3. Auf dem Heimweg vom Büro sah ich ein Rohr

Iwata:

Ein weiteres perfektes Beispiel für einen Fall, in dem Funktion die Form vorgibt. Als Sie sich die Schildkröte ausgedacht haben, wurde Koopa geboren! Wie entwickelten sich die Dinge weiter?

Miyamoto:

Nun ja, als erstes mussten wir die Schildkröte zeichnen. Ich habe es mir damals etwas einfach gemacht und habe einen Designer gebeten, mir bei dieser Arbeit zu helfen. Er hat mir dann eine unglaublich realistische Schildkröte gezeichnet! (lacht)

Iwata:

Aber die passte nicht in die Welt von Mario hinein, nicht wahr? (lacht)

Miyamoto:

Ich habe schließlich selbst eine gezeichnet und mir wurde dabei immer wieder klar: "Eine Schildkröte mit so einem großen Gesicht gibt es wohl kaum..." Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, ähnelte sie eher einer Landschildkröte. Wie dem auch sei, Hiroka, der für den Sound des Spiels zuständig war, und der nun Präsident von Creatures Inc. ist...

Iwata:

Sie meinen Hirokazu Tanaka12...12 Hirokazu Tanaka arbeitete bei Nintendo als Komponist und war verantwortlich für die Musik von zahlreichen Titeln, darunter "Balloon Fight", "Dr. Mario" und "Mother". Er ist jetzt Präsident des Unternehmens Creatures Inc.

Miyamoto:

Ja. Während eines Gesprächs mit Mr. Tanaka kamen wir auf das Thema der Innereien einer Schildkröte.

Iwata:

Wie bitte? (lacht)

Miyamoto:

Ursprünglich wollte ich es für den Spieler einfach machen, zu sehen, wann die Schildkröte wieder auf die Beine kommt. Selbst wenn man die umgefallene Schildkröte zappeln lässt,, bevor sie auf die Beine kommt, weiß der Spieler immer noch nicht, wann sie genau aufsteht. Wir waren bei unseren Diskussionen über diese Ideen ganz schön aufgeregt: "Wie wäre es damit: Wenn man die Schildkröte von unten stößt, fliegt sie aus ihrem Panzer und läuft eine Weile benommen herum, bevor sie ihren Panzer wiederfindet? Wenn sie ihn erreicht, ist sie wieder auf den Beinen!"

Iwata:

Nun ja, Mr. Tanaka ist für seinen Humor bekannt!

Miyamoto:

Wir hielten die Idee für hervorragend und sorgten dafür, dass die Schildkröte aus ihrem Panzer fliegt.

Iwata:

Aber Schildkröten leihen sich ihre Panzer nicht aus wie etwa ein Bernhardskrebs, das wissen Sie doch! (lacht)

Miyamoto:

Es ist lächerlich, ich weiß! (lacht) Das Rückenmark einer Schildkröte entwickelt sich zu einem Panzer, daher können echte Schildkröten natürlich nicht aus ihren Panzern herausfliegen. Obwohl ich wusste, dass ich den Kindern hier eine kleine Lüge auftische, entschied ich: "Also gut, auf diese Weise ist die Spielweise leicht verständlich, also lasst uns so ein Wesen erschaffen!"

Iwata:

Obwohl sie wie eine Schildkröte aussieht, ist sie in Wirklichkeit keine.

Miyamoto:

Es ist keine Schildkröte! Es ist Koopa!

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Auf diese Weise haben wir die Funktionalität betrachtet und das beim Design des Spiels immer im Kopf behalten.

Iwata Asks
Iwata:

Diese Entstehungsgeschichte der Schildkröte ist ein besonderes Beispiel, "Mario Bros." steckt jedoch voller solcher Elemente, die auch in "New Super Mario Bros. Wii" aufgegriffen werden, dem Titel, über den wir heute sprechen. Dazu gehören Röhren, Münzen zum Sammeln und die Tatsache, dass der Titel über einen Mehrspieler-Modus verfügt.

Miyamoto:

Genauso ist es. Ich glaube, wir konnten die Vorgänger sehr erfolgreich darin widerspiegeln.

Iwata:

Woher kam die Idee der Röhren überhaupt?

Miyamoto:

Aus Mangas.

Iwata:

Wirklich?

Miyamoto:

Wenn man ältere Mangas liest, gibt es immer verwüstete Landschaften, in denen Röhren herumliegen.

Iwata:

Das stimmt! (lacht)

Miyamoto:

Die Idee, dass man ins Innere klettern könnte, wenn man sie sieht, erschien mir sehr natürlich. Als ich an "Mario Bros." gearbeitet habe, stellte ich fest, dass wenn alle Schildkröten, die auf dem Bildschirm erscheinen, in den unteren Bereich des Bildschirms fallen sollten, das nicht so gut aussehen würde.

Iwata:

Der untere Bereich wäre dann voller Schildkröten! (lacht)

Miyamoto:

Deshalb dachte ich mir, wir müssen auf so engem Raum dafür sorgen, dass dieselben Schildkröten kommen und gehen können. Da der linke und rechte Bereich des Bildschirms miteinander verbunden ist...

Iwata:

Wenn Mario den Bildschirm nach rechts verlässt, erscheint er auf der linken Seite, nicht wahr?

Miyamoto:

Genau. Doch selbst wenn man das anwenden würde, es wäre einfach etwas seltsam, wenn der obere und untere Teil des Bildschirms miteinander verbunden wären. Dann, eines Tages auf dem Weg nach Hause vom Büro, sah ich eine Betonwand, aus der mehrere Abwasserröhren herausragten. Ich dachte: "Die sind perfekt!" (lacht) Es ist jedem klar, dass etwas in ein Rohr hinein- und wieder herauskommen kann.

