4. Die unveränderliche Pokémon-Essenz

Iwata:

Jetzt würde ich gern auf etwas gänzlich anderes eingehen. Mr. Masuda erklärte, dass er umfassende Änderungen vornehmen wollte, da Sie einen ganz neuen Titel für dieselbe Hardware erstellten. Aber Pokémon ist nun mal Pokémon, daher gibt es einige Dinge, die einfach nicht geändert werden können. Mr. Sugimori und Mr. Masuda, ich wüsste gern von Ihnen, ob es Dinge und Bereiche gibt, die Ihnen bei der Arbeit an einem Pokémon-Spiel heilig sind und die Sie auf gar keinen Fall ändern wollen. Mr. Sugimori, würden Sie den Anfang machen?

Sugimori:

Hmmm ... In dieser Spielegeneration wurden „Pokémon Diamant-Edition“ und „Pokémon Perl-Edition“ einmal als der „große Höhepunkt“ aus allen Vorgängerspielen bezeichnet, daher ...

Iwata:

Sie waren wirklich ein „großer Höhepunkt“.

Sugimori:

Unsere neuen Spiele kommen jetzt nach diesen beiden auf dieselbe Hardware; mir war also klar, dass wir die Spieler nur dann in Versuchung führen könnten, wenn wir mit einigen echten Überraschungen aufwarten konnten.

Iwata:

Und „Pokémon Diamant-Edition“ ist ja auch ein Name, der durchaus Maßstäbe setzt.

Sugimori:

Alle im Team standen also unter großem Druck. Aber wann immer wir uns fragten, was Pokémon eigentlich ausmacht, stießen wir auf Dinge, die wir einfach nicht ändern konnten. Man kann sehen, was für uns unantastbar war, wenn man sich betrachtet, was nach wie vor unverändert im Spiel ist.

Iwata:

Ah, verstehe. Sie haben viel geändert; das, was unverändert geblieben ist, ist also wichtig für die Essenz eines Pokémon-Spiels.

Sugimori:

Genau. Es ist z. B. erstaunlich wichtig, dass am Anfang erstmal ein Professor spricht. Allein dadurch wirkt ein Spiel schon wie ein Pokémon-Spiel.

Iwata:

Ein Teil der Pokémon-Essenz besteht darin, dass ein Professor Sie auffordert, ein Pokémon auszuwählen.

Sugimori:

Ja. Ein weiterer Aspekt ist eine gewisse Bodenständigkeit. Bisher waren die Geschichten nicht besonders umfangreich. Sie spielten in Japan und beschrieben die Erlebnisse eines Jungen während eines Sommer. Das ist die Basis der Pokémon-Spiele.

Iwata:

Die Geschichte eines Jungen, der im Sommer Tiere fängt.

Sugimori:

Ja, es ist quasi eine Verlängerung davon. Die Grundlage eines Pokémon-Spiels ist die Entwicklung einer Geschichte in einem Land der Größe Japans, in dem ein Junge ohne besondere Kräfte oder Fähigkeiten auszieht, um Tiere zu fangen. Und im Verlauf der Handlung wird er ein wenig erwachsener. Diesmal spielt die Geschichte an einem Ort, der New York ähnelt. Das ist eine ganz andere Größenordnung, aber beim Entwickeln der Charaktere haben wir diese Grundlage im Hinterkopf behalten und versucht – wie soll ich das sagen? – nichts zu erstellen, das zu deplaziert wirkte oder zu sehr ins Fantastische abrutschte. Ich glaube, das Gefühl der Bodenhaftung und Realitätsnähe, das Gefühl, dass das Spiel nur eine Ausweitung der wahren Welt ist, ist sehr wichtig.

Iwata Asks
Iwata:

Verstehe. Mr. Masuda, was muss Ihrer Meinung nach in den Pokémon-Spielen bewahrt werden?

Masuda:

Wie Mr. Sugimori schon sagte, ist der erste Teil auch der wichtigste. In diesen Spielen

Video: überquert man nach einem Teil der Geschichte eine große Brücke

Jetzt würde ich gern auf etwas gänzlich anderes eingehen. Mr. Masuda erklärte, dass er umfassende Änderungen vornehmen wollte, da Sie einen ganz neuen Titel für dieselbe Hardware erstellten.
überquert man nach einem Teil der Geschichte eine große Brücke . Bis zu diesem Punkt hat sich die Welt nicht allzu stark verändert.

Iwata:

War das Absicht?

Masuda:

Ja. Wir haben absichtlich auf Änderungen verzichtet.

