1. "Chotto"

Iwata:

Bitte stellen Sie sich erst einmal vor.

Takahashi:

Ich bin Shinya Takahashi aus der Softwareentwicklungs- & Design-Abteilung. Diesmal war meine Aufgabe die grobe Koordination der gesamten DSiWare, und außerdem die Arbeit an "Gehirn-Jogging1". Ich habe schon an der ‚Iwata fragt’-Sitzung über den Nintendo DSi Browser teilgenommen und ich freue mich auf unser heutiges Gespräch.

1 "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging – Wie fit ist Ihr Gehirn?": In Europa im Juni 2006 für Nintendo DS erschienen.

Kawamoto:

Ich bin Koichi Kawamoto, ebenfalls aus der Softwareentwicklungs- & Design-Abteilung. Ich war an der Entwicklung von "Gehirn-Jogging" und "Mehr Gehirn-Jogging2. beteiligt. Diesmal habe ich die Entwicklung von "(Dr. Kawashimas) Gehirn-Jogging für zwischendurch" geleitet. (Der japanische Titel ist "Chotto Brain Training". Das Wort ‚Chotto’ lässt sich nicht eindeutig übersetzen. Unter anderem kann es "schnell", "kurz" oder "ein wenig" bedeuten.)

2"Dr. Kawashima: Mehr Gehirn-Jogging – Wie fit ist Ihr Gehirn?": In Europa im Juni 2007 für Nintendo DS erschienen.

Iwata:

Die Idee für "(Dr. Kawashimas) Gehirn-Jogging für zwischendurch" entstand in einem Meeting eines Software-Subkomitees als wir am Nintendo DSi als neue Spielekonsole gearbeitet haben, nicht wahr? Hieß das nicht Subkomitee für... ich weiß nicht, irgendwas?

Kawamoto:

Wenn ich mich richtig erinnere, war es das Download-Software-Subkomitee.

Iwata:

In diesem Subkomitee kamen Mitglieder aus verschiedenen Teams zusammen, um über eine Reihe von kleineren Software-Titeln nachzudenken, die man als Teil des "Mein DS"-Konzepts aus dem Internet herunterladen könnte.

Kawamoto:

Ja. In dem Subkomitee waren Sie, Goro Abe vom "WarioWare: Snapped!"-Team, Akifusa-san von Nintendo DSi Sound, und ich.

Iwata:

Als wir die ersten Treffen abgehalten haben, ging es sehr langsam vorwärts.

Kawamoto:

Zu dieser Zeit war es noch sehr unklar, was für eine Spielekonsole der Nintendo DSi werden würde. Wir sammelten alle möglichen groben Ideen, aber es war nichts Herausragendes dabei.

Iwata Asks
Iwata:

Da sich keine Idee besonders abgehoben hat, wurden es immer mehr mögliche Projekte. Das ist die schlimmste Situation.

Kawamoto:

Die Ideen waren alle nicht total daneben. Das war Teil des Problems.

Iwata:

Über manche konnte man sehr unterhaltsam sprechen, sie waren aber nicht sehr realistisch.

Takahashi:

Ich habe selber nicht an den Treffen teilgenommen, aber weil ich Kawamoto-san kommen und gehen sah, wusste ich, dass sie schon eine ganze Zeit lang stattfanden.

Kawamoto:

So war es. Sie liefen für ungefähr sechs Monate – nein, sogar noch länger. Es gab den Vorschlag, eine ‚Chotto’-Serie herauszubringen, aber diese Idee wurde unter den ganzen anderen Vorschlägen begraben.

Takahashi:

Es war Iwata-sans Idee, ‚Chotto’ im Namen zu verwenden.

Iwata Asks
Kawamoto:

Wir haben darüber gesprochen, was nach der ‚Touch! Generations’-Reihe folgen sollte, und Iwata-san schlug – ich glaube, nicht ganz ernst gemeint – ‚Chotto! Generations’ als eine Möglichkeit vor. (lacht)

Iwata:

Ja, ich machte Scherze über ‚Chotto! Generations’, aber das mit der ‚Chotto’-Reihe habe ich ernst gemeint. Ich glaube, immer mehr Leute sind zögerlich, ein Videospiel zu spielen – obwohl sie Spaß daran hätten – weil es den Anschein macht, dass man dafür so viel Zeit braucht.

Daher wollten wir den DSi unter dem Konzept „Mein DS“ herausbringen – eine Konsole pro Person. Wir haben uns gefragt, was wir für Spiele entwickeln können, die von unseren Kunden kurz zwischendurch gespielt werden können und die trotzdem spannend sind.

