1. Professor Laytons heimlicher Rivale

Anmerkung der Redaktion:

Dies ist die Übersetzung eines „Iwata fragt“-Interviews, das ursprünglich am 22. November 2012 auf der Website von Nintendo of Japan veröffentlicht wurde.

Iwata:

Heute sprechen wir über das neue Nintendo 3DS-Spiel „Professor Layton vs. Phoenix Wright: Ace Attorney“. Zumindest auf den ersten Blick scheinen die Professor Layton-Serie1 von LEVEL-5 und die Spiele der Reihe „Ace Attorney“2 von Capcom immer völlig unabhängig voneinander existiert zu haben. Nun haben jedoch beide Serien das Nest ihres jeweiligen Entwicklers verlassen und sich zu einem neuen Spiel vereint. Daher musste ich einfach mit den Leuten hinter dieser Entscheidung sprechen, und so habe ich heute die beiden Schöpfer der Serien eingeladen. Ich glaube, das ist bereits Ihr zweites 3 „Iwata fragt“-Gespräch, nicht wahr, Hino-san?1. Die Professor Layton-Serie: Eine Reihe von Abenteuerspielen, in deren Verlauf allerhand Rätsel gelöst werden müssen. Das erste Spiel dieser Serie wurde für das Nintendo DS-System entwickelt und im Juli 2007 von LEVEL-5 in Europa auf den Markt gebracht. Die Serie besteht aus sechs Spielen. 2010 wurde in Großbritannien zudem ein Animationsfilm namens „Professor Layton und die ewige Diva“ veröffentlicht. 2. Die Ace Attorney-Serie: Eine Serie von Abenteuerspielen, in deren Mittelpunkt verschiedene Gerichtsfälle stehen. Das erste Spiel entstand für Game Boy Advance und wurde im März 2006 von Capcom in Europa auf den Markt gebracht. Zum Zeitpunkt dieses Interviews gibt es in der Hauptserie fünf Spiele. Ein verwandter Titel (abseits der Hauptgeschichte) namens „Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“ ist ebenso für das Nintendo DS-System erhältlich.3. Hino-san war beim ersten Teil des Interviews „Iwata fragt: Externe Nintendo 3DS-Spieleentwickler“ dabei, in dem das fünfte Spiel der Professor Layton-Series („Professor Layton und die Maske der Wunder“) für Nintendo 3DS besprochen wurde.

Hino:

Stimmt. Schön, wieder hier zu sein.

Iwata Asks
Iwata:

Für Sie ist das allerdings der erste Besuch, nicht wahr, Takumi-san?

Takumi:

Genau. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.

Iwata Asks
Iwata:

Gleichfalls. Vielen Dank übrigens, dass Sie neulich beim Video für Nintendo Direct4 mitgemacht haben.4. Takumi-san war einer der Teilnehmer eines ausschließlich in Japan verfügbaren Videos für Nintendo Direct, das am 25. Oktober 2013 per Internet-Stream gezeigt wurde. Darin wurde er zu den Produktionsgeheimnissen zu „Professor Layton vs. Phoenix Wright: Ace Attorney“ befragt.

Takumi:

Oh, gern geschehen. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig nervös bin …

Iwata:

Ach, dazu besteht doch gar kein Grund! Ich bin sicher, dass das heute ein sehr angenehmes Gespräch wird.

Takumi:

Danke.

Iwata:

Doch nun zur ersten Frage: Wie kam es überhaupt dazu, dass eine Idee wie diese gefruchtet hat? Normalerweise würde man so etwas eigentlich nicht erwarten.

Hino:

Ich glaube, beim letzten Mal erwähnte ich, dass wir bei der Entwicklung des ersten Professor Layton-Titels das Spiel „Gehirn-Jogging“5 im Hinterkopf hatten. Wir waren uns jedoch noch einer weiteren Spielserie bewusst, und das war ausgerechnet unser größter Rivale: Ace Attorney. Wir haben damals viel darüber nachgedacht, wie wir uns gegen diesen Titel durchsetzen könnten, d. h. wie man Ace Attorney schlagen könnte.5. „Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging: Wie fit ist Ihr Gehirn?“: Ein Spiel für Nintendo DS, das im Juni 2006 in Europa auf den Markt kam.

