2. ''Art Academy'' in der Galerie

Iwata:

Wir haben gerade davon gesprochen, wie der grüne Apfel zu einem grünen Licht für dieses Projekt geführt hat, aber ich habe gehört, dass Shinya Takahashi4 - der Leiter des Software Planning & Development Departments, dessen Position kürzlich zu der des stellvertretenden Geschäftsführers der gesamten Abteilung ausgeweitet worden ist - anfangs nicht sehr überzeugt von diesem Projekt gewesen ist. (lacht) 4 Shinya Takahashi: Stellvertretender Geschäftsführer des Nintendo Software Planning & Development Departments. Er hat an den folgenden "Iwata fragt"-Interviews teilgenommen: Wii Play: Motion, Nintendo DSi Browser, Gehirn-Jogging für zwischendurch

Terasaki:

Ja, das ist richtig. Aber das lag nur daran, dass Mr. Takahashi schon immer sehr gut zeichnen konnte.

Iwata:

Mr. Takahashi war ursprünglich Zeichner, nicht wahr? Deshalb hat ihn die Idee nicht begeistert, eine Software zu verwenden, um richtig zeichnen zu lernen. Er sah zwar, wie begeistert Sie von der Idee waren, aber konnte es einfach nicht nachvollziehen.

Terasaki:

Er hatte schon seine Zweifel, um es mal so auszudrücken. (lacht) Aber, ähm ... Also, ich hatte das Gefühl, dass Sie selber von der Idee auch nicht unbedingt begeistert waren, Mr. Iwata ...

Alle:

(lachen)

Iwata:

Nein, so würde ich das nicht sagen ... Es hatte mehr damit zu tun, dass Sie so begeistert von der Idee waren und ich deshalb das Gefühl hatte, dass ich vielleicht etwas neutraler darauf zugehen sollte. Aber gleichzeitig war mir klar, dass an der Idee wirklich etwas dran war, eben weil Sie so begeistert waren. Damals zeigte mir Mr. Terasaki jedes Mal, wenn wir uns getroffen haben, ein neues Bild und wenn wir uns länger nicht gesehen haben, bekam ich regelmäßige eMail-Updates mit seinen neuesten Werken im Anhang.

Terasaki:

Ja, ich erinnere mich.

Iwata:

Ihnen wurden doch garantiert auch eine Menge Bilder gezeigt, Ms. Miyachi?

Miyachi:

Ja, unglaubliche Mengen! (lacht)

Iwata:

Hatten Sie bei Headstrong Games auch jemanden, der so begeistert davon war wie Mr. Terasaki?

Tancred:

Auf jeden Fall. Es gab ein Team, dessen Aufgabe es war, die Prototyp-Version zu testen, und jedes Mal, wenn ich an ihnen vorbeigelaufen bin, haben sie mir ihre neuesten Werke präsentiert.

Jason:

Das war bei den anderen Spielen, an denen wir vorher gearbeitet hatten, nicht passiert.

Iwata:

Was denken Sie, warum es den Leuten so wichtig ist, ihre Bilder herumzuzeigen?

Tancred:

Es gibt sehr viele Leute, die in jungen Jahren versuchen Malen zu lernen; aber wenn sie dann die Schule abschließen, gehen sie davon aus, dass sie zukünftig nicht mehr zeichnen müssen, und geben einfach auf. Die Idee hinter dieser Software ist es, das Zeichentalent zu reaktivieren, das schon immer in einem schlummert. Dann wird einem klar, dass man es eigentlich doch kann, und ist anfangs richtig überrascht davon, wie gut man zeichnet. Deshalb will man es wahrscheinlich allen Leuten in der eigenen Umgebung zeigen.

Iwata Asks
Terasaki:

Ja, ich glaube, genau das ist es.

Tancred:

Ursprünglich wollten wir mit dieser Software erreichen, dass genau die Leute inspiriert werden, die überzeugt davon waren, dass sie nicht zeichnen können und niemals Künstler werden würden. Wir wollten, dass ihnen diese Möglichkeit plötzlich nicht mehr komplett abwegig erscheint.

Terasaki:

Deswegen hatte ein Künstler wie Mr. Takahashi auch keinen Bedarf dafür.

Iwata:

Genau. Die Leute, die schon zeichnen können, besuchen ja auch keinen Zeichenkurs, nicht wahr? Mr. Takahashi konnte Mr. Terasakis Perspektive also nicht nachvollziehen, aber ich habe schon sehr gut verstanden, was Sie gemeint haben. Ich kann nämlich auch nicht zeichnen. Obwohl ich zumindest ein Programm schreiben könnte, mit dem man Bilder darstellen kann ... (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Jetzt haben wir erfahren, wie es mit der Entwicklung von "Art Academy" losgegangen ist. Als es dann hier in Japan veröffentlicht wurde, haben die Benutzer alle möglichen Bilder ins Internet gestellt.

Miyachi:

Stimmt. Es wurden wirklich viele Bilder online gestellt.

