4. Unglaubliche Möglichkeiten!

Iwata:

HeartGold und SoulSilver, über die wir heute sprechen, sind ja Remakes von Pokémon Gold und Silber. Vorher hatten Sie aber schon Remakes von Rot und Grün entwickelt, nicht wahr?

Ishihara:

Ja, die Remakes hießen Feuerrot und Blattgrün17. Das heißt, mit HeartGold und SoulSilver ist es das zweite Mal in der Pokémon-Reihe, dass wir Remakes herausbringen. 17 und erschienen am 29. Januar 2004 in Japan für Game Boy Advance. Es waren Remakes von Rot und Grün mit einer Reihe von zusätzlichen Features.

Iwata Asks
Iwata:

Zu der Zeit von Feuerrot und Blattgrün habe ich gedacht, dass es ja großartige Spiele für Pokémon-Neulinge wären, aber dass es nicht reichen würde, wenn sie genauso wären wie die alten Original-Spiele, weil sie ja auf der neuen Hardware des Game Boy Advance18 erscheinen würden. Deshalb wollte ich Ihnen den Wireless Adapter19 zeigen, der gerade erst fertig gestellt worden war. Ich wollte Sie wirklich unbedingt überzeugen. 18Der Game Boy Advance war die nächste Konsole in der Entwicklungsreihe nach dem Game Boy Color, und erschien am 21. März 2001 in Japan. 19Der Wireless Adapter war ein Zubehör für den Game Boy Advance, mit dem drahtlose Multiplayer-Spiele möglich waren. Er wurde zusammen mit Pokémon Feuerrot und Blattgrün am 29. Januar 2004 in Japan ausgeliefert.

Ishihara:

Ach ja, richtig! (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Ich dachte, das sei doch etwas, das ich unbedingt Mr. Ishihara, dem "König der tragbaren Spielzeuge" zeigen müsste.

Ishihara:

Damals habe ich aus heutiger Sicht völlig offensichtliche Fragen gestellt, wie z.B.: "'Drahtlos' bedeutet also, dass es keine Kabel mehr gibt, oder?" (lacht)

Iwata:

Ja, stimmt! (lacht)

Ishihara:

Na ja, wir hatten bei Pokémon ja auch noch diese analoge Idee, dass man Pokémon tauschen konnte, indem man zwei Konsolen mit einem Kabel verbindet. Also habe ich Sie mit Fragen gelöchert, wie z.B.: "Was kann man denn dann damit machen?" und "Wie weit kann man dabei voneinander entfernt sein?" Schließlich wurde mir klar, wie innovativ der Wireless Adapter war und ich dachte: "Die Möglichkeiten der Wissenschaft sind unglaublich!" (lacht)

Iwata:

"Die Möglichkeiten der Wissenschaft sind unglaublich!" Das ist doch auch die erste Dialogzeile in Rot und Grün, oder? (lacht) Jedenfalls haben wir Game Freak davon überzeugen können, sich den Wireless Adapter anzusehen, weil Sie so positiv darauf reagiert haben.

Morimoto:

Ja, stimmt. Wir haben damals Tests durchgeführt, um herauszufinden, aus welcher Distanz man das drahtlose Signal empfangen konnte. Da haben die Mitarbeiter von Game Freak den Konferenzraum verlassen und sagten: "Schaut mal! Wir sind immer noch verbunden!" (lacht)

Iwata:

Es hat viel Spaß gemacht zu sehen, wie es alle Leute ausprobiert haben. Am Ende standen immer Gruppen von Leuten da, die alle sagten: "Unglaublich, was die Wissenschaft alles ermöglicht!" (lacht) Aber ich glaube wirklich, dass es uns auf den richtigen Weg für den heutigen Nintendo DS gebracht hat, als wir damals die Möglichkeiten der Drahtlos-Technologie erkannt haben.

Iwata Asks
Ishihara:

Ich weiß, was Sie meinen.

Iwata:

Später haben die Entwickler der Hardware ganz offen gesagt, dass sie uns erst für verrückt hielten, weil wir so ein kostspieliges Zubehör zusammen mit der Software verkauften. Aber sie haben auch gesagt, dass die Erfahrung, die sie da mit der Drahtlos-Technologie gesammelt haben, noch sehr wertvoll für sie war, als dann die Arbeit am DS losging.

Ishihara:

Durch den Wireless Adapter hat sich im Vergleich mit den Vorgängertiteln sogar das Pokémon-Tauschen auch schon originell und innovativ angefühlt.

Morimoto:

Dadurch hat sich auch der Ablauf von Pokémon-Treffen ganz schön verändert, nicht wahr?

Iwata:

Als man noch Verbindungskabel benutzen musste, standen die Leute geduldig für Stunden in der Schlange...

Ishihara:

Und dann konnten wir 'Legendäre Pokémon' auf einmal ganz ohne Wartezeit direkt verteilen.

Iwata:

Als Sie die Remakes von Rot und Grün gemacht haben, konnten Sie durch die Nutzung des Wireless Adapters ganz neue Spiel-Elemente umsetzen. Diesmal ist schon ein Jahrzehnt seit der Erstveröffentlichung von Gold und Silber vergangen, deshalb wollte ich jetzt auch neue Elemente sehen, bei denen die Spieler das Gefühl haben, dass es ein ganz neues Pokémon-Spiel ist. Und Mr. Ishihara, Sie haben ja selber auch über diese Sachen nachgedacht... (lacht)

Ishihara:

Ja, richtig! (lacht)

Iwata:

Und genau im richtigen Moment arbeiteten wir dann an "Laufrhythmus DS."20 Ich habe es Ihnen natürlich gezeigt, immerhin sind Sie der "König der tragbaren Spielzeuge!" (lacht) 20"Laufrhythmus DS - Bring Bewegung in dein Leben!" ist ein Nintendo DS Software-Titel, der am 1. November 2008 in Japan erschien. Dabei werden die Schritte des Benutzers in Intervallen von einer Minute erfasst, so dass die Benutzer die Distanz vergleichen können, die sie bei ihren täglichen Aktivitäten zurückgelegt haben.