Iwata:

Sie erwähnen, dass Sie „Ace Attorney“ schlagen wollten, obwohl der geistige Vater der Serie direkt neben Ihnen sitzt?! (lacht)

Takumi:

Haha! (lacht)

Hino:

Tja, da kommt wieder unsere Leidenschaft zum Vorschein! (lacht) In Wahrheit bin ich ein großer Fan der „Ace Attorney“-Serie und habe sie früher unentwegt gespielt. Als es dann darum ging, Professor Layton zu entwickeln, habe ich die Spiele sogar noch mal gespielt, um die positiven und die negativen Aspekte herauszufinden …

Takumi:

Ich muss sagen, dass ich jetzt schon gerne wüsste, worin denn die negativen Aspekte bestanden …

Alle:

(lachen)

Iwata:

Tut mir Leid, aber wir sind heute nicht hier, um über die Schwächen von „Ace Attorney“ zu sprechen! (lacht) Hino-san, bei unserem letzten Gespräch haben Sie erwähnt, dass Sie mit der Entwicklung von Professor Layton den Nachfolger von „Gehirn-Jogging“ schaffen wollten. Mit Rücksicht darauf, was Sie gerade eben gesagt haben, könnte man da behaupten, dass es Professor Layton ohne „Gehirn-Jogging“ und „Ace Attorney“ gar nicht gäbe?

Hino:

Ich glaube ja. Takumi-san war mir gleich zu Beginn als Entwickler aufgefallen, und nach der Veröffentlichung von „Professor Layton“ dachte ich, es wäre fantastisch, wenn es zu einer Zusammenarbeit zwischen „Professor Layton“ und „Ace Attorney“ käme. Zunächst mussten wir jedoch die „Professor Layton“-Serie entwickeln, da eine solche Zusammenarbeit sonst keine Chance gehabt hätte! Aus diesem Grund habe ich die Idee lange für mich behalten.

Iwata:

Wann haben Sie zum ersten Mal mit Capcom über eine mögliche Umsetzung Ihrer Pläne gesprochen?

Hino:

Ich glaube, das war vor etwa drei Jahren, also Anfang 2010.

Takumi:

Eigentlich sogar ein Jahr früher. Bei einem seiner Besuche bei Capcom habe ich Hino-san seine Ideen beim Abendessen entlockt. Ich nenne das den „Zwischenfall im Okonomiyaki-Restaurant“! (lacht)

Anmerkung der Redaktion: „Okonomiyaki“ ist eine Art herzhafter Pfannkuchen, der in Japan überall erhältlich ist.

Hino:

Wir sprechen jetzt also von einem „Zwischenfall“?! (lacht) Na ja. Ich denke, das war das erste Mal, dass ich Takumi-san direkt gefragt habe, ob er sich vorstellen könne, ein Spiel mit „Professor Layton“ zu entwickeln.

Iwata:

Kannten Sie sich schon vorher?

Hino:

Wir hatten uns bisher zwar nie persönlich getroffen, doch ich hatte Takumi-san Kopien der „Professor Layton“-Spiele geschickt und daraufhin ein Dankesschreiben von ihm erhalten. Er wusste stets etwas Interessantes zu jedem Spiel zu sagen.

Iwata:

Also bestand bereits eine Verbindung, obwohl Sie sich noch nie getroffen hatten?

Hino:

Ja. Allerdings waren die Ideen, die ich an dem Tag mit Takumi-san besprach, noch ziemliche Hirngespinste. Bevor das Ganze Gestalt annehmen konnte, gab es noch allerhand Hürden zu überwinden, sodass wir erst im Januar 2010 offiziell Pläne machen konnten.

Iwata:

Und wie haben Sie zu den Plänen beigetragen, Takumi-san?

Iwata Asks
Takumi:

Zu dem Zeitpunkt habe ich gerade an einem Spiel namens „Ghost Trick“6 gearbeitet, daher war ich in der Anfangsphase noch nicht beteiligt. Als ich allerdings hörte, dass das Projekt begonnen hatte, wurde ich neugierig, was daraus werden würde, und habe es heimlich verfolgt, auch wenn ich weiterhin Abstand gehalten habe. Im Mai 2010 lud mich der Produzent dann allerdings zum Essen ein …6. „Ghost Trick: Phantom-Detektiv“ ist ein Spiel für Nintendo DS, das im Januar 2011 von Capcom in Europa auf den Markt gebracht wurde. In diesem Abenteuerspiel versucht ein Gespenst, das sein Gedächtnis verloren hat, das Geheimnis seines Todes zu lösen.