Iwata:

Ich war wirklich sehr überrascht von der Qualität vieler dieser Bilder. Und direkt nachdem ich diese Bilder zum ersten Mal gesehen hatte, musste ich für eine Geschäftsreise nach Europa. Dort hatte ich ein Meeting mit der Marketing-Abteilung, und da erwähnte ich, dass gerade etwas sehr Interessantes in Japan vor sich ging und präsentierte allen diese Bilder über den Projektor.

Terasaki:

Ah, richtig. So war es.

Iwata:

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war mein Verhalten da auch nicht viel anders als das, was Mr. Terasaki getan hat, als er mir seine Bilder präsentierte. Ich meine, ich bin schon immer relativ ruhig und neutral geblieben, wenn Mr. Terasaki begeistert war, aber dann habe ich mich doch genauso verhalten wie er ... (lacht)

Iwata Asks
Alle:

(lachen)

Iwata:

Das Ergebnis davon war, dass einige Leute in Europa angefangen haben, sich für das Produkt zu interessieren. Nicolas Wegnez5, der Marketing-Director für Nintendo Iberica, war besonders interessiert und wurde genauso mitgerissen wie Mr. Terasaki.

Terasaki:

Ach ja, richtig! (lacht) Nicolas dachte auch immer, dass er kein künstlerisches Talent hatte, genau wie ich. 5 Nicolas Wegnez: Leiter der Marketing-Abteilung bei Nintendo Iberica, verantwortlich für die Planung und Ausführung von Werbekampagnen in Spanien und Portugal. Nachdem er die ersten "Art Academy" Nintendo DSiWare-Titel heruntergeladen hatte, wurde ihm klar, dass er doch zeichnen konnte - oder zumindest, dass es Spaß macht, es zu lernen - und er wurde zu einer wichtigen Antriebskraft bei der Promotion des Nintendo DS-Titels.

Iwata Asks
Iwata:

Dass Nicolas seine Freude am Zeichnen durch "Art Academy" entdeckt hatte, hat sogar dazu geführt, dass alle Mitarbeiter von Nintendo Iberica zu großen Fans geworden sind. Sie konnten sogar die Verantwortlichen des Thyssen-Bornemisza Museums6, einer berühmte Kunstgalerie in Spanien, davon überzeugen, Kunstkurse mit "Art Academy" anzubieten. 6 Thyssen-Bornemisza Museum: Eine Kunstgalerie, die sich in einem ausgebauten Palast in Madrid befindet. Dort sind u.a. Werke von Künstlern wie Picasso, Renoir und Van Gogh ausgestellt.

Tancred:

Dazu gab es auch eine große Reaktion in den Medien.

Iwata:

Dass eine landesweit bekannte Galerie den Besuchern Kunstkurse mit einer Spielkonsole angeboten hat, war einfach ein bemerkenswertes Ereignis. Das hat dazu geführt, dass Spanien das erste Land war, das sich sehr für "Art Academy" begeistert hat. In Großbritannien hat es etwas länger gedauert, aber schließlich kam es auch dort an die Spitze der Charts.

Tancred:

Richtig. Es war dann ziemlich bekannt in Großbritannien, und wenn ich den Leuten gegenüber erwähnt habe, dass ich daran gearbeitet hatte, habe ich von vielen gehört, dass sie es kennen, oder dass ihre Tochter es großartig findet, oder ähnliche Dinge. Das hat mich wirklich sehr gefreut, weil es mir verdeutlicht hat, dass wir es all diesen Leuten ermöglicht hatten, ihre eigenen Bilder zu malen.

Iwata:

Das Spiel hat sich ja sehr stark von den Spielen unterschieden, an denen Sie bis dahin gearbeitet hatten, nicht wahr?

Tancred:

Ja, das stimmt. Am Anfang waren wir alle große Shooter- und Action-Fans, aber ich war dann doch sehr froh, dass wir "Art Academy" entwickelt haben, denn es ist ein Produkt, bei dem man umso mehr herausbekommt, je mehr man hineinsteckt, und man kann sehen, wie sich die eigenen künstlerischen Fähigkeiten verbessern. Nicolas von Nintendo Iberica war ein tolles Beispiel dafür, denn er hat später sogar Kunstkurse besucht.

Iwata:

"Art Academy" hat ihm also die Augen für die Freuden des Kunstschaffens geöffnet.

Tancred:

Ja, das hat es. Ich habe sogar gehört, dass er alle Bilder aus den Lektionen und Mini-Lektionen in "Art Academy" in echt nachgemalt hat, also auf richtigen Leinwänden.

Alle:

Wow!

Iwata:

Wenn man so etwas hört, ist man doch bestimmt stolz, solch eine Software entwickelt zu haben.

Tancred:

Ja, ich freue mich wirklich sehr darüber. Wenn ich daran denke, dass es der Titel von den Bildschirmen des Nintendo DS bis in eine echte Kunstgalerie geschafft hat und dass er Leute dazu inspiriert hat, richtige Kunstkurse zu belegen ... Genau auf so etwas haben wir gehofft, als wir den Titel entwickelt haben.