4. Zeichnen Sie einen Teppich!

Miyamoto:

Wenn ich mich recht entsinne, war die erste Animation, die Mr. Kotabe für uns gezeichnet hat, eine von Luigi, der sich im Kreis dreht. Wir konnten nicht so viele Frames einbauen und konnten sie leider nicht in einem Spiel verwenden.

Kotabe:

Genau. Zu der Zeit habe ich viele Dinge gezeichnet, die niemand nutzen konnte.

Miyamoto:

Dann ergab sich aber eine Möglichkeit für etwas, wovon ich dachte, dass Mr. Kotabes Arbeit von Interesse wäre. Wir haben an diesem Projekt zusammen mit Fuji Television gearbeitet.

Iwata:

Yume Kojo: Doki Doki Panic13?

13 "Yume Kojo: Doki Doki Panic" war ein Spiel für das Family Computer Disk System, das in Zusammenarbeit zwischen Nintendo und Fuji Television entwickelt und 1987 veröffentlicht wurde. Später war es die Basis für "Super Mario Bros. 2", das ursprünglich 1992 erschien.

Kotabe:

Ah, ich erinnere mich daran.

Miyamoto:

Ich wollte, dass die Teppichbewegung flüssig aussieht.

Iwata:

Ach, das. (lacht)

Miyamoto:

Ich wollte, dass er wie ein echter Teppich aussieht, und dachte mir, ich frage Mr. Kotabe. Also habe ich Mr. Kotabe, dem großen Künstler, gesagt: "Zeichnen Sie mir einen Teppich, bitte!"

Iwata:

Das klingt gar nicht gut. (lacht)

Alle:

(lachen)

Kotabe:

Und ich habe ihm einen Teppich gezeichnet, dessen Bewegungen flüssig aussahen, und er sagte mir, er hätte zu viele Frames!

Miyamoto:

Die ursprüngliche Animation bestand aus über zehn Frames, wir mussten aber einige ausschneiden und identische Frames sich immer wiederholen lassen, damit die Bewegung des Teppichs authentisch war.

Kotabe:

Ich glaube, es waren drei. Und wir haben sie auch rückwärts eingebaut.

Miyamoto:

Das war also das erste Videospiel, bei dem ich um die Hilfe von Mr. Kotabe gebeten habe.

Iwata:

Sie haben ihn aber auch gebeten, viele Bilder von Mario anzufertigen.

Kotabe:

Mario war damals nur eine Pixelgrafik, deshalb war die einzige Referenz das Bild auf der Verpackung von "Super Mario Bros.".

Iwata Asks
Miyamoto:

Stimmt genau. Mr. Kotabe hat aus diesem Bild den Mario geschaffen, den wir heute kennen.

Schon seit der Entwicklung von "Donkey Kong"14 habe ich viele grobe Zeichnungen von Mario mit Bleistift angefertigt und sie einem externen Zeichner zum Verbessern gegeben. Als wir an "Super Mario Bros." gearbeitet haben, dachte ich daran, einen professionellen Manga-Künstler oder bekannten Zeichner zu beauftragen, aber uns lief die Zeit davon und so habe ich das Bild für die Verpackung selbst gezeichnet.

14 "Donkey Kong" war ein Arcade-Spiel von Nintendo aus dem Jahr 1981. Es erschien 1983 für das NES.

Kotabe:

Als ich also Mario gezeichnet habe, hatte ich nur dieses eine Verpackungsbild, an dem ich mich orientieren konnte. Dann hörte ich, dass Mr. Miyamoto der Künstler war, der es gezeichnet hatte, und stellte ihm alle möglichen Fragen. Geht dieses Gesicht in Ordnung? Passt das zu ihm?

Iwata Asks
Miyamoto:

So war es. Er hat mir sehr viele Fragen gestellt. Das Faszinierende ist, dass sowohl Mr. Kozai als auch Mr. Kotabe so unglaublich talentiert sind.

Iwata:

Jemand, der das Zeichnen viel besser beherrscht als Sie, hat Sie gefragt, wie er etwas zeichnen soll. Das muss Ihnen gefallen haben. (lacht)

Alle:

(lachen)

Miyamoto:

Peach hat sich ganz verändert. Ich habe ihm gesagt, was ich wollte, also beispielsweise, wie ich mir ihre Augen vorstellte, nämlich als die einer Katze.

Kotabe:

Und, dass sie stur aussehen sollte.

Iwata Asks
Miyamoto:

Stur, aber auch ein wenig niedlich. (lacht) Bowser hat sich auch unheimlich geändert. Ich hatte Mario schon eine Weile lang gezeichnet, also hatte ich eine klare Vorstellung, wie er aussehen sollte. Aber ich habe noch nicht so viele Bilder von Bowser gezeichnet und konnte die Linien nicht so richtig verbinden. Mir gefällt die Arbeit von Toei Animation aus der Zeit von "Alakazam the Great"15, und der Ochse, der in diesem...

15 "Alakazam the Great" war ein Anime-Film aus dem Jahr 1960, der von Toei Animation produziert wurde.

Kotabe:

Ja, ich erinnere mich, wie Sie mich darauf angesprochen haben.

Miyamoto:

Ich erzählte ihm, wie sehr mir dieser Ochse gefallen hatte.

Kotabe:

Der Ochsenkönig. Mr. Miyamoto mochte den Ochsen. So ähnlich hat er sich auch Bowser vorgestellt. Wenn Sie sich die Verpackungsbilder ansehen, die er gezeichnet hat, da sieht Bowser schon ein wenig wie ein Ochse aus. Doch dann kam Takashi Tezuka und sagte...