Iwata:

Sie haben extrem viel geändert, dies aber nicht. Andernfalls hätte das Spiel Ihrer Meinung nach nicht wie ein Pokémon-Spiel gewirkt.

Masuda:

Zuerst ist da ein Schild, auf dem der Name des Ortes steht, indem man sich befindet …

Iwata:

Das haben Sie beibehalten.

Masuda:

Ja. Wir erklären bewusst ganz genau, was der Pokédex ist, dass es Arenen und Pokémon-Center gibt und so weiter, damit die Spieler sich so schnell wie möglich in dieser Welt heimisch fühlen.

Iwata:

Bis zum Überqueren der Brücke haben Sie dieselbe Struktur beibehalten wie in früheren Pokémon-Spielen, weil Sie bei den Spielern keine Verwirrung über die Spielweise aufkommen lassen wollten.

Masuda:

Genau. Aber hinter der Brücke wird die Sache offener und wir teilen dem Spieler mit, dass er jetzt gehen und ganz nach Lust und Laune spielen kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Weltsicht ist der Versuch, immer ein Gefühl von Liebe und Frieden zu vermitteln. Ich will z. B. keine Welt erschaffen, in der niemand in der Straßenbahn einer älteren Person seinen Platz anbietet.

Iwata:

So war die Pokémon-Welt schon von Anfang an.

Masuda:

Ja. Und das ist wichtig.

Iwata:

Mr. Ishihara, was halten Sie für wichtig beim Erhalt der Pokémon-Essenz?

Ishihara:

Ich glaube, ein wichtiger Aspekt, der die Spieler so lange bei der Stange gehalten hat, ist die Tatsache, dass es egal ist, ob man zum ersten, zweiten oder zehnten Mal spielt – jeder fängt auf die gleiche Weise an; es gibt keine Verwirrung: Man betritt die Welt der Pokémon und erlebt immer wieder Wundersames. Und selbst bei neuen Generationen sind die Pokémon-Spiele etwas, mit dem man immer weiter spielt. Allerdings ist es kein dauerhaftes Erfolgsrezept, einfach nur Dinge zu erhalten, die sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen haben. Auch Änderungen sind äußerst wichtig, allerdings können diese nur von Entwicklern wie Mr. Masuda und Mr. Sugimori vorgenommen werden. Dieses Mal sind sie wirklich kompromisslos vorgegangen und haben ausnehmend viel geändert. Als ich die Spiele zu Gesicht bekam, dachte ich nur noch: „Aber war das nicht etwas, das wir hätten beibehalten müssen?!“ So viel ist diesmal umgestoßen worden.

Iwata Asks
Iwata:

Was denn zum Beispiel?

Ishihara:

Sie haben mir beispielsweise erklärt, dass die technischen Maschinen15 nach der ersten Verwendung nicht verschwinden würden. 15 Technische Maschine: Ein Objekt, das Pokémon dabei hilft, neue Angriffe zu erlernen.

Iwata:

Wirklich?!

Ishihara:

Ich habe natürlich gefragt: „Ist das wirklich okay so?!“ (lacht)

Iwata:

Das hätte ich auch! (lacht)

Ishihara:

Bislang verschwanden die Maschinen nach einer Verwendung. Daher hatten sie sich zu einem Objekt entwickelt, von dem manche Spieler sämtliche Exemplare sammeln (es gibt 50 davon) und sie niemals verwenden.

Iwata:

Für manche fungierten sie nur als Sammelobjekt.

Ishihara:

Dabei wollen wir doch, dass die Spieler viele verschiedene Manöver ausprobieren. Aber wie Mr. Masuda schon sagte, war ich schon zu lange mit der Serie befasst und bewegte mich in sehr eingefahrenen Bahnen. Es war sehr erfrischend, diese festgefahrenen Strukturen aufzubrechen. Und da wurde einiges zerlegt! Die Macher selbst haben die größte Macht, ihr eigenes Spiel aufzubrechen.

Iwata:

Zuerst gab es also jemanden, der alles aufbrechen wollte, und jemanden, der sich beschwerte – „Dieser Typ hört nicht zu, egal was wir sagen!“ –, sich dann aber trotzdem mit voller Kraft in die Demontageaktion stürzte! (lacht)

Sugimori:

(lacht)

Iwata:

So kam es also zu den Änderungen. Sie hoffen sicher, dass alle, die schon gespannt darauf sind, die Änderungen selbst zu sehen, die Spiele spielen werden.

Ishihara:

Natürlich. Sie sollen sehen, was neu ist und was geblieben ist.