Iwata:

Ach ja, die Capcom-Tradition7! (lacht) Wenn man von einer Führungskraft zum Essen eingeladen wird, weiß man, dass es um etwas Wichtiges geht …7. Die Capcom-Tradition: Der Sage nach ist es bei Capcom üblich, dass die Führungskräfte ihre Angestellten zum Essen einladen, wenn es darum geht, bei einem Projekt Änderungen vorzunehmen.

Takumi:

Sie wissen ja gut Bescheid! (lacht) Das war der Moment, als mir die Einzelheiten des Projekts erläutert und eine Aufsichtsfunktion übertragen wurde.

Iwata:

Ich denke, es war ganz logisch, dass dem geistigen Vater von „Ace Attorney“ bei diesem Projekt eine Aufsichtsrolle übertragen wurde.

Takumi:

Ja, allerdings war ich dem Ganzen zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich positiv gegenüber eingestellt, wenn ich ehrlich sein soll. Ich fand, dass die Welt von „Ace Attorney“ separat bleiben und das Spiel dort abgeschlossen werden sollte.

Iwata:

Verstehe. Sie haben also erst einmal gezögert. Wann und wodurch hat sich Ihre Meinung geändert?

Takumi:

Ich glaube, alles wurde anders, als mir die Idee mit den Hexenprozessen kam. Ich überlegte, wie Phoenix Wright8 damit klar käme, wenn er plötzlich Fälle in einer Welt lösen müsste, in der es Magie gibt, und das erschien mir ein fruchtbarer Boden für weitere Ideen.8. Phoenix Wright: Der Protagonist der ersten drei Spiele der „Ace Attorney“-Serie. Er ist ein junger Verteidiger.

Iwata:

Dadurch wurden plötzlich völlig neue Szenarien möglich, nicht wahr?

Takumi:

Ja. Und wo wir nun diese Kooperation eingegangen waren, fand ich, dass es unsere Pflicht wäre, Dinge zu tun, die in der ursprünglichen „Ace Attorney“-Serie nicht möglich waren. Da die Charaktere in „Professor Layton“ Verständnis für eine Welt wie diese hatten, war ich überzeugt, dass wir bei einer Verschmelzung der beiden Spiele wirklich interessante Dinge würden umsetzen können.

Iwata:

Ihre ursprünglichen Ideen entstanden also genau deswegen, weil Sie der Sache skeptisch gegenüber standen, doch letztendlich stellten sie die einzige Möglichkeit dar, wie die Fusion funktionieren könnte?

Takumi:

Na ja, ich wusste, dass ich dem Projekt durch meine persönlichen Gefühle keine Steine in den Weg legen durfte. Beim ersten Treffen mit LEVEL-5 war das meine einzige Idee, also blieb mir nichts anderes übrig, als sie anzusprechen.

Iwata:

Wenn Sie zu einem solch frühen Zeitpunkt mit einer derartigen Idee ankamen, müssen Sie allerdings den Eindruck vermittelt haben, dass Sie von der Idee ziemlich begeistert waren! (lacht)

Hino:

Ich glaube, das ist normal für einen Schöpfer. Wenn man um etwas gebeten wird, kann man überlegen, wie man das Ganze umsetzen würde, selbst wenn man noch nicht von der Idee begeistert ist. Ich denke, das ist in diesem Fall genau die richtige Gesinnung.

Takumi:

Stimmt. Es herrscht keinesfalls automatisch Friede, Freude, Eierkuchen, wenn solche Dinge besprochen werden. Damals dachte ich jedoch, ich würde einfach meine Idee vorstellen und dann nach Hause gehen. Den Rest würde LEVEL-5 erledigen. Doch noch während wir darüber sprachen, wurde irgendwie beschlossen, dass ich die Hintergrundgeschichte für das Spiel schreiben sollte. Mir kam das zwar etwas merkwürdig vor, doch ich habe mich irgendwie überrumpeln lassen und allem zugestimmt.

Iwata Asks
Iwata:

Obwohl Sie eigentlich nur eine Aufsichtsfunktion übernehmen sollten?! (lacht)

Takumi:

Ja. Ich glaube, der Produzent und die Mitarbeiter bei LEVEL-5 hatten heimlich einen Pakt geschlossen …

Hino:

Genau! Das alles war von Anfang an geplant … und es hat funktioniert!

Alle:

(lachen)