf alle möglichen Ideen gekommen. Warum, denken Sie, waren Sie dazu in der Lage?

Koizumi:

Zur Ideenfindung haben wir regelmäßig Brainstorming-Meetings abgehalten. Dabei sammelten wir eine unglaubliche Menge an neuen Ideen. Mr. Hayashida untersuchte jede, bei der er annahm, sie könnte funktionieren.

Hayakawa:

Bei den Brainstorming-Meetings ging es ziemlich lebhaft zu. Obwohl niemand dazu gezwungen wurde, an den Meetings teilzunehmen.

Koizumi:

Alle fuhren irgendwie darauf ab.

Hayashida:

Manchmal hatten wir so viele Ideen gesammelt, doch dann war die Zeit um, und wir mussten uns richtig losreißen.

Koizumi:

Und nicht nur die Planer nahmen daran teil, sondern auch die Designer und die Programmierer.

Motokura:

Wenn man an Designer denkt, neigt man dazu, sich vorzustellen, sie würden nur Bilder zeichnen. Aber tatsächlich brannten die Designer darauf, Ideen beizusteuern.

Iwata:

Die wollen immer beides, sowohl Spiele designen als auch zeichnen.

Motokura:

Ja. Wenn wir uns mit ihnen unterhielten, hatten sie alle möglichen tollen Ideen.

Hayashida:

Das gute an Designern ist, dass sie ihre Ideen sofort zu Papier bringen und den anderen zeigen können.

Iwata:

Ja, um diese Fähigkeit beneide ich sie richtig! (lacht)

Hayakawa:

Sie können die gleiche Idee 50% besser aussehen lassen. Für mich denke ich dann immer, „Ich hatte die gleiche Idee...“ (lacht)

Alle:

(lachen)

Hayakawa:

Und dieses Mal haben wir ein Tool für die Designer und die Mitglieder des Sound Teams vorbereitet, mit dem sie selbst Level entwerfen können. Auf diese Weise brauchten wir die Programmierer fast nicht mehr für die Prototypen.

Iwata Asks
Iwata:

Dann haben die Designer sogar die Prototypen gemacht?

Hayakawa:

Ja. Auf diese Weise konnte jeder Landschaften erstellen, ein paar Gegner hinzufügen, dies und das zusammensetzen und dann versuchen, es zu spielen. So wurden viele Prototypen hergestellt.

Motokura:

Es gibt zum Beispiel ein Level, bei dem

Video: Säulen mit rasender Geschwindigkeit die Straße herunter auf einen zurollen

Sie haben neue Fähigkeiten für Mario entwickelt und sind auf alle möglichen Ideen gekommen. Warum, denken Sie, waren Sie dazu in der Lage?
Säulen mit rasender Geschwindigkeit die Straße herunter auf einen zurollen . Dies wurde von einem Designer eingebracht, der mitten im Projekt dazu gestoßen war. Ein Prototyp, der von jemand erstellt wurde, der nur eine Woche zuvor zum Projekt dazu gekommen war, hat es tatsächlich in das Spiel geschafft.

Hayakawa:

Natürlich wurden ein paar Veränderungen vorgenommen. Zum Ende hin haben die Planer etwas aufgeräumt, die Idee des Designers aber zum größten Teil beibehalten. Weil jeder im Team Prototypen machen konnte, sagte Mr. Hayashida fast jeden Tag: „Sehen Sie mal hier, probieren Sie mal dieses Level aus.“

Iwata:

Mr. Hayashida, das muss Ihnen gefallen haben.

Hayashida:

Klar! (lacht) Ich dachte: “Das macht Spaß, aber wo können wir es bloß einbauen?“

Hayakawa:

Ich glaube, wir haben diesen Prozess ungefähr zweieinhalb Jahre lang wiederholt.

Iwata:

Darum ist es auch so vollgepackt mit Ideen. Darüber haben wir schon gesprochen und ich glaube, nun den Grund dafür zu kennen.

Koizumi:

Wir haben alle mit dem Konzept “Mehr” gearbeitet. Wir haben uns „mehr“ darin vertieft und „mehr“ gemacht – und das Ergebnis ist ein hochkonzentriertes Spiel.

Hayashida:

Als wir mit der Entwicklung begannen, dachten wir aber, wir hätten gar keine Ideen.

Iwata:

Zuerst sagten Sie doch, Sie seien alle ziemlich ausgelaugt gewesen! (lacht)

Hayashida:

Ja! (lacht) Die ganze Zeit, in der wir sagten, wir hätten keine Ideen, sprudelten wir nur so davor! Nachdem wir auf den Bohrer und Wolken-Mario gestoßen waren, fragte ich Mr. Miyamoto, ob wir noch weiter nach neuen Elementen suchen sollten. Er meinte aber, das Spiel wäre nahezu überfüllt mit Ideen. Also war es genug. (lacht)

Iwata:

Ich glaube, die Fülle an Ideen rührte vor allem daher, dass sowohl Designer als auch das Sound Team Ideen entwickelten und diese ohne die Hilfe der Programmierer ausprobieren konnten. Aber denken Sie, es gab da noch einen weiteren Grund?

Koizumi:

Ich glaube, wir profitierten von der soliden Grundlage der Engine, die wir vom ersten Spiel hatten. Das ermöglichte es uns, fast die ganze Entwicklungszeit von über zwei Jahren auf die Entwicklung von Ideen zu verwenden.

Iwata:

Ja, das glaube ich auch, aber ich denke, es gibt da noch einen anderen Grund. Ich glaube, ein weiterer wichtiger Grund ist, dass das System aus Kugeln und Gravität nur bei Mario Galaxy-Spielen vorkommt. Damit will ich sagen, dass niemand außer Ihnen versucht, Ideen um kugelige Landschaften und Gravitätsverschiebungen zu entwickeln.

