10. Ocarina of Time - ein besonderes Spiel

Iwata:

Und jetzt noch meine letzte Frage: Das Remake von The Legend of Zelda: Ocarina of Time hat eine große Resonanz erfahren, insbesondere bei den Leuten, die es die ganzen Jahre über gespielt haben. Was macht Ihrer Meinung nach für so viele Leute das Besondere an diesem Spiel aus?

Miyamoto:

Hm…. Ja was ist eigentlich das Besondere daran? Ich verstehe das selbst nicht so ganz.

Iwata:

Von allen Zelda-Spielen waren Sie am stärksten bei Ocarina of Time involviert.

Miyamoto:

Das stimmt. Ich denke auch, dass ich am stärksten in dieses Spiel involviert war.

Iwata:

Vielleicht ist dies schon des Rätsels Lösung. (lacht)

Miyamoto:

Nein, nein. (lacht)

Iwata:

Nun, mir erscheint es so, als hätten Mario 6418 und Ocarina of Time maßgeblich die Grundlage für moderne 3D-Spiele gelegt. So denke ich, dass beispielsweise auch 3D-Spiele ganz anderer Genres von diesen beiden Spielen beeinflusst wurden. 18 Mario 64 = Super Mario 64. Das erste 3D-Action-Spiel der Super Mario-Serie, das in Japan im Juni 1996 für das Nintendo 64 veröffentlicht wurde.

Iwata Asks
Miyamoto:

Hm… Das ist die Frage. Da bin ich mir nicht ganz sicher.

Iwata:

Wie soll ich es ausdrücken? Mir scheint es, als könnte man bei diesem Spiel vieles „zum ersten Mal“ erleben.

Miyamoto:

Ah, da haben Sie recht. Eine der wichtigsten Eigenschaften von Ocarina of Time könnte sein, dass es voller neuer Phänomene steckt. Und außerdem, das klingt jetzt vielleicht ein wenig technisch, wurde das Ocarina-Spiel nicht auf einer Geschichte, sondern auf einzelnen Elementen und Zusammensetzungen aufgebaut.

Iwata:

Elemente und Zusammensetzungen.

Miyamoto:

Genau. Es gibt Leute, die die Story dazu geschrieben haben. Und hat man keine Story, dann hat man natürlich ein Problem. Aber grundlegender als die Story selbst sind meiner Meinung nach die Anlage der Charaktere und andere Faktoren. Sie erst erwecken das Spiel zum Leben. Mit anderen Worten gibt es keine bestimmte Weltanschauung und keine bestimmte Story, um die die Charaktere, Gegenstände und Landschaften herum gebaut werden. Der Kern von Ocarina of Time besteht in dem, was die einzelnen Designer aus den Elementen gemacht haben, die sie von dem für die Story Verantwortlichen erhalten haben.

Iwata:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Das Thema von Ocarina ist ganz einfach: Es geht um ein Kind, das zum Erwachsenen heranwächst. Und dann gibt es Leute, die über diese Hauptfigur wachen. Es gibt viele Begegnungen und Abschiede. Und die drei Frauen. Diese Struktur haben wir aufrechterhalten. Aber wenn Sie dieses Thema und die Story um eine Landschaft herum bauen, wird das Spiel dadurch nicht interessant.

Iwata:

Genau, genau.

Miyamoto:

Was aber macht das Spiel interessant? Die Grundlage besteht in den Rätseln, die seit dem ersten Spiel bei The Legend of Zelda auftauchen. Man muss das traditionelle Material der Serie geschickt in 3D umsetzen. Darin besteht der Reiz von The Legend of Zelda. Als wir die Serien-Elemente in 3D umsetzten, wurde die Sache immer interessanter.

Iwata:

Ich verstehe. So entstand Ocarina.

Miyamoto:

Genau. Und dann kann man nicht abstreiten, dass wir in dieser Hinsicht bei Ocarina die größten Freiheiten hatten.

Iwata:

Weil es das erste 3D-Zelda-Spiel war.

Miyamoto:

Richtig. Es war das primitivste und das freieste. Das ist alles, was man darüber sagen kann. Nicht, dass die nachfolgenden Spiele diese Freiheit verloren hätten. Nur bei den Spielen, die später herauskamen, gab es mehr Elemente, denen man Beachtung schenken musste. Natürlich besaß selbst Ocarina traditionelle Elemente, die auf Link to the Past19 für das Super Nintendo zurückgingen. Daher war auch dieses Spiel nicht völlig frei. Es war einfach nur das erste Zelda-Spiel in 3D. Wir konnten hier herumexperimentieren, was bei der Erstellung in 3D am interessantesten wäre, ohne uns über irgendetwas anderes Gedanken machen zu müssen. Ich glaube, das war schon die halbe Miete. 19 Link to the Past = The Legend of Zelda: A Link to the Past. Ein Action-Adventure-Spiel, das in Japan im November 1991 für das Super Nintendo Entertainment System veröffentlicht wurde.

Iwata Asks
Iwata:

Ah, ja, Ich verstehe. Mit anderen Worten, solange Sie diese grundlegende Mischung aus spaßigem 3D-Effekt und traditionellem Rätselraten beibehielten, waren Sie in Ihrem Design völlig frei. Anschließend wurden neue Sachen und traditionelle Elemente der Zelda-Serie aufgenommen, die in der Vergangenheit gut funktioniert hatten.

Miyamoto:

Ja, das stimmt.