Iwata:

So haben Sie also dafür gesorgt, dass die Koopas, die oben aus der Röhre kommen, unten wieder in die Röhre hineingehen. Nur mal so interessehalber, warum haben Sie sich entschieden, die Röhren grün zu machen?

Miyamoto:

Wie bitte?

Iwata:

Nun ja, Röhren sind für gewöhnlich grau. Ich glaube nicht, dass man viele grüne Röhren findet.

Miyamoto:

Diese Frage höre ich heute zum ersten Mal! (lacht) Ich kann mich nicht genau erinnern, warum wir uns für Grün entschieden haben, aber wie Sie wissen, gab es zur damaligen Zeit nicht viele Farben, die man in einem Videospiel verwenden konnte.

Iwata:

Ja, damals waren die Beschränkungen sehr groß.

Miyamoto:

Unter den wenigen verfügbaren Farben war Blau sehr hell und schön anzusehen. Grün war ebenfalls sehr nett, wenn man zwei verschiedene Töne verwendet hat. Diese Dinge haben wir beim Design der Optik für das Spiel in Betracht gezogen.

Iwata:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Als wir also zwei Töne zusammen verwendet haben, war Grün die beste Farbe, die uns zur Verfügung stand. Wir haben die Röhren nicht grün gefärbt, weil sie dieselbe Farbe haben sollten wie die Panzer der Schildkröten.

Iwata:

Es hat sich einfach nur herausgestellt, dass sie gut zu der Farbe der Schildkröten passten.

Miyamoto:

Grün war einfach eine Farbe, die hervorragend funktionierte, wenn man zwei Schattierungen verwendete.

Iwata:

Stimmt.

Miyamoto:

Das war eine typische Designer-Antwort, nicht wahr?

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Als ich an "Donkey Kong" gearbeitet habe, war ich im Winter öfter Ski fahren. Auf dem Weg zur Piste starrte ich immer aus dem Busfenster auf die Lichter der anderen Busse und Autos und fragte mich oft Sachen wie: "Welche Farben sind die schönsten?" Während ich die Dinge so untersucht habe...

Iwata:

Untersucht?

Miyamoto:

Nun ja, es gab da eine Zeit, als ich Designer werden wollte!

Iwata:

(lacht) Tja, die Entwicklung von Videospielen bestand damals im Grunde genommen darin, herauszufinden, wie man etwas im Rahmen der Hardware-Beschränkungen bewerkstelligen konnte.

Iwata Asks
Miyamoto:

Ja, das ist wohl wahr. Als ich mir Grafiken überlegt habe, die gut zu der verfügbaren Technik passen würden, erkannte ich zum ersten Mal: "Weißt du was? Dieser Job macht ziemlich viel Spaß!"

Iwata:

Ich glaube, es lag in der Natur der Zeit, dass man auf verschiedenste Arten auf seltsamen Wegen durch wundervolle Welten geführt wurde. Nun gut, ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir zu

Video: Super Mario Bros.

Ein weiteres perfektes Beispiel für einen Fall, in dem Funktion die Form vorgibt. Als Sie sich die Schildkröte ausgedacht haben, wurde Koopa geboren! Wie entwickelten sich die Dinge weiter?
Super Mario Bros. 13 zurückkehren, ein Titel, der uns zum eigentlichen Gesprächsthema des heutigen Tages führen sollte – "New Super Mario Bros. Wii".13 "Super Mario Bros." war ein Jump'n'Run-Spiel, das im September 1985 auf dem Nintendo Entertainment System in Japan und im Mai 1987 in Europa erschienen ist.

Miyamoto:

Ab diesem Zeitpunkt habe ich zusammen mit Takashi Tezuka14 an Spielen gearbeitet. Ich kann mich erinnern, dass wir überlegt hatten, eine unserer Figuren hinauf- und hinabfliegen zu lassen, aber wir hatten nicht genug Speicher für eine neue Figur.14 Takashi Tezuka hat unter anderem an der Entwicklung von "Super Mario", der Yoshi- und "Animal Crossing"-Serie mitgearbeitet. Er ist nun General Manager der Abteilung "Entertainment Analysis and Development" von Nintendo Co., Ltd.

Iwata:

Allerdings, wenn man den ganzen Programmcode und alle Grafikdaten für "Super Mario Bros." zusammennimmt, durfte man nur mit 40 Kilobyte arbeiten.

Miyamoto:

Wir fragten uns, was wir tun könnten, bis uns eine Idee einfiel: "Warum versuchen wir's nicht mit Flügeln an den Schildkröten!" (lacht)

Iwata:

So wuchsen den Koopas auf einmal Flügel! (lacht)

Miyamoto:

Ich dachte damals, es würde niemals funktionieren, als wir ihnen aber Flügel schenkten, sahen diese ziemlich niedlich aus! (lacht) Das waren dann die Paratroopas .

Iwata:

War es Mr. Tezuka, der den Vorschlag machte, den Schildkröten Flügel zu verpassen?

Miyamoto:

Ich glaube ja. In "Mario 3"15 haben wir den Gumbas ebenfalls Flügel verpasst und nannten sie Para-Gumbas . Damals konnten wir tun, was uns gerade einfiel.15 "Super Mario Bros. 3" war ein Jump'n'Run-Spiel, das im Oktober 1988 für das Nintendo Entertainment System in Japan und im August 1991 in Europa erschienen ist.