2. Programmierer sagen nie Nein

Iwata:

Dann würde ich jetzt gerne mit den Leuten sprechen, die diese Aufgabe übernommen haben.

Nakano:

Alles klar. Ich heiße Hiroaki Nakano und habe an der Programmierung gearbeitet. Ich habe die verschiedenen Systeme entwickelt, durch die Kirbys Bewegungen umgesetzt werden. Und als Leiter habe ich die Arbeit aller Programmierer koordiniert.

Iwata Asks
Iwata:

Der Charakter Kirby hat ja viele Fähigkeiten, z. B. Dinge einsaugen und andere Kräfte übernehmen. So etwas führt meistens zu einer aufwändigen und komplexen Programmierung. Waren Sie genervt von den Vorgaben?

Nakano:

Die Vorgaben waren schon kompliziert, aber genervt hat uns das nicht. (lacht) Die Programmierer mussten sich schon den Kopf zerbrechen, aber es war nie nötig, plötzlich alles über den Haufen zu werfen. Die Programmierer haben hart gearbeitet, so dass wir am Ende das Ziel erreicht haben. Für die Programmierung war besonders das Spielen mit vier Personen gleichzeitig eine ziemliche Herausforderung.

Iwata:

Die Umsetzung des Kirby-Charakters war ja schon schwierig genug, und das sollten sie dann für vier Leute gleichzeitig spielbar machen.

Nakano:

Ja.

Iwata:

Als wir vorher an "Kirby’s Adventure" 10 gearbeitet hatten, haben wir zum ersten Mal die Kopier-Spezialfähigkeit umgesetzt, aber als ich Mr. Suga11, der dabei der leitende Hauptprogrammierer gewesen war, danach gefragt habe, sagte er mir etwas, was ich nie vergessen werde. Er sagte: "Sollen wir das wirklich machen?” 10 Kirby’s Adventure: Ein Action-Spiel, das in Japan im März 1993 für das Famicom-System veröffentlicht wurde. 11 Mr. Hiroaki Suga: Produzent von "Kirby’s Adventure Wii".

Alle:

(lachen)

Iwata:

Er meinte wohl, dass der Arbeitsaufwand dafür - verglichen mit der Entwicklung für das Famicom-System - so hoch wäre, als würde man mehrere komplette Spiele umsetzen. Die schwierige Programmierung ist ja bis heute eine Art Tradition bei Kirby. Und diesmal ging es auch noch um ein Multiplayer-Spiel.

Iwata Asks
Nakano:

Ja. Die Kopier-Spezialfähigkeit war schwierig, aber einige der anderen Programmierer und ich waren schon an den drei verlorenen Kirby-Spielen beteiligt gewesen, deshalb waren wir schon etwas vertraut damit. Aber das Grundkonzept - , und man dabei - ist neu, deshalb hatten wir schon sehr viel Arbeit.

Iwata:

Für Programmierer kommen dabei viele unangenehme Faktoren zusammen.

Nakano:

Ja. Ich habe eben gesagt, dass wir nicht plötzlich alles über den Haufen werfen müssten, aber zuerst hat uns niemand gesagt, dass man zu viert gleichzeitig spielen können sollte. Als Programmierer habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen (lacht), aber es liegt natürlich nahe, dass die Spieler zusammen mit ihren Freunden spielen wollen.

Kumazaki:

Ich hielt es ehrlich gesagt für sehr schwierig, dass alle als Kirby spielen und gleichzeitig aufsaugen und kopieren können sollten.

Kawase:

Wenn die Programmierer gesagt hätten, dass das unmöglich ist, hätte ich es aufgegeben. Aber Mr. Nakano dachte nur einen Moment nach und sagte dann ganz lässig: "Das kriegen wir hin!" So wie Sie das früher immer gesagt haben, Mr. Iwata! (lacht)

Iwata:

Die Legende der Programmierer, die niemals Nein sagen, lebt weiter! (lacht) (Redaktioneller Hinweis: Diese "Legende" bezieht sich auf ein vorhergegangenes Interview mit Mr. Iwata. In einem Interview-Artikel von Shigesato Itoi hat Mr. Iwata gesagt, dass es schwieriger wird, Ideen zu äußern und zu entwickeln, wenn Programmierer Nein sagen. Den vollständigen Artikel kann man auf Japanisch auf Mr. Itois Webseite "Hobo Nikkan Itoi Shinbun" (Fast tägliche Itoi-Tageszeitung) nachlesen.

Nakano:

Ja. (lacht) Ich bin erleichtert, dass wir es am Ende doch hingekriegt haben, dass vier Spieler zusammen Kirby spielen und Spaß haben können.

Iwata:

In Ordnung. Kommen wir zu Ihnen, Mr. Kamitake?

Kamitake:

Okay. Ich heiße Tadashi Kamitake und war leitender Designer. Meine erste Beteiligung an einem Kirby-Spiel war in der Position als Designer bei "Kirby Super Star Ultra" für das Nintendo DS-System. Dabei habe ich hauptsächlich Zeitpläne verwaltet und das Design kontrolliert.

Iwata Asks
Iwata:

Als Sie gesehen haben, was schon für die drei Spiele alles geleistet worden war, die nie veröffentlicht worden sind, haben Sie da weiche Knie gekriegt?

Kamitake:

Ehrlich gesagt schon! Und da war ich nicht der Einzige. Das ging vielen Leuten so.

Iwata:

Ja, am Anfang hatte ich den Eindruck, dass alle etwas beunruhigt waren.