Ishihara:

Das Software-Element von "Laufrhythmus DS" wurde ja von Creatures Inc. entwickelt, deshalb hab ich mich sehr dafür interessiert. Und als ich den Actimeter21 dann selber gesehen habe, fand ich es sehr interessant, dass es keine Anzeige gab, auf der man die Schritt-Anzahl sehen konnte, und dass er so leicht war, dass man ihn völlig ohne Probleme in der Tasche dabei haben konnte. Als der Titel dann auf den Markt kam, bin ich jeden Tag mit dem Actimeter herumgelaufen. 21Der Actimeter ist ein Schrittzähler, der zusammen mit "Laufrhythmus DS" verkauft wurde und die Anzahl der Schritte aufzeichnet, die die Benutzer gemacht haben. Er kann z.B. auch an einem Hundehalsband angebracht werden.

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben ja einen Hund, deshalb sind Sie bestimmt eh schon regelmäßig spazieren gegangen.

Ishihara:

Meine Frau und ich haben Hunde, deshalb haben wir zwei Actimeter gekauft, haben Sie an den Halsbändern unserer Hunde befestigt und sind mit ihnen spazieren gegangen. Aber einmal habe ich irgendwie einen verloren. (lacht) Und ungefähr einen Monat später war ich wie gewöhnlich mit dem Hund spazieren, als ich in einer Pfütze so ein schwarzes verdrecktes Objekt gesehen habe...

Iwata:

Das gibt's doch gar nicht...! (lacht)

Ishihara:

Das hab ich auch gedacht: "Das gibt's doch gar nicht..." (lacht) Ich dachte schon, dass ich ihn irgendwo in der Nähe verloren haben musste, aber es war schon einen ganzen Monat her und natürlich hatte ich die Suche längst aufgegeben. Als ich ihn aufgehoben und den Schlamm abgewischt habe, fiel mir auf, dass das rote Licht noch leuchtete. Ich dachte nur: "Wow!" und habe ihn mit nach Hause genommen. Als ich ihn an den DS angeschlossen habe, habe ich gesehen, dass es der Actimeter von Pocky war. Oh, ich sollte vielleicht dazu sagen, dass Pocky einer von meinen Hunden ist! (lacht)

Iwata:

Okay. (lacht)

Ishihara:

Obwohl er einen ganzen Monat den Elementen ausgesetzt war, hat er noch funktioniert. Das hat mich damals ganz schön begeistert. Auf so was gibt Nintendo bei diesem Produkt ja eigentlich keine Garantie...

Iwata:

Ja, natürlich nicht! Er ist ja auch nur gegen Spritzwasser geschützt22! (lacht) 22Ein Produkt, das gegen Spritzwasser geschützt ist, kann ohne Probleme leichtem Regen und Schweiß ausgesetzt werden, aber nur komplett wasserdichte Geräte können untergetaucht werden.

Ishihara:

Aber weil ich persönlich diese Erfahrungen gemacht hatte, dachte ich, dass ich das Gerät gerne noch irgendwie einsetzen wollte. Ich dachte, dass man das gut mit einer Pokémon-Idee verbinden könnte, z.B. indem man die Daten des Schrittzählers direkt ins Spiel integriert. Außerdem fand ich es interessant, es als Nachfolger des Pokémon Pikachu-Schrittzählers weiterzuentwickeln.

Iwata Asks
Iwata:

Also sagten Sie: "Kann man damit nicht das Pokémon Pikachu-Gerät neu aufziehen?" Als wir am Actimeter arbeiteten, hatten wir irgendwie überhaupt nicht an Pokémon Pikachu gedacht. Obwohl bei beiden die Schritte gezählt werden, sind sie doch auf ganz unterschiedliche Art entstanden, und es gab keine Entwickler, die an beiden Projekten gearbeitet haben. Als Sie den Vorschlag dann das erste Mal erwähnt haben, wurde mir plötzlich klar: "Sie haben absolut Recht!" Wenn man an vielen verschiedenen Produkten arbeitet, geht man manchmal davon aus, dass sie völlig unabhängig von einander sind. Aber es passieren die komischsten Zufälle, und auf einmal sieht man eine Verbindung. Ich glaube, so werden bestimmt viele neue Möglichkeiten entdeckt.

Ishihara:

Zusammen mit Gold und Silber veröffentlichten wir Pokémon Pikachu Color23. Diesmal wollten wir aber ein vergleichbares Gerät umsetzen, das wirklich zeigt, wie sich die Möglichkeiten bei diesem Titel erweitert haben. 23Pokémon Pikachu Color ist eine erweiterte Version des Pokémon Pikachu-Geräts, das in Japan am 21. November 1999 veröffentlicht wurde. Es hat ein Farb-Display und kann mit Pokémon Gold und Silber verbunden werden.

Iwata:

Als ich Sie das sagen gehört habe, wusste ich genau, was Sie damit meinen.

Iwata Asks