1. Shigeru Miyamotos frühe Erfahrungen mit Musik

Iwata:

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben.

Miyamoto:

Es ist mir ein Vergnügen.

Iwata:

Heute unterhalten wir uns über "Wii Music". Beginnen wir am besten mit Ihren ersten Erfahrungen auf dem Gebiet der Musik.

Miyamoto:

Meine frühen Erfahrungen mit Musik? Hm...

Iwata:

Zum Beispiel: Welche Instrumente haben Sie gespielt, welche Lieder mochten Sie am meisten...

Miyamoto:

Das erste Instrument, das ich gespielt habe, war eine Ukulele.

Iwata:

Eine Ukulele? Wie alt waren Sie da?

Miyamoto:

Das war so im Grundschulalter. Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht haben, aber meine Eltern haben mir zu Weihnachten eine Ukulele geschenkt.

Iwata:

Sind Sie sicher, dass Sie sich das Instrument nicht gewünscht haben?

Miyamoto:

Nein. Vielleicht haben sie etwas falsch verstanden. (lacht) Wie auch immer - meine Eltern haben mir aus irgendeinem Grund eine Ukulele geschenkt, als ich in der Grundschule war. Also habe ich angefangen zu üben... Äh, erzähle ich zu viele Details?

Iwata:

Nein, ganz und gar nicht. (lacht)

Miyamoto:

Okay, es ist nämlich so: (lacht) Ich bin jemand, der gerne viele Sachen spielen lernen will, und ich wollte nachts Ukulele spielen können, ohne mir Gedanken um den Lärm machen zu müssen. Deswegen habe ich einen Ukulelenhals ohne Klangkörper gebastelt. Ich habe Holz für ein Griffbrett zurecht geschnitten und dann Markierungen und Fäden hinzugefügt.

Iwata:

Genau, wie ich es mir gedacht habe! Sie haben schon als Kind gerne Sachen mit Ihren Händen geschaffen.  (lacht)

Miyamoto:

Jaja. (lacht) Also habe ich erst einmal das benutzt, um Akkorde zu üben.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist schon recht bemerkenswert. Was taten Sie als Nächstes?

Miyamoto:

Hm, nichts weiter. Besser wurde es nicht mehr.

Iwata:

All das viele Üben hat nicht geholfen?

Miyamoto:

Ja. Ich habe es drangegeben, ohne jemals Fortschritte gemacht oder mit anderen zusammen gespielt zu haben. Eine andere frühe Begegnung mit Musik, an die ich mich erinnere, ist der Kauf meiner ersten Platte. Das war auch in der Grundschulzeit. Natürlich hatte ich damals nicht viel Geld, deswegen war der Kauf einer Schallplatte eine Sache, die mir einigen Mut abverlangte. Damals gab es diese kleinen Scheiben, die 45er.

Iwata:

Ja, ich erinnere mich. Sie hießen EPs, für "Extended Play Records".

Miyamoto:

Genau. Die erste, die ich selber gekauft habe, war großartig. Es waren vier Lieder drauf!

Iwata:

Vier? Ich dachte, auf einer 45er waren normalerweise immer zwei Lieder drauf.

Miyamoto:

Ich weiß. Es waren Ouvertüren, Märsche. Aus irgendeinem Grund hatte ich eine Platte gekauft, wo vier davon drauf waren.

Iwata:

Marschmusik? Warum das denn?

Miyamoto:

Ich mochte Blechbläser. Ich habe oft zugehört, wenn die SchuIkapelle geübt hat.

Iwata:

Sie haben nicht selbst in der Kapelle gespielt?

Miyamoto:

Nein, niemals. Es gibt eine Erklärung dafür, aber die ist etwas kompliziert. In der Grundschule war ich in der Basketball-AG, aber ich wollte eine Manga-AG gründen. Einer meiner älteren Teamkameraden sagte mir, dass ich nicht gleichzeitig in einer Sport-AG und einer Literatur-AG sein könnte, darüber hat sich zwischen uns ein großer Streit entwickelt. Letzten Endes habe ich, obwohl ich einer der Gründer war, die Basketball-AG verlassen und eine Manga-AG gegründet. Und ich bin dann einfach dabei gelandet, der Blaskapelle zuzuhören.

Iwata:

Ich verstehe. (lacht)

Iwata Asks
Miyamoto:

Naja, wo waren wir stehen gebliehen? Oh ja, die Platte. Da waren Lieder wie "Pomp and Circumstance", "Light Cavalry Overture", französische Militärmusik und der Radetzkymarsch drauf. (dirigiert mit geschlossenen Augen) Da - da - dadada - da - dadada - di - da!

Iwata:

Haben Sie mal dirigiert? Wow! Deshalb konnten Sie vor all den Leuten im Kodak Theater dirigieren.(Anmerkung: Im Jahr 2006 eröffnete Shigeru Miyamoto eine Nintendo-Pressekonferenz im Kodak Theatre mit einer Vorführung von "Wii Music".)

