2. Genügend Arbeit für zwei Konsolen

Iwata:

Von der Planung bis zur Fertigstellung des Nintendo DSi gab es sicher viele Irr- und Umwege, aber was war im Nachhinein das Schwierigste?

Kuwahara:

Hmm... Ich glaube, das war die plötzliche Veränderung der Maße. Wir hatten die Entwürfe schon fertig und waren fast bereit, die Produktionsformen herzustellen.

Iwata:

Können Sie uns davon erzählen?

Kuwahara:

Natürlich. Im Oktober 2007 waren die Entwürfe fast fertig, aber wir hatten die Produktionsformen noch nicht hergestellt. Also haben wir die Produzenten der 'Entertainment Analysis'- und Entwicklungs-Abteilung zusammengerufen, um innerhalb der Firma eine Präsentation zu machen. Die Reaktionen waren nicht so begeistert und - um ehrlich zu sein - damit hatten wir fast schon gerechnet. Aber in Hinblick auf die festgelegten Spezifikationen konnten wir am Ergebnis nichts ändern. Wir haben das Produkt enthüllt, aber waren die ganze Zeit im Zweifel, ob es so in Ordnung sein würde.

Iwata:

Aber Sie hatten das Gefühl, dass es schon zu spät war, um neu anzufangen.

Kuwahara:

Genau. Ich habe die Präsentation mit allen Unsicherheiten machen müssen und habe am Ende alle gefragt, ob dies ein Spiel-System sei, dass sie gerne besitzen würden. Das Ergebnis war drei zu sieben. Drei Leute wollten es, sieben nicht. Und ich kann mir vorstellen, dass einige sogar ihre wirkliche Meinung zurückgehalten haben, weil einer der Designer vor ihnen stand. Tatsächlich waren die Meinungen wahrscheinlich eins zu neun.

Iwata:

(lacht)

Kuwahara:

Es war so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Wir haben alles schnell neu überdacht, uns dafür entschieden, auf eine bestimmte Vorgabe zu verzichten, und haben neu angefangen. So näherten wir uns dann der heutigen Form.

Iwata Asks
Iwata:

Ähm, ich glaube, es ist leichter zu verstehen, wenn ich noch sage, welches die "bestimmte Vorgabe" war. Eigentlich war der Nintendo DSi so entworfen, dass zwei DS-Spiele eingesetzt werden konnten.

Kuwahara:

Richtig. Es gab zwei Kartenschlitze.

Iwata:

Es gab natürlich viele Anfragen von Spielern nach zwei Kartenschlitzen, aber auch intern gab es Anfragen. Wir hielten das auch für eine gute Idee und obwohl uns klar war, dass das den Nachteil größerer Maße mit sich bringen würde, wollten wir die zwei Kartenschlitze umsetzen. Aber als Sie und Ihr Team ein Modell hergestellt hatten und ich es in den Händen hielt, hatte ich nur einen Gedanken: "Es ist so groß!"

Kuwahara:

Im Vergleich mit der endgültigen Version war es wirklich viel größer. Es war auch ungefähr drei Millimeter dicker.

Iwata:

Das ließ sich nicht vermeiden, wenn man zwei Kartenschlitze umsetzen wollte. Daher haben Sie diesen Plan aufgegeben und entschieden, das Gerät kleiner zu machen.

Kuwahara:

Ja. Die Größenveränderung war nicht einfach. Das hat mich ganz schön beeindruckt.

Iwata:

Bei der Präsentation waren die internen Entwürfe schon fertig. Sie hatten die Konfiguration der Bauteile schon festgelegt, hatten Prototypen getestet und Stabilität und Montage überprüft. Sie dachten, Sie hätten schon alles hinter sich. Und dann, kurz vor dem Beginn der Fertigung, mussten Sie die Größe ändern! Sie mussten praktisch die Arbeit für zwei Systeme übernehmen!

Iwata Asks
Kuwahara:

Das musste ich wirklich! (lacht) Tja, das ist eben Nintendo. Wir sind bekannt dafür, dass wir häufig "den Kaffeetisch umwerfen"*!

* "den Kaffeetisch umwerfen" (chabudai gaeshi) ist eine Anspielung auf den japanische Comic-Klassiker und die dazugehörige Zeichentrickserie 'Hoshi of the Giants'. Der Vater in der Serie warf einmal den Kaffeetisch um, als die Familie gerade beim Essen saß. Shigeru Miyamotos Arbeitsstil wird oft damit verglichen, da er dazu neigt, in letzter Minute Vorschläge zu machen, die nur mit Mühe vor Ablauf der Zeit noch umgesetzt werden können.

Iwata:

Ich frage mich, wie es bei Hardware-Entwürfen aussieht, wenn man den Kaffeetisch umwirft! (lacht)

Kuwahara:

(lacht)

Iwata:

Natürlich wurde das Veröffentlichungsdatum durch diese Entscheidung nach hinten verschoben und Sie mussten den Entwurf mit zwei Kartenschlitzen aufgeben. Aber es war wichtiger, dass viele Leute, die einen Nintendo DSi sehen, einen haben wollen.

Kuwahara:

Richtig.

Iwata:

Was ist dann passiert?