Kawase:

Ich denke, dass wir das überwinden konnten, weil so viele Mitglieder des Teams, z. B. auch Mr. Nakano und Mr. Kamitake, noch relativ jung waren. Die Energie der Jugend war wichtig dafür, dass wir diesmal glatt durchgekommen sind.

Nakano:

Das stimmt. Es war wirklich schade, dass der dritte Anlauf für ein neues Kirby-Spiel nicht geklappt hatte, aber diesmal waren wir uns sicher, dass wir es schaffen würden!

Iwata:

Es ist echt unglaublich, was die Jugend alles schaffen kann! (lacht)

Alle:

(lachen)

Kawase:

Ja, stimmt.

Iwata:

Aber es waren auch Veteranen im Spiel. In mancher Beziehung sind das natürlich die Leute, die die Kirby-Tradition am besten kennen.

Kamitake:

Richtig. Am Anfang waren viele Leute besorgt. Aber wir sind einmal nach Tokio gekommen, um mit ihnen zu sprechen, und Sie hatten für uns einen Gesprächstermin organisiert.

Iwata:

Ja. Als das Projekt gestartet wurde, habe ich eine Art Brainstorming veranstaltet. Da waren Veteranen dabei, die vorher schon an der Serie gearbeitet haben, und so konnten wir alle ein Gefühl dafür entwickeln, was zu diesem Zeitpunkt der Stand der Dinge war.

Kamitake:

Mir ist aufgefallen, dass sich die Veteranen um dieselben Sachen gesorgt haben wie wir und dass sie eine ähnliche Richtung bei der Entwicklung einschlagen wollten. Dank dieser Diskussionsrunde konnten wir die Vorgängerspiele als Grundlage etablieren und nach und nach alle Bedenken und Probleme überwinden.

Iwata Asks
Iwata:

Es machte den Anschein, dass alles ab einem bestimmten Zeitpunkt deutlich schneller ging. Mr. Kumazaki, wann haben Sie das gespürt?

Kumazaki:

Das war ungefähr im Oktober letzten Jahres. Da hatten wir einen Punkt erreicht, an dem ich dachte: "Jetzt haut es hin!" Dann konnte ich mit allen Leuten sprechen und unsere Zielvorstellungen für die Inhalte vermitteln, und außerdem wurde das Team noch größer.

Iwata:

Sie haben das Team davon überzeugt, dass es ein gutes Produkt werden würde, wenn man alles richtig ausarbeitet.

Kumazaki:

Ja. Wir haben etwas Interessantes ausprobiert, um die Fortschritte im Auge zu behalten. Wir haben eine interne Website für das Projekt-Team erstellt. Auf den Seiten konnte man durch die angezeigten Bildschirmfotos auf einen Blick sehen, wie weit die Teams aktuell waren und wie die Entwicklung bisher verlaufen war. Außerdem wurde der aktuelle Arbeitsstand im Blog-Format beschrieben, und man konnte eigene Spezifikationsvorschläge hochladen oder Designer ihre Gestaltungsvorschläge.

Iwata:

Also ein Entwicklertagebuch.

Kumazaki:

Richtig. Ein Grund dafür war, dass wir nach den schwierigen Erfahrungen mit den drei unvollendeten Kirby-Spielen auch visuell sichtbar machen wollten, wie weit wir mit der Entwicklung waren. Wir haben nach Beginn des Projekts wirklich jeden Tag ein Update hochgeladen. So konnte das ganze Team immer sagen: "Oh, wir kommen ja echt weiter!" Das war für das Team eine Möglichkeit, gemeinsam Begeisterung für den Fortschritt des Spiels zu entwickeln.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist ja eine Art Visualisierungstechnik. Es ist wichtig, dass man sich ein klares Ziel setzt und leicht einschätzen kann, wie weit man ist. Das ist doch bestimmt so wie bei einem GPS-Navigationssystem im Auto, oder?

Kumazaki:

Ganz genau. Ich rede viel und habe eine enthusiastische und eindringliche Persönlichkeit (lacht); deshalb habe ich nie aufgehört, das Team besonders für das Spiel zu begeistern. Ich wollte, dass alle denken: "Das wird schon, wenn wir uns auf Kumazaki verlassen."

Iwata:

Mr. Nakano, wann wurde Ihnen klar, dass Sie sich auf Mr. Kumazaki verlassen können?

Nakano:

Das war mir von Anfang an klar. Als ich das Konzept gelesen habe, dachte ich nur: "Genau so ein Kirby-Spiel will ich spielen!" Ich habe so gemacht: (hebt die Faust) "Wir geben alles und schaffen das!" (lacht)

Kumazaki:

Ich denke, dass wir es wirklich auch wegen dieser Motivation im Team geschafft haben.

Iwata:

Mr. Kawase, wann hatten Sie als Außenstehender das Gefühl, dass das Team auf dem richtigen Weg war?

Kawase:

Das ist eine wichtige Frage. Dass sich Kirbys Bewegungen richtig angefühlt haben, haben wir wegen der bestehenden Vorarbeit schon ziemlich früh hingekriegt.

Iwata:

Ah, okay. Mr. Miyamoto sagt auch manchmal: "Ein Spiel wird besser, wenn man es zum zweiten Mal entwickelt." Ich habe das Gefühl, dass die Vorgängertitel in dieses Spiel mit eingeflossen sind. Das dritte verlorene Spiel stand wirklich deprimierend kurz vor der Fertigstellung, als es eingestellt wurde, und ich wollte nicht, dass das noch einmal passiert. Diesmal, beim vierten Mal, hat sich zwar die Spielstruktur geändert, aber die Elemente des dritten Spiels tragen auf jeden Fall viel zum Spiel bei.