Miyamoto:

Nein, ich glaube nicht, dass das zusammenhängt. (lacht) Ich habe damals nichts Besonderes gemacht, ich habe nur die Musik genossen und mich so bewegt, wie es mir gerade in den Sinn kam.

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Während ich das tat, erreichte uns die Beatle-Mania. Mein älterer Bruder hat mir die Musik der Beatles vorgespielt und ich trat in der Schule der Popmusik-AG bei. Jeder außer mir dort konnte Gitarre spielen. Deswegen zeigten sie mir, wie man einen einfachen Viervierteltakt auf dem Schlagzeug spielen kann. Das lernte ich zwar, aber nicht viel mehr.

Iwata:

Es scheint, sie hätten alles mal ausprobiert. Ich bin etwas überrascht.

Miyamoto:

Ich habe allerdings immer alles auf halber Strecke aufgegeben. Aber dann ging ich zu Konzerten und lernte Melodien der Ventures zu spielen (einer amerikanischen Surf-Rock-Band). An der Uni war ich ein großer Fan von Takuro Yoshida (ein japanischer Liedermacher, der in den Siebzigerjahren extrem populär war). Mein Bruder hatte eine Gitarre und ein Banjo, deswegen wurde mein Interesse für Folkmusik geweckt. An der Uni sparte ich dann etwas Geld zusammen und kaufte mir, so bald es ging, eine Gitarre und eine Anlage. Damals kopierten japanische Folkmusiker meistens ältere amerikanische Folkmusik. Später hörte ich mir dann die Originale an. In meiner Studienzeit war ich verrückt nach dieser Musik. Nun ja, beantwortet das Ihre Frage? (lacht)

Iwata:

Ja, vielen Dank. (lacht)

Miyamoto:

Warum steigere ich mich da so rein? (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Es ist faszinierend. Wenn Sie Musik nicht in so verschiedenen Formen erlebt hätten, wären einige Ihrer Spiele vielleicht nie entstanden. Vielleicht hätten Sie zum Beispiel der Musik in den Mario-Spielen nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet, und "Wii Music" wäre vielleicht überhaupt nicht entstanden.

Miyamoto:

Nun ja, Sie haben teils damit recht, teils überschätzen Sie mich aber auch. So viel ich mich auch für Musik interessiert habe, so wenig verstehe ich davon.

Iwata:

Wirklich?

Miyamoto:

Mir fehlt einfach die Begabung. Das ist ein Grund. Der andere ist, dass ich im Prinzip immer die Musik von Anderen kopiert habe. Und so habe ich, obwohl ich Musik mag, diesen Komplex, keine eigene Musik zu machen.

Iwata:

Aber alles, was sie erwähnten, weist eine Verbindung zu "Wii Music" auf.

Miyamoto:

Hmm, vielleicht haben Sie recht! (lacht) Ich habe allerdings nicht daran geglaubt, als Musiker bestehen zu können, deswegen fing ich nach dem Studium bei Nintendo an. Zur damaligen Zeit waren nicht viele Leute bei Nintendo ernsthaft an Musik interessiert. Das kam mir zugute, weil ich mich profilieren konnte, was Musik anging. Sobald aber Koji Kondo und andere hinzukamen, die viel Ahnung von Musik hatten, hörte das schlagartig auf. Ich dachte, es wäre das Beste, fortan die Klappe zu halten, wenn es um Musik ging. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Danach wuchs die Zahl von Mitarbeitern mit musikalischem Sachverstand rapide. Ich hatte meine eigenen Ideen, was Musik anging, und wollte diese Ideen auch mit Anderen teilen - was ich jedoch nicht tun konnte, weil sich alle Anderen auf einem viel höheren muskalischen Niveau befanden. Bis heute habe ich einen Komplex deswegen.

Iwata Asks
Iwata:

Das merkt man, wenn man Ihnen zuhört.

Miyamoto:

Ja, sehen Sie. (lacht) Wenn es um Musikspiele geht - und nicht um Musik für Spiele, so wurden einige gute Spiele entwickelt, bei denen es gilt, Knöpfe nach vorgegebenen Noten zu drücken, aber sie spiegeln meine Vorstellungen von Musik nicht wirklich wider.

Iwata:

Anders ausgedrückt, macht es Spaß, Musikspiele zu spielen, aber aus Ihrer Sicht erlebt man Freude an der Musik anders?

Miyamoto:

Das ist der grundlegende Gedanke. Als ich erfuhr, dass der künstlerische Leiter Kazumi Totaka "Wii Music" in eine andere Richtung als die konventionellen Musikspiele lenken wollte, dachte ich: "Lasst uns das machen! Das wird klasse, also machen wir es!" Ich habe ihn angefeuert.

Iwata:

Ich verstehe.