Kuwahara:

Danach ging alles schneller. Da wir die interne Struktur schon festgelegt hatten, konnten wir mit der nächsten Stufe des Designs weitermachen. Der Zeitplan war unglaublich knapp, aber die internen Designer haben großartig mit uns zusammengearbeitet. Viele von ihnen hatten schon seit der Präsentation des viel größeren Gehäuses Vorschläge gemacht, wie man die Größe reduzieren könnte. Obwohl sie gerade erst eine Design-Phase hinter sich hatten!

Iwata:

Ich nehme an, dass allen klar war, dass an der Dicke gearbeitet werden musste.

Kuwahara:

Ja. Als ich ihnen dann sagte, dass wir alles noch einmal machen müssen, waren sie froh.

Iwata:

Obwohl das mehr Arbeit bedeutete! (lacht)

Kuwahara:

Ja. Aber ich habe mich wirklich gefreut.

Iwata:

Sie mussten schließlich also zwei Entwürfe entwickeln. Manche würden vielleicht sagen, dass Ihnen schon vorher hätte klar sein müssen, dass das Gerät zu groß werden würde, aber es macht einen großen Unterschied, ob man sich Einzelteile und Baupläne ansieht und mit einem nicht funktionierenden Design-Modell arbeitet, oder ob man ein funktionierendes Modell in der Hand hat, das sehr nah am endgültigen Gerät ist. Ich muss aber schon sagen, dass das erste Gerät sehr groß aussah und sich schwer anfühlte, als wir es nach der Fertigung dann tatsächlich in den Händen hielten. Ich frage Ehara-san mal dazu.

Ehara:

Ich bin Yui Ehara. Ich habe das Gehäuse des Nintendo DSi entworfen.

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben auch am Gehäuse des DS Lite gearbeitet, nicht wahr?

Kuwahara:

Ja, das stimmt.

Iwata:

Wie haben Sie - als jemand, der das Gehäuse entworfen hat - die Größenveränderung und die komplette Neubearbeitung empfunden? Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich gefragt haben, warum da nicht schon vorher jemand dran gedacht hat!

Ehara:

Ja, ich dachte mir: "Ist das nicht ein wenig spät?!"

Alle:

(lachen)

Iwata:

Was bedeutet das, wenn man den Nintendo DS dünner macht? Elektronische Geräte sind mittlerweile überall unglaublich dünn. Zum Beispiel Handys und elektronische Wörterbücher. Wenn man den DS mit solchen Sachen vergleicht, sieht er nicht besonders dünn aus. Manche Leute verstehen vielleicht nicht, warum das so ein großes Thema für uns ist. Ich finde es aber wichtig zu erwähnen, dass man beim DS komplett anders denken muss als bei Handys, wenn es um die Stabilität geht.

Ehara:

Das stimmt. Zuerst muss man an die Stabilität denken. Es gibt Geräte, die bestimmten Erschütterungen standhalten müssen. Wie sehr macht ein Produkt den Anschein, dass es nicht so leicht kaputt geht? Da gibt es große Unterschiede. Wir achten sehr darauf, wenn wir ein Produkt herstellen. Außerdem werden hier im Vergleich mit anderen elektronischen Geräten extrem viele Einheiten eines einzelnen Modells hergestellt, so dass man sogar an die Lebensdauer der Produktionsformen denken muss.

Iwata Asks
Iwata:

Ja, das macht Sinn. Man muss einen Entwurf und Materialien verwenden, die die Produktionsformen so wenig wie möglich beanspruchen.

Ehara:

Auch der Preis spielt eine Rolle. Die Produktion der aktuellen ultra-dünnen Handys ist bedeutend teurer als bei einer Spielekonsole, aber man muss den Preis einer tragbaren Spielekonsole unter 20.000 Yen (175 €) halten können. Dadurch ist man bei den Materialien eingeschränkt, die man verwenden kann. Es ist kein guter Vergleich, einfach zu sagen, dass es ja viel kleinere elektronische Geräte gibt.

Iwata:

Beim Entwurf des DS war es besonders wichtig, die beste Balance zwischen äußerer Erscheinung, Benutzerfreundlichkeit, interner Struktur, Stabilität, Massenproduktionsfähigkeit und Herstellungskosten zu finden. Wenn wir nicht so viele Einheiten herstellen würden, könnten wir auf Handarbeit oder spezielle Materialien zurückgreifen, aber bei einer Massenproduktion, wie wir sie betreiben, ist so etwas nicht möglich.

Ehara:

Richtig.

Iwata:

Auch innerhalb dieser Einschränkungen haben Sie ja immer viele Ideen, wie man das Gerät dünner machen könnte. Welche haben Sie diesmal umgesetzt?

Kuwahara:

Was den Entwurf betrifft, haben wir den nicht genutzten Raum so weit wie möglich reduziert. Wir haben eine neue Position für die CPU gewählt und die Batteriehalterung angehoben. Das Team, das für die Entwicklung der Platine verantwortlich war, hat sich wirklich ins Zeug gelegt. Die Bauteile sind wirklich dicht gedrängt, aber wir hatten auch noch den Druck, den Preis niedrig halten zu müssen...

Iwata:

Das tut mir leid. (lacht)

Kuwahara:

Tut mir leid, dass ich es erwähnt habe. (lacht)

Iwata:

Sie haben also die Anzahl an Kartenschlitzen reduziert und der Firma intern einen neuen, dünneren DS präsentiert. Waren die Reaktionen dann besser als beim ersten Mal?

Kuwahara:

Absolut. Alle haben sofort gesagt, dass es viel besser sei.