Koizumi:

Ah, ich verstehe.

Iwata:

Das ist wie ein neuer Kontinent mit Bergen von Ideen, die noch von niemandem erkundet wurden. Wenn Sie das also tun, ist es ganz einfach, auf etwas Neues zu stoßen. Sie haben all diese Ideen in einer erstaunlich kurzen Zeit entwickelt. Ich glaube, das ist ein Grund, warum Sie so viele Ideen hatten.

Iwata Asks
Koizumi:

Jetzt, wo ich Sie das sagen höre, denke ich, dass Sie Recht haben.

Iwata:

Mr. Miyamoto sagte, die Kugeln seien als Basis für das Spiel unglaublich interessant und attraktiv und hätten viele Probleme gelöst, über die er lange Zeit gegrübelt hatte. Ich denke, dass das Spiel deshalb so vollgepackt mit Ideen ist. Ein anderes Problem, das Sie lösen mussten, war der Kamerawinkel, nicht wahr?

Koizumi:

Ja.

Iwata:

Mr. Miyamoto sagte, die Kamera hätte schon beim ersten Mario Galaxy-Spiel einen hohen Standard erreicht, sei dieses Mal aber noch besser gewesen. Wie haben Sie das gemacht?

Hayashida:

Das letzte Mal, waren die Kugeln an sich schon neu. Wenn Mario also unten an einem Planeten stand, wollten wir das witzigerweise so aussehen lassen, als stünde er auf dem Kopf. Aber dann sind rechts und links vertauscht. Ich kann mir vorstellen, dass dies einigen Spielern Schwierigkeiten mit der Steuerung bereitet hat.

Iwata:

Ungefähr so wie es manchen Leuten leicht fällt, ferngesteuerte Autos zu bedienen und andere dabei ihre Schwierigkeiten haben.

Hayashida:

Genau. Dieses Mal haben wir den Kamerawinkel so eingestellt, dass Marios Kopf meistens oben ist, wenn er auf einem Planeten läuft, und niemand damit Schwierigkeiten hat. Ich denke, das erleichtert das Spiel erheblich.

Iwata:

Mr. Miyamoto erwähnte, dass der Planet, von oben betrachtet, flach erscheint.

Hayashida:

Es könnte eine Kugel sein, aber wenn Sie den Planeten aus der Perspektive über Marios Kopf betrachten, erscheint er wie eine verbogene, flache Ebene. Und dieses Mal können Sie mehrere Level auf einer flachen Ebene, anstelle auf Kugeln, spielen, so dass der Kamerawinkel viel leichter zu handhaben ist. Mr. Miyamoto hat mir immer gesagt, dass der Kamerawinkel sehr wichtig ist, wenn man einen Level entwirft. Zuerst sollten Sie sich vorstellen, wie der Spieler die Action auf dem Bildschirm wahrnimmt. Das haben wir uns dieses Mal wirklich zu Herzen genommen.

Koizumi:

Ein anderes wichtiges Merkmal von Mario Galaxy sind die verschiedenen Kamerawinkel. Im Grunde hat jemand den Kamerawinkel für jeden Teil des Spiels erstellt. Mal wurde dieser Kamerawinkel hier verwendet, mal die Kamera hier gestoppt und so weiter. Das Planungsteam von Mr. Hayashida ist das genau durchgegangen und hat Hunderte verschiedener Kameratypen manuell eingestellt.

Iwata:

Sie wollten, dass der Blickwinkel hundertprozentig stimmt, also sind Sie das ganze Spiel wie Handwerker durchgegangen und haben jeden einzelnen eingestellt.

Koizumi:

Ja. Ein großer Vorteil war, dass dies unser zweites Mario Galaxy-Spiel war. Daher hatten wir uns einige Fähigkeiten angeeignet und waren einigermaßen an solche Arbeiten gewöhnt. Seit Mario 6413 hatten wir an 3D-Mariospielen gearbeitet, und ich habe mich immer gefragt, ob es weise ist, die Spieler ihren eigenen Kamerawinkel einstellen zu lassen.14 Das erste Mario Galaxy-Spiel wurde so entwickelt, dass man es spielen kann, ohne dabei die Perspektive durcheinander zu bringen. Und dieses Mal hatten wir erfahrene Leute, die die Kamerawinkel manuell einstellen konnten. Dabei strebte man ein 3D-Mario-Spiel an, das sich bequem spielen ließ, natürlich wirkte und Resonanz finden würde. 13Super Mario 64: Das erste 3D-Jump'n'Run-Spiel aus der Mario-Serie. Es kam in Europa gleichzeitig mit dem Nintendo 64 im März 1997 raus. 14Die Spieler ihren eigenen Kamerawinkel einstellen lassen: Seit dem Super Mario 64 verfügen 3D-Spiele über ein spielerisches Element, mit dem die Spieler ihren Kamerawinkel selbst steuern können.

Iwata Asks
Iwata:

Ich verstehe. Darum hat Mr. Miyamoto also gesagt, die Kamera habe sich dieses Mal so stark verbessert. Übrigens, Sie erwähnten gerade”Resonanz”. Ich habe gehört, dass Sie ein längeres Gespräch mit Mr. Miyamoto führen konnten.

Koizumi:

Ja. Während wir an diesem Spiel arbeiteten, sind wir seit langem mal wieder zusammen ausgegangen und haben uns ungefähr vier oder fünf Stunden lang in einem indischen Restaurant unterhalten.