2. Im Alleingang

Iwata:

Wie kam es denn dazu, dass Sie Ihr eigenes, unabhängiges Team bekamen, Mr. Takahashi?

Takahashi:

Ich kann mich noch erinnern, dass ich zu Mr. Sakaguchi ging, um ihm zu sagen, dass ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung war. Damals steckten wir alle mitten in FFVII.

Iwata:

FFVII war ein echter Wendepunkt in der Serie. Und wenn dann jemand geht, der so ein fester Bestandteil des Teams war … es muss doch schwer gewesen sein, ihn zu verlieren, Mr. Sakaguchi, auch wenn Sie ihm andererseits alles Gute wünschten.

Sakaguchi:

Stimmt, da haben Sie Recht. Wenn ich ehrlich bin, kam ich mir etwas einsam vor. Ganz besonders gut kann ich mich daran erinnern, dass Mr. Takahashis Schreibtisch, kaum dass er sein eigenes Team gebildet hatte, vollkommen von Gundam-Modellen und Spielzeugpistolen überhäuft war. Da wurde mir dann klar, dass er schon immer mit so etwas hatte arbeiten wollen.

Iwata Asks
Iwata:

Es war, als hätte er seine Bestimmung gefunden.

Sakaguchi:

Ja, so in etwa kam es mir auch vor ...

Takahashi:

Das haben Sie damals gedacht? (lacht)

Iwata:

Was schwebte Ihnen vor, als Sie das FF-Team verlassen haben?

Takahashi:

Ich wollte sehen, ob wir ein komplettes Spiel in 3D erstellen könnten, nicht einfach nur Action-Szenen. So etwas wollte ich erreichen.

Iwata:

Sie wollten 3D einmal ganz anders nutzen als bei FFVII.

Takahashi:

Genau. Ich fand, das Unternehmen müsse seine Kenntnisse darüber ausbauen, wie man 3D auf andere Weise einsetzen könnte als bei FFVII. Ich wollte komplette dreidimensionale Level erstellen und es dem Spieler ermöglichen, den Blickwinkel auf die Welt des Spiels nach Belieben zu ändern.

Iwata:

Es ist ein Riesenunterschied, ob man einfach für die Grafik verantwortlich ist oder ob man ganze Spielkonzepte entwirft und all die nötigen Elemente zusammenführen muss.

Takahashi:

Allerdings. Ich musste mich auch erst an die Sache herantasten.

Iwata:

Aber damals mussten sich alle ihren eigenen Weg bahnen – das war einfach so.

Sakaguchi:

Das ganze FFVII war ein einziges Herantasten und Ausprobieren.

Iwata:

Ich würde sogar sagen, dass damals zu Beginn eines Projekts so gut wie niemand eine klare Vorstellung davon hatte, wie das Endprodukt aussehen sollte.

Takahashi:

Neunzig Prozent meines Teams bestanden aus ganz jungen Anfängern, die keine Ahnung von 3D hatten. Der psychologische Aspekt gestaltete sich dabei am schwierigsten – man musste den Leuten helfen, sich ins Team einzufügen, ihre Sorgen mit ihnen besprechen usw. Da ging mir dann erst auf, dass Mr. Sakaguchi sich die ganze Zeit mit solchen Dingen herumgeschlagen hatte.

Iwata Asks
Iwata:

Erst wenn man das Nest verlässt und flügge wird, merkt man, was die Eltern für einen getan haben! (lacht)

Sakaguchi:

Ich weiß, was Sie meinen!

Iwata:

Mr. Sakaguchi, wann ging Ihnen das erste Mal auf, dass es wichtig war, sich um Ihr Team zu kümmern? Das erste FF-Spiel wurde in relativ kurzer Zeit mit einem sehr kleinen Team erstellt. Ich nehme an, dass Sie damals eigentlich keine Zeit hatten, sich um das mentale Wohlbefinden Ihrer Mitarbeiter zu sorgen.

Sakaguchi:

Stimmt. Aber bis zu FFIII7 hatten wir einen extrem talentierten ausländischen Programmierer dabei, der kein Japanisch konnte und auch RPGs nicht wirklich verstand. Da war dann natürlich eine engere Betreuung erforderlich. Also führte ich ihn täglich zum Steakessen aus und ... (lacht) 7 „Final Fantasy III“ war ein RPG, das im April 1990 für Famicom in Japan erschien.

Iwata:

Sie haben ihn jeden Tag zum Steakessen ausgeführt? Das ist ja allerhand! (lacht)

Sakaguchi:

Er aß nichts anderes. Immer nur Steak. Und ich wusste, dass ich sicherstellen musste, dass es unserem Hauptprogrammierer gut ging. Damit habe ich zwar nicht das gesamte Team umsorgt, aber das ist ein Beispiel dafür, wie ich mich um meine Mitarbeiter gekümmert habe.

Iwata:

Sie haben die Ära des Super Famicom erlebt, als sich enorme Änderungen bei der Spielentwicklung ergaben – ROM mit mehr Speicher und verbesserte Grafikkapazitäten. Aber als Mr. Takahashi dann sein eigenes Team bekam und sich einen Namen machte, läutete dies einen noch radikaleren Wandel ein: 3D. Das Entwickeln von Spielen wurde zu einem immer stärker spezialisierten Gebiet mit 3D und besseren Grafiken, aber es gab immer noch keine festgelegte Methode dafür, wie diese beim Erstellen eines Spiels genutzt werden sollten.

Takahashi:

Stimmt.

Iwata:

Mit dem Aufkommen von 3D wurde ein Neuanfang gemacht. Es gab keine Vorgaben mehr dazu, wie ein Spiel erstellt werden sollte – was der Branche als Ganzes ziemlich viele Probleme bereitete.

Sakaguchi:

Die meisten Leute kannten nicht mal die korrekte Terminologie für die neuen Arten von Computergrafiken. Dazu dann noch die Tatsache, dass man versuchte, ein Team zu leiten … da hatte man dann wirklich das Gefühl, allein im Sturm zu stehen.

Iwata:

Was hat Sie angesichts der enormen Herausforderung, die das Leiten eines eigenen Teams bedeutet, angetrieben und zum Weitermachen ermutigt?

Takahashi:

Hmm … Na ja, ich hatte einfach das Gefühl, dass ich das definitiv schaffen konnte und das alles gut gehen würde. Daran musste ich mich festhalten. Wenn ich jetzt zurückblicke, ist mir klar, dass ich mehr hätte tun sollen, um ein derartiges Gefühl auch bei meinen Mitarbeitern zu fördern. Dann wäre es einfacher gewesen, ein Team zu bilden.

Iwata:

Auch wenn man nicht weiß, was die Zukunft bringt, kann der starke Wunsch, etwas zu erreichen, Menschen zusammenbringen und bis zum Ende durchhalten lassen. Vielleicht ist das etwas, worin Sie besonders gut sind.

Iwata Asks
Sakaguchi:

Vielleicht. Und selbst wenn wir gelegentlich etwas waghalsig waren – am Ende haben wir es geschafft und den Job erledigt.

Iwata:

Unglaubliche Ergebnisse beginnen oft als völlig verrückt wirkende Idee. Vielleicht kann es einen tatsächlich bremsen, wenn man zu stark an Bewährtem festhält.

Sakaguchi:

Das denke ich auch. Ich glaube, wir sind die Sache richtig angegangen.

Takahashi:

Ich habe wirklich den Eindruck, dass das, was wir damals gemacht haben, zu dem geführt hat, was wir jetzt haben.