Iwata:

Das ist der Grund, warum Spieler, selbst wenn sie nacheinander immer wieder auf neue Elemente stoßen, doch immer das Gefühl haben, dass es sich definitiv um The Legend of Zelda handelt.

Miyamoto:

Das trifft es wahrscheinlich. Es ist ein etwas schwieriges Thema. Vielleicht hätten wir es hier nicht ansprechen sollen. (lacht)

Iwata:

(lacht) Aber es ist doch sehr interessant. Wissen Sie, wir haben doch vorher noch nie darüber gesprochen, warum Ocarina of Time immer noch den gleichen Stellenwert besitzt wie früher. Denn wenn wir es nicht korrekt formulieren, könnte es so klingen, als würden wir neue Dinge nicht genauso wertschätzen.

Miyamoto:

Das war genau so bei dem ersten Star Wars: Das erste Spiel war etwas ganz Besonderes. Aber es geht nicht darum, welches Spiel besser war.

Iwata:

Ja, das stimmt.

Miyamoto:

Hierbei geht es nicht um Fähigkeiten oder Qualität. Noch einmal: Es ist das gleiche wie beim ersten Star Wars: Wenn ich mir heute Ocarina ansehe, dann kommen mir die Grafiken doch sehr grob vor. So grob sogar, dass ich es für ein Wunder halte, dass die Leute das Spiel tatsächlich gespielt haben.

Iwata:

Nun, in meiner Erinnerung wirkte es überhaupt nicht grob. Ich war beeindruckt von der Grafik. Ich erinnere mich sehr gut an diesen Teil: Ocarina of Time war das erste Videospiel, bei dem man von einer großen Höhe aus herabsah und das mich weiche Knie bekommen ließ.

Miyamoto:

Das liegt eigentlich mehr an der Kameraführung als an der Grafik. Zu dieser Zeit wurde meist der Ausdruck „cinematic game“ [filmisches Spiel] im Hinblick auf die Grafik verwendet. Aber meines Erachtens entsprach das nicht genau der Bedeutung von „filmisch“. Meiner Meinung nach taten wir gut daran, Kameratechniken gezielt zum Erklären von Situationen einzusetzen.

Iwata:

Ah, ich verstehe.

Miyamoto:

Ich habe das damals auch schon angesprochen. Wenn die Kamera über einem ist und man von einem bestimmten Blickwinkel aus beobachtet wird, hat man das Gefühl, dass da oben jemand ist. Möchte man zum Ausdruck bringen, dass ein Ort so hoch gelegen ist, dass man weiche Knie bekommt, dann verändert man die Kameraeinstellung leicht, je nachdem wie hoch der jeweilige Charakter geklettert ist. Und wenn er den Gipfel erreicht hat, lässt man die Kamera weiter abschwenken, damit die Spieler nach unten sehen

Iwata:

Sie haben also Filmtechniken eingebaut.

Miyamoto:

Das stimmt. Durch den geschickten Einsatz von Schnitten können ein Kampfjet und sein Pilot richtig cool aussehen. Solche Dinge haben wir bei Star Fox verwirklicht. Aber erst bei Ocarina of Time wurde uns zum ersten Mal klar, dass wir die filmische Kameraführung als Produktionstechnik einsetzen konnten.

Iwata:

Mir scheint, das ganze Spiel versprüht diese Begeisterung über Ihre neuen Entdeckungen.

Iwata Asks
Miyamoto:

Ja. Das ist aber genau darauf zurückzuführen, dass es das erste Spiel ist.

Iwata:

Nun, ich glaube, mir wird allmählich klar, was an Ocarina of Time so besonders ist. Selbstverständlich steckt die Nintendo 3DS-Version von Ocarina of Time voller interessanter Dinge, die es noch nicht bei der Nintendo 64-Version gab. Aber darüber sollten wir erst nach der Veröffentlichung sprechen.

Miyamoto:

Genau. (lacht)

Iwata:

Dann bin ich schon auf all Ihre Geschichten gespannt. Aber trotzdem, wenn man bedenkt, dass es schon dreizehn Jahre her ist…

Miyamoto:

Ich weiß. Mein Kind war damals in einer der letzten Grundschulklassen... Oh, das stimmt. An eine Sache aus dieser Zeit, an die ich mich gut erinnern kann, ist, wie meine Frau unser Kind beim Spielen von Ocarina of Time beobachtete. Sie sagte: “Wenn ich zusehe, dann gefällt es mir schon, aber ich hätte keine Lust, es selbst auszuprobieren.” Da dachte ich: “Daran muss man doch etwas ändern!" (lacht)

Iwata:

Ja, daran erinnere ich mich. (lacht)

Miyamoto:

Gut, sie hat sich vorher überhaupt nicht für Spiele interessiert. Und dann zeigte sie plötzlich doch ein Interesse, und dann … Für mich war es, als wäre ein Kunde direkt auf den Eingang des Geschäfts zumarschiert, hätte dann aber kehrt gemacht und wäre nach Hause gegangen.

Iwata:

Ihr Konzept, die Spielergemeinde zu erweitern, geht also auf diesen Vorfall zurück, nicht wahr?

Miyamoto:

Das kann man so sagen. (lacht) Ich dachte: „Nein! Ich war so kurz davor!“ So fing alles an.

Iwata:

Das ist doch eine hübsche Geschichte zum Abschluss unseres Interviews. (lacht) Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit genommen haben.

Miyamoto:

Vielen Dank.