Miyamoto:

Er sagte, er wäre eine Schildkröte.

Kotabe:

Ich dachte, "Oh, soll das eine Schildkröte sein?"

Alle:

(lachen)

Iwata Asks
Miyamoto:

Ich hatte da etwas Unverständliches gezeichnet – einen Schildkrötenkörper mit einem Ochsenkopf drauf! (lacht) Im Laufe unserer Unterhaltungen wurde sein Erscheinungsbild schließlich immer deutlicher. Da Bowser, wie die Koopa, zu der Schildkrötenfamilie gehörte, fingen wir an, Gemeinsamkeiten zwischen den beiden zu sehen. Wir kopierten diese so detailgetreu wie möglich in die darauf folgenden Abbildungen. Ich fing schon an, mir selbst zu gratulieren: "Wow, ich kann Bowser jetzt so richtig cool aussehen lassen!"

Iwata:

Sie haben von Mr. Kotabes Zeichnungen gelernt, Ihre Erkenntnisse in das Spiel eingebaut und plötzlich sah alles viel besser aus. Mit der Zeit wurden Spiele immer häufiger dreidimensional dargestellt, und Mr. Kotabes Fähigkeiten erwiesen sich als sehr wichtig für uns.

Kotabe:

Als wir "Super Mario 64"16 entwickelten, traf sich das ganze Entwicklungsteam regelmäßig zu Meetings.

16 "Super Mario 64" ist ein 3D-Jump'N'Run-Spiel, das 1996 für den Nintendo 64 erschien.

Iwata:

Da wir über "Super Mario 64" reden, erteilen wir doch am besten Mr. Koizumi das Wort. Dabei wollte ich, dass er schon zu Wort kommt, als wir Flipnote Studio erwähnten.

Koizumi:

Das macht doch nichts.

Iwata:

Mr. Koizumi, wie war Ihr erstes Treffen mit Mr. Kotabe?

Koizumi:

Die erste Person, mit der ich in der Firma zusammengearbeitet habe, war Mr. Kotabe.

Iwata Asks
Miyamoto:

Um ehrlich zu sein, ich habe Mr. Kotabe bei Ihrer Einstellung um seine Meinung gebeten. (lacht)

Iwata:

Wirklich?! (lacht)

Koizumi:

Die beiden Herren haben mich bei meinem Vorstellungsgespräch befragt.

Kotabe:

Mr. Koizumi brachte eine Animation mit, die er als Teil seiner Abschlussarbeit angefertigt hatte, und ich habe sie mir angesehen. Er hatte tatsächlich Erfahrung darin. Nun, wie dem auch sei, aus irgendeinem Grund war ich einer der Gesprächspartner. Ich löcherte ihn mit allerlei unangenehmen Fragen wie: "Wenn Sie solch gute Animationen zeichnen können, warum wollen Sie dann ausgerechnet in der Videospielindustrie arbeiten?"

Koizumi:

Also fing ich an, meine Theorie von Anime darzulegen, dann sogar meine Theorie von Videospielen.

Iwata:

Was für ein Student Sie doch waren! Sie haben Mr. Kotabe die Theorie von Anime erläutert und Mr. Miyamoto über die Theorie von Videospielen aufgeklärt!

Alle:

(lachen)

Koizumi:

Ich hatte ja keine Ahnung, dass die zwei Personen vor mir Mr. Kotabe und Mr. Miyamoto waren! Selbst wenn ich ihre Namen gekannt hätte, ich wusste nicht wie sie aussahen. Und überhaupt, ich war doch nur ein Student und entsprechend nervös. Ich dachte mir, ich kann nichts verlieren und bin voll aufs Ganze gegangen, also fing ich an, mit meinen Theorien um mich zu werfen. Selbst heute noch schaudert es mich, wenn ich darüber nachdenke. (lacht)

Kotabe:

Mr. Miyamoto sagte mir, Sie waren eine Weile lang weiter als Charakterzeichner vorgesehen.

Miyamoto:

Ich bat ihn, die Fähigkeiten von Mr. Koizumi weiterzuentwickeln.

Koizumi:

Wirklich? Das wusste ich nicht.

Kotabe:

Woran ich mich aus der Zeit gut erinnern kann ist "Mario Kart"17. Bei Toei Animation sagte man uns immer: "Sehen Sie sich das im echten Leben an," also habe ich mir die Mittel absegnen lassen, um genau dies zu tun.

17 "Super Mario Kart" erschien ursprünglich 1992 für das Super NES.

Koizumi:

Wir haben ein wenig Feldforschung betrieben. Ich bin zum ersten Mal mit einem Gokart gefahren und habe mir die Struktur dieser Fahrzeuge genauer angesehen.

Kotabe:

Sich Fotos anzusehen oder nach Material im Internet zu suchen, reicht nicht aus. Sie müssen sich das in Echt ansehen und in sich aufnehmen, es verinnerlichen. Diese Exkursion hat sich bei der Arbeit an "Mario Kart" bezahlt gemacht.

Koizumi:

Ja. Dank Ihnen.

Kotabe:

Doch dann waren die Spielentwickler unterbesetzt und Mr. Koizumi wurde mir abgejagt.

Iwata:

Mr. Miyamoto bat Sie, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln, nur um ihn Ihnen dann abzujagen. (lacht)

Kotabe:

Wie sonst erklären Sie sich, dass ich 21 Jahre bei Nintendo geblieben bin!

Alle:

(lachen)