Wir fanden es immer gut, den Spieler in die Spielwelt zu ziehen, aber ist das wirklich alles? Wenn man ein Spiel mit der Idee entwickeln würde, dass man genau darauf verzichten will, wie würde dann das Ergebnis aussehen?

Als ich darüber nachgedacht habe, schien es mir eine gute Sache zu sein, wenn es eine ‚Chotto’-Spielreihe geben würde, die man im Alltag immer kurz zwischendurch spielen oder benutzen könnte. Ich erinnere mich an die starke Reaktion, die es bei Kawamoto-san ausgelöst hatte, als ich ihm davon erzählte.

Kawamoto:

Das stimmt. In meinem eigenen Leben fällt mir auf, dass TV-Sendungen und Filme zu einer bestimmten Zeit zu Ende sind, so dass ich weiß, wann ich ins Bett gehen kann. Aber bei Videospielen vergeht einfach immer mehr Zeit. Das kann schon ein wenig beunruhigend sein.

So kommt es zu einer merkwürdigen Situation. Videospiele machen Spaß, aber trotzdem will man sie vielleicht nicht spielen. Ich dachte, es wäre schön, wenn es ein Spiel geben würde, das nicht so wäre. Ich fand es auch eine gute Idee, wenn das Spiel vielleicht sogar selber fragen würde: "Ist es nicht langsam Zeit mal aufzuhören?"

Iwata Asks
Iwata:

Ich war an der Entwicklung von "EarthBound3. " beteiligt. Nach zwei Stunden rief Ness’ Vater an und sagte: "Tut mir leid, dass ich störe, aber vielleicht sollten Sie mal eine Pause machen?" Es ist bemerkenswert, wenn ein Spiel den Spielern vorschlägt, mal eine Pause einzulegen. Nach dieser Erfahrung in der Vergangenheit weiß ich genau, was Sie meinen.

3 EarthBound": Erschien in Japan für das Super Nintendo Entertainment System.

Kawamoto:

Das stimmt. Eigentlich gibt es keinen Grund, warum man das nicht auch bei anderen Spielen machen könnte, ob es jetzt ein Rollenspiel oder etwas äußerst Umfangreiches wie Zelda ist, aber wenn man mich darum bitten würde, müsste ich so viel ändern, dass das nicht alles auf einmal gehen würde. Aber ein Spiel wie "Gehirn-Jogging" ist von vornherein auf kurze Spielsitzungen ausgerichtet, daher konnten wir schon mit diesem Ziel im Kopf anfangen.

Takahashi:

Aber erstmal hatten wir Startschwierigkeiten.

Kawamoto:

Ich erinnere mich.

Takahashi:

Als Producer hätte ich es sehr gut gefunden, ein "Gehirn-Jogging"-Spiel als Modell für die gesamte ‚Chotto’-Reihe zu entwickeln, aber zu diesem Zeitpunkt – ich glaube, das war im Mai 2008 – gab es große Diskussionen darüber, was ‚Chotto’ bedeutet. Einige sahen es so, andere so.

Iwata Asks
Iwata:

Ich kann mich erinnern. Ganz Nintendo versuchte zu definieren, was darunter zu verstehen ist. Sie dachten, dass mein Verständnis von ‚Chotto’ sich ein wenig von Miyamoto-sans Auffassung unterschied.

Takahashi:

Aber nicht nur ein wenig. In meinen Augen haben Sie beide an völlig unterschiedliche Dinge gedacht.

Miyamoto-san schien zu denken, dass es in der ‚Chotto’-Reihe darum gehen sollte, Wii-Software zu kaufen, die dann auf verschiedene Arten auf den DS übertragen und dort gespielt werden könnte.

Iwata:

Aber wir beide gingen davon aus, dass man die Spiele in kurzen Sitzungen spielen würde. Ich habe mir unter ‚Chotto’ eher vorgestellt, dass man für wenig Geld etwas spielen könnte.

Takahashi:

Aber Miyamoto-san dachte, dass die ‚Chotto’-Reihe beinhalten würde, dass die Spieler Wii-Software kaufen würden, die dann zum Spielen in kleinere Elemente aufgeteilt würde, deshalb war ich verwirrt.

Iwata:

Meistens sind Miyamoto-san und ich uns einig, und dann gibt es keine Probleme. Aber wenn wir uns nicht einig sind – so, wie es diesmal war – entstehen anscheinend große Probleme für alle. Ging es Ihnen auch so, Takahashi-san?

Takahashi:

Da muss ich zustimmen! (lacht) Es stimmt schon, was Sie beide gesagt haben, war nicht ganz unähnlich, aber es war auch nicht ganz dasselbe. Und weil Sie beide nachvollziehbare Positionen hatten, wusste ich wirklich nicht, was